Mischmasch - Wischiwaschi
11. Juni 2009 von Jaspis
Will man Erdöl als fossilen Rohstoff für Treibstoffe im mobilen Bereich, also für Pkw, Lkw und Nutzfahrzeuge ersetzen, womöglich durch einen regenerativen Kraftstoff, dann stößt man an gewisse Grenzen: Naturreines Pflanzenöl ist eine Alternative für Dieselmotoren. Verwendet man es aber ohne weiteres, hat man in kürzester Zeit einen kaputten Motor. Denn die Molekülketten des reinen Pflanzenöls sind im Gegensatz zum fossilen Brennstoff zu lang und lagern sich an den Kolbenwänden ab, wo sie nach mehreren Kolbenhüben den Motor verschoppen. Um das zu vermeiden, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man passt den Kraftstoff an oder man passt den Motor an.
Einen angepassten Motor gibt es entweder als komplett eigenen 3-Zylinder Reihenmotor, etwa der Firma ELSBETT, oder als einer der verschiedenen Umbauten herkömmlicher Dieselmotoren. Beide Varianten haben ein spezielles Einspritzsystem, das die Ablagerung der langen Molekülketten an der Kolbenwand verhindert.
Bei der Anpassung des Kraftstoffes geht es darum, die langen Molekülketten des Pflanzenöls zu “kracken”. Der als “Biodiesel” an vielen Tankstellen erhältliche Kraftstoff ist Pflanzenöl, das mit hohem Energieaufwand und aus Erdöl gewonnenem Methanol verestert wurde.
Beim “Synthetik-Sprit” erfolgt dieser Vorgang nicht mit fossil gewonnenem Methanol, sondern mit Bio-Methanol, das aus Biomasse gewonnen wurde.
Als “Bio-Kraftstoffe” gelten solche, die sich u.a. CO2-neutral verhalten, also bei ihrer Verbrennung nur das CO2 freisetzen, das die jeweiligen Pflanzen während ihres Wachstums auch gebunden haben. Fossile Brennstoffe hingegen setzen CO2 frei, das schon vor Jahrmillionen gebunden wurde.
Foto: Naturreines Rapsöl
Wirklich “Bio” ist daher nur das naturreine Pflanzenöl, in diesem Sinn trotz des leicht verwirrenden Namens auch der “Synthetik-Sprit”, aber schon nicht mehr allzu sehr “Bio” ist, trotz des irreführenden Namens der “Biodiesel”, der eigentlich RME (Rapsölmethylester) heißt. Denn während naturreines Pflanzenöl und “Synthetik-Sprit” sich CO2-neutral verhalten, ist in “Biodiesel” immer noch ein Anteil an fossilem Rohstoff enthalten.
Diese Unterscheidung ist den meisten Journalisten zu viel abverlangt. Sie werfen munter durcheinander, was ihnen gerade in die Finger kommt. Schon zwischen “Biodiesel” und naturreinem Pflanzenöl findet keine Unterscheidung statt und nun kommt zu dem Kraut und Rüben, das vielerorts zu lesen ist, auch noch der mithilfe desselben, also von Kraut und Rüben (oder anderer Biomasse) gewonnene “Synthetik-Sprit”.
Wenn das nötige Hintergrundwissen fehlt, aber dennoch ein Artikel geschrieben werden soll, dann müssen eben Parolen die Lücke füllen, etwa
Vor allem aber ist der Synthetik-Sprit den Mineralölkonzernen sympathisch. War der bisherige noch vor allem in der Hand von Mittelständlern, lässt sich der synthetische Kraftstoff nur industriell herstellen - von der Mineralölindustrie. [1]
Der Satz ist “gewichtend” hinterlegt mit einem Link auf einen Artikel, in dem es um einen Rechtsstreit gegen Shell wegen des Vorwurfs des Schweigens zu Menschenrechtsverletzungen sowie der Umweltverseuchung ging - bei der Förderung von Erdöl. Einen Zusammenhang mit der Herstellung von “Synthetik-Sprit” sucht man dort vergeblich.
Richtig ist zwar, dass Shell auch “Synthetik-Sprit” produziert. Richtig ist aber auch, dass Shell Dünnschicht-Solarzellen (Photovoltaik) produziert. Muss also auch hinter der Photovoltaik nur der Machterhalt der Mineralölindustrie vermutet werden, die sich erdreistet, auch mit regenerativen Energien Geld zu verdienen? Darüber hinaus wird “Synthetik-Sprit” u.a. von Mercedes zusammen mit dem Träger des Europäischen Umweltpreises und des BDI-Umweltpreises 2008, der Choren Industries GmbH produziert. Kein Mineralölkonzern. Eine andere chemische Industrie. Aber auch das ist für Michael Bauchmüller nicht der Unterscheidung wert. Treibstoff ist bei ihm Treibstoff, chemische Industrie ist chemische Industrie und Link ist Link. Ein bisschen Gemisch, ein bisschen Wischiwaschi.
(Vielleicht sollte der Link aber auch nur dabei helfen zu erkennen, was eine “Mineralölindustrie” ist. So wie der Link, der dem Wort “Daimler” unterlegt ist und auf den Artikel “Daimler schnappt sich Tesla-Anteile” verlinkt oder beim Wort “Post” der Artikel “Immer wieder montags”, in dem es um Personalreduzierung bei der Post geht, also in beiden Fällen ein ebenso zusammenhangloser Link.)
Es gibt eine rege Diskussion für und wider die Verwendung von Pflanzenöl als Kraftstoff, mit und ohne Beimengung. Um sie sinnvoll führen zu können, ist die Unterscheidung wichtig. Ich will wirklich keinen überfordern, auch nicht den strapazierten Michael Bauchmüller, aber wenn man sich schon ins Zeug legt mit
Und die Konkurrenz ist machtvoll. Es ist der andere Biosprit, der synthetische.
dann sollte man sich schon etwas gründlicher informieren. Denn womöglich wird die weitere Förderung des “Biodiesels” ja nicht wegen der “machtvollen Konkurrenz” oder anderer Verschwörungen gedrosselt, sondern weil ein Irrtum erkannt wurde?
Jaspis
[1] http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/150/471683/text/