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Katastrophal

18. August 2012 von Jaspis

Irgendwann einmal muss im Leben des Dr. jur. Heribert Prantl der Zeitpunkt gekommen sein, da er erkannt hat, dass er niemals die Weihen eines Verfassungsrichters erlangen würde - aus welchen Gründen auch immer. Vielleicht war das der Zeitpunkt, zu dem er sich entschlossen hat, bei der Betrachtung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes nicht nur das erlernte Handwerk der Juristerei schlicht zu ignorieren, sondern auch die Fähigkeit, das geschriebene Wort zu lesen und auch zu verinnerlichen, sondern statt dessen einfach blind bis blindwütig die Richter des Bundesverfassungsgerichts - zu denen er ja nie gehören würde - mit seinem verbalen Unrat zu überhäufen, wo immer ihm das für geboten erscheint. So, wie auch gestern.[1]


katasrophe



Gestern erschien die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts zu dessen Plenarentscheidung vom 3. Juli, in der es feststellte, dass bei Einsätzen der Bundeswehr im Inneren auch militärische Mittel angewandt werden dürfen.[2]

Nicht mehr und nicht weniger ist der Kernbestandteil dieses Beschlusses: Der Einsatz militärischer Mittel im Gegensatz zu den Mitteln, die auch der Polizei zur Verfügung stehen, zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, bei Gefährdung durch Naturkatastrophen oder Unglücksfall und zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitlich demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes.

Mit viel Blabla und Allgemeinplätzen wie

Der Spruch, dass viele Köche den Brei verderben, ist einer fundamentalen Verfassungsfrage eigentlich nicht angemessen, aber er stimmt. Die Köche hätten sagen sollen, ja sagen müssen, dass man in das Grundgesetz auch mit 16 Richtern nicht hineininterpretieren kann, was einfach nicht drinnen steht.

Solch fundamentale Entscheidungen, wie sie jetzt das Verfassungsgericht getroffen hat, sind Sache des Verfassungsgesetzgebers. Die Richter haben das Grundgesetz fundamental geändert. Das war und ist nicht ihre Sache.

“The Philosophers have only interpreted the world in various ways, the point however is to change it”: So steht das in goldenen Versalien auf dem Grab von Karl Marx in London. Die Verfassungsrichter haben mit ihrer Bundeswehrentscheidung die Marx’sche Devise im Verfassungsrecht praktiziert. Sie haben die Verfassung nicht interpretiert, sie haben sie geändert. Es ist dies ein juristischer Handstreich.

ereifert sich Prantl, nur um die eine ebenso falsche wie mehrfach wiederholte Feststellung zu treffen:

Karlsruhe bricht mit einer republikanischen Tradition. Diese Tradition besagt: Kein Bundeswehreinsatz im Inneren! Karlsruhe erlaubt nach den Out-of-area-Einsätzen auch die Einsätze der Armee im Inland.

Allein, es ist dies: Unsinn.

Hätte sich der Herr Doktor der Juristerei wenigstens hin und wieder einmal den Grundgesetz-Text zur Hand genommen und darin gelesen, dann hätte er feststellen können, dass Artikel 87a Absatz 2 regelt, dass die Bundeswehr neben dem Verteidigungsfall dann eingesetzt werden darf, wenn das Grundgesetz das ausdrücklich zulässt. Und das heißt nicht, wie Prantl unter Hinweis auf eine nebulöse “Tradition” fabuliert, gar nicht, sondern es heißt: Soweit durch das Grundgesetz ausdrücklich zugelassen. Ob man das nun gut findet oder nicht: Das gibt es schon. Schon lange. Genauer gesagt, seit 1968, aus gegebenem Anlass. Und dennoch schon so lange, dass der damals fünfzehnjährige Heribert Prantl diesen Tatbestand bereits in seinem späteren Jurastudium hätte zur Kenntnis nehmen können, sofern er dieses nicht komplett verschlafen oder mit für ihn Wichtigerem verbracht hat.

Der erste Fall einer grundgesetzlichen Zulassung ist bereits im selben Artikel, in Absatz 4 geregelt, zwei weitere in Artikel 35 (Hervorhebungen: Jaspis):


Art 87a


(1) Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf. Ihre zahlenmäßige Stärke und die Grundzüge ihrer Organisation müssen sich aus dem Haushaltsplan ergeben.

(2) Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zuläßt.

(3) Die Streitkräfte haben im Verteidigungsfalle und im Spannungsfalle die Befugnis, zivile Objekte zu schützen und Aufgaben der Verkehrsregelung wahrzunehmen, soweit dies zur Erfüllung ihres Verteidigungsauftrages erforderlich ist. Außerdem kann den Streitkräften im Verteidigungsfalle und im Spannungsfalle der Schutz ziviler Objekte auch zur Unterstützung polizeilicher Maßnahmen übertragen werden; die Streitkräfte wirken dabei mit den zuständigen Behörden zusammen.

(4) Zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes kann die Bundesregierung, wenn die Voraussetzungen des Artikels 91 Abs. 2 vorliegen und die Polizeikräfte sowie der Bundesgrenzschutz nicht ausreichen, Streitkräfte zur Unterstützung der Polizei und des Bundesgrenzschutzes beim Schutze von zivilen Objekten und bei der Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer einsetzen. Der Einsatz von Streitkräften ist einzustellen, wenn der Bundestag oder der Bundesrat es verlangen.


Art 35

(1) Alle Behörden des Bundes und der Länder leisten sich gegenseitig Rechts- und Amtshilfe.
(2) Zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung kann ein Land in Fällen von besonderer Bedeutung Kräfte und Einrichtungen des Bundesgrenzschutzes zur Unterstützung seiner Polizei anfordern, wenn die Polizei ohne diese Unterstützung eine Aufgabe nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten erfüllen könnte. Zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall kann ein Land Polizeikräfte anderer Länder, Kräfte und Einrichtungen anderer Verwaltungen sowie des Bundesgrenzschutzes und der Streitkräfte anfordern.
(3) Gefährdet die Naturkatastrophe oder der Unglücksfall das Gebiet mehr als eines Landes, so kann die Bundesregierung, soweit es zur wirksamen Bekämpfung erforderlich ist, den Landesregierungen die Weisung erteilen, Polizeikräfte anderen Ländern zur Verfügung zu stellen, sowie Einheiten des Bundesgrenzschutzes und der Streitkräfte zur Unterstützung der Polizeikräfte einsetzen. Maßnahmen der Bundesregierung nach Satz 1 sind jederzeit auf Verlangen des Bundesrates, im übrigen unverzüglich nach Beseitigung der Gefahr aufzuheben.



Die “Tradition”, die sich geändert hat, ist die Interpretation, wie (und nicht ob) denn die Streitkräfte die in den stark begrenzten Ausnahmetatbeständen angeforderte Hilfe zu leisten hätten. Dazu führte das Bundesverfassungsgericht[2] aus:

Es ist jedoch weder durch den Wortlaut des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG noch die Systematik des Grundgesetzes zwingend vorgegeben, dass der Streitkräfteeinsatz nach diesen Bestimmungen auf diejenigen Mittel beschränkt ist, die nach dem Gefahrenabwehrrecht des Einsatzlandes der Polizei zur Verfügung stehen oder verfügbar gemacht werden dürften. Vielmehr spricht der Regelungszweck, eine wirksame Gefahrenabwehr zu ermöglichen, für eine Auslegung, die unter den engen Voraussetzungen, unter denen ein Einsatz der Streitkräfte überhaupt in Betracht kommt, die Verwendung ihrer spezifischen Mittel nicht generell ausschließt.
Auch eine Gesamtbetrachtung der Gesetzesmaterialien zwingt nicht zu der Annahme, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber eine Beschränkung der  einsetzbaren Mittel beabsichtigt hat. Aus der Gesetzgebungsgeschichte wird weder ein eindeutiger Wille des verfassungsändernden Gesetzgebers hinsichtlich der in den Fällen des Art. 35 Abs. 2 und 3 GG einsetzbaren Mittel noch eine klare Konzeption in der Frage des anwendbaren Rechts erkennbar.

Es steht schlicht und ergreifend eben nicht im Grundgesetz, dass ein Einsatz der Bundeswehr im Inneren auf die Mittel beschränkt wäre, die auch der Polizei nur zur Verfügung stehen, und das ist auch weder aus dem Kontext ersichtlich, noch wäre es zwingend logisch. Das ist lediglich eine Meinung. Eine Meinung, die aber gerade nicht ausschlaggebend bei der Grundgesetzänderung im Jahr 1968 war und deshalb auch keinen Eingang in die entsprechenden Erlaubnistatbestände gefunden hat. Denn welche Mittel die Streitkräfte im Vergleich zur Polizei zur Verfügung haben, war auch im Jahr 1968 schon bekannt. Wäre es dem Gesetzgeber darum gegangen, die Bundeswehr auf die Mittel der Polizei zu beschränken, dann hätte er das auch in die Grundgesetzänderung mit aufnehmen können. Was er nicht getan hat.

Weil aber die Wahl der Mittel gerade nicht spezifisch im Grundgesetz enthalten ist, kann auch die Änderung der Meinung zu dieser Frage selbstredend keine Verfassungsänderung sein. Prantls Behauptung

Die Richter haben mit ihrem Beschluss, Bundeswehreinsätze im Inneren zu erlauben, das Grundgesetz nicht interpretiert. Sie haben es verändert. Das war und ist nicht ihre Sache.

ist daher einschließlich des darin behaupteten Bruchs der Gewaltenteilung ebenso ungeheuer wie haltlos.

Man kann durchaus die Meinung vertreten, dass der Einsatz militärischer Mittel durch die Bundeswehr nicht mehr von den Erlaubnistatbeständen des Grundgesetzes gedeckt ist, und sich dabei dem Sondervotum des Richters Gaier[2] anschließen, das die übrigen Richter aber argumentativ widerlegt haben. Das wäre eine interessante Diskussion.  Doch zu dieser Diskussion kommt ein Heribert Prantl gar nicht erst und seine durch ihn deszinformierte, wohnzimmerrevolutionäre Fangemeinde erst recht nicht, wenn er als Pseudoverteidiger der Demokratie schon über einen Verfassungsbruch wegen des Einsatzes der Bundeswehr im Inneren an sich schwadroniert, was ihm offensichtlich leichter fällt als die Auseinandersetzung mit Argumenten - oder womöglich gar - dem Gesetz.





Jaspis





[1] http://www.sueddeutsche.de/politik/verfassungsgericht-zu-bundeswehreinsaetzen-im-inland-karlsruhe-faellt-eine-katastrophen-entscheidung-1.1443401
[2] http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg12-063.html

Geschrieben in DeSZinformation, Demokratieversztändnis, Meinungsvorgabe, NonSZens, Prantl-ismus, QualitätZSjournalismus | 0 Kommentare

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