“Ich war damals noch jung. Heute bin ich älter und reifer und check mehr als früher.”
19. September 2012 von Jaspis
Wenn es die SZ und ihre rührigen Schreiberlinge nicht gäbe, man wüsste ja gar nichts über die Niedertracht der CSU. Glücklicherweise klären uns Andreas Glas und Katja Riedel erst jeweils einzeln [1][2] und dann auch noch gemeinsam [3] auf: Die von der CSU. Der Joachim Hermann. Und der Günther Beckstein. Und der Hans-Peter Uhl. Die sind ja sowas von fies, echt. Die wollen nämlich einfach nicht, dass der “Mehmet”, der mit richtigem Namen Mulis A. heißt, wieder nach Deutschland kommt.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte am Montag eine Rückkehr Muhlis A.s bereits abgelehnt, weil er ihn nach wie vor für gefährlich hält. Auch der frühere Innenminister Günther Beckstein (CSU), der die Abschiebung des damals 14-Jährigen Muhlis A. ohne dessen Eltern 1998 mit veranlasst hatte, sprach sich am Dienstag gegen eine Einreise des früheren Serientäters aus.
Und wenn überhaupt, dann erst, wenn er die Haftstrafe abgesessen hat, zu der er im Jahr 2005 verurteilt worden ist.
“Das Urteil ist zu vollstrecken, da muss er behandelt werden wie jeder andere auch”, sagte Beckstein. Erst nach Verbüßen der 18-monatigen Haftstrafe, wegen der Muhlis A. 2005 in der Türkei untergetaucht war, könne man über eine Aufhebung der dauerhaften Ausweisung verhandeln.
Ähnlich hart urteilt auch der Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Uhl (CSU), der den “Fall Mehmet” als damaliger Münchner Kreisverwaltungsreferent publik gemacht und dem 14-Jährigen sowie dessen Eltern einen Ausweisungsbescheid zugestellt hatte.
Ja, wo gibt es den so etwas? Eine noch nicht angetretene und auch noch nicht verjährte Haftstrafe absitzen? So wie jeder andere Straftäter auch?? Genügt es diesen bösartigen Menschen denn nicht, wenn sich einer hinstellt, und sagt, hey,
“Ich war damals ein Kind. Ich war naiv und leicht beeinflussbar, weil ich mich gegenüber meinen Freunden beweisen wollte.”
Dass er bis zu seinem 14. Lebensjahr 62 Straftaten verübt hat, darunter immer wieder gefährliche Körperverletzung , Raub, Einbrüche und Erpressungen, erklärt er heute mit Naivität und Gruppenzwang.
Ja, gut, da waren 62 Straftaten bis zum 14. Lebensjahr, das kann schon mal vorkommen, im jugendlichen Leichtsinn. Und dann, das erfährt man wenigstens in den anderen beiden Artikeln, ging die Geschichte noch ein bisschen weiter:
Der Fall des damals 14-Jährigen aus Neuperlach hatte 1998 deutschlandweit für Schlagzeilen gesorgt. Der in München geborene Jugendliche hatte aufgrund von etwa 60 Straftaten seine Aufenthaltserlaubnis verloren und wurde allein in die Türkei abgeschoben - als erstes Kind in Deutschland. 2002 war er nach einem Berufungsverfahren nach München zurückgekehrt. 2005 jedoch verprügelte er im Streit seine Eltern und drohte ihnen, sie zu töten. Sie zeigten ihn an. Es folgte eine Jugendstrafe von 18 Monaten Haft, die er nicht antrat. Stattdessen setzte er sich in die Türkei ab, wo er heute lebt. Inzwischen soll sich die Familie versöhnt haben. Und Muhlis A. gibt sich geläutert.
“Geläutert” gab sich Muhlis auch schon vor seiner früheren Rückkehr nach Deutschland, in einem Interview im Jahr 2000:[4]
Muhlis: Ich hab´s schon kapiert. Ich war damals noch jung. Heute bin ich älter und reifer und check mehr als früher. Jetzt ist Gewalt nichts mehr für mich. Hey, wir leben im Jahr 2000, da kann man mit den Leuten auch reden.
FOCUS: Vor Gericht wollen Sie im nächsten Jahr Ihre Rückkehr nach Deutschland erstreiten. Wie bereiten Sie sich auf den Prozess vor?
Muhlis: Ich will dem Richter nur sagen, dass ich jetzt ganz normal bin und nichts mehr mit Gewalt im Kopf hab. Ich hab mich wirklich völlig verändert. Da brauche ich mich nicht vorbereiten.
FOCUS: Haben Sie schon Pläne für den Fall, dass der Prozess positiv für Sie ausgeht und Sie wieder nach Deutschland kommen dürfen?
Muhlis: Ja, das dürfen Sie aber glauben. Ich will wieder zur Schule gehen und mein Abitur machen. Wissen Sie, ich hab durch die ganze Sache so viel erlebt und gelernt, da blick ich schon durch. Ich glaube, ich könnte gut was Soziales machen, anderen Leuten helfen.
[Hervorhebungen: Jaspis]
Das klingt doch erstaunlich nach den heutigen Beteuerungen:
“Ich war damals ein Kind. Ich war naiv und leicht beeinflussbar, weil ich mich gegenüber meinen Freunden beweisen wollte.”
Für den Fall seiner Rückkehr hat er schon Pläne: Er will kriminellen Münchner Jugendlichen dabei helfen, wieder auf die richtige Bahn zu kommen.
Und dennoch hat es damals irgendwie nicht so recht geklappt mit der Läuterung. Ein näheres Eingehen auf die Vorfälle im Jahr 2005 ist für Glas und Riedel lässlich. Mit Fakten wollen sie sich ebensowenig abgeben wie mit rechtsstaatlichen Vorgehensweisen. Dabei hätte ein Blick ins SZ-Archiv schon genügt:[5]
Der junge Türke, der in der Wohnung seiner Eltern lebt und dort auch gemeldet ist, hatte in der jüngeren Vergangenheit immer wieder kleinere Geldbeträge von seinem Vater und seiner Mutter verlangt. Bis zum Ende des Jahres 2004 kamen die Eltern diesen Forderungen nach - seit Januar allerdings lehnten sie die Zahlungen an den Sohn ab.
Muhlis A., der als Minderjähriger aus Datenschutzgründen “Mehmet” genannt wurde, reagierte darauf mit immer massiver werdender körperlicher Gewalt, bis die Situation am Mittwoch eskalierte: Er forderte 15 Euro von seinem Vater. Als dieser ihm kein Geld geben wollte, schlug der 20-Jährige mehrmals mit der Faust gegen den Oberkörper des 67-Jährigen und stieß ihn zu Boden.
Die zu Hilfe eilende Mutter wurde von ihrem Sohn ebenfalls niedergestoßen; seine auf dem Boden liegenden Eltern traktierte Muhlis mit Fußtritten. Dazu drohte er, er werde sie beide umbringen: “Euer Tod wird aus meiner Hand kommen, ich bringe euch um, ich werde euch abstechen!”
Den eingeschüchterten Eltern blieb nichts anderes übrig, als ihrem Sohn zwölf Euro zu geben - alles, was der Vater bei sich hatte. Mit dieser Summe verließ Muhlis die Wohnung. Die Eltern sahen keinen anderen Ausweg und erstatteten Anzeige gegen ihren Sohn. [Hervorhebungen: Jaspis]
Brutale Gewalt und Todesdrohungen gegen die eigenen Eltern. Für 15 Euro. Aber nun ist ja für Andreas Glas und Katja Riedel alles wieder in Butter: Die Familie “soll” sich versöhnt haben und Mulis A. “gibt” sich geläutert. Auch hier erübrigt sich offenbar nähere Recherche.
Der Argwohn, den Hermann, Uhl und Beckstein von der CSU - und auch Jaspis (nicht von der CSU) hegen, ist dabei selbstredend vollkommen aus der Luft gegriffen und nur Ausdruck von fehlender Empathie.
Jaspis
[1] http://www.sueddeutsche.de/muenchen/wirbel-um-frueheren-straftaeter-muhlis-a-csu-will-rueckkehr-von-mehmet-verhindern-1.1470789
[2] http://www.sueddeutsche.de/muenchen/untergetauchter-straftaeter-mehmet-will-zurueck-nach-muenchen-1.1469688
[3] http://www.sueddeutsche.de/muenchen/mehmet-hofft-auf-gnade-des-staates-ich-war-ein-kind-und-naiv-1.1471575
[4] http://www.focus.de/politik/deutschland/deutschland-ich-koennte-was-soziales-machen_aid_185418.html
[5] http://www.sueddeutsche.de/muenchen/von-eltern-angezeigt-mehmet-wird-wieder-gewalttaetig-1.670065