Ein Zeichen setzen
7. April 2012 von Jaspis
Man merkt immer wieder, wie sehr die Piratenpartei in weiten Teilen der SZ-Redaktion ankommt: So wild, so unkonventionell, so anders.
… so großzügig - wenn es um die Urheberrechte geistig Schaffender geht, die um ihr geistiges Eigentum gebracht werden sollen.
… so unbekümmert - wenn es um so putzige modische Details wie das “blau-weiße Kopftuch” [1] geht, das zu kritisieren der Süddeutschen erst gar nicht in den Sinn kommt (der von der SZ ebenso unerwähnt gebliebenen Charlotte Knobloch aber durchaus [2])
… so nonchalant, wenn es um einen Holocaust-Relativierer geht, dessen Partei-Ausschlussverfahren sich nun gerade einmal das dritte Jahr hinzieht. [3][4]
Ja, das ist die neue Politik, die bei SZ-Redakteuren ankommt. [5]
Das muss “leja/woja”
ja wirklich mächtig imponiert haben. “Zeichen setzen”. “Religiös motivierte Unterdrückung”. “Unrechtmäßige Vermischung von Staat und Kirchen”. “Ziviler Ungehorsam”. Da frohlockt das Herz des anderenorts zu kurz gekommenen Widerstandskämpfers. Da muss man auch gar nicht mehr recherchieren, denn bei so viel Freigeist genügt es völlig, die vorgekauten Plattitüden nachzuplappern:
Der Wikipedia-Artikel zum Tanzverbot listet neben den Regelungen für Deutschland, Österreich und die Schweiz nur ein einziges Land auf, in dem nicht getanzt werden darf: Iran.
Dass die Gleichsetzung mit dem Iran, wo Tanzverbote generell gelten, weil es “unsittlich” sei, völlig neben der Sache liegt - geschenkt. Auch ein weiterer Blick in Wikipedia, wenn es doch nun schon einmal aufgerufen ist, war eine Zumutung für “leja/woja”.
Da hätte man aber, wenn man schon so bar jeglichen Wissens ist wie diese Autoren, wenigstens in Grundzügen erfahren, was es eigentlich auf sich hat, mit diesem ach so unerträglichen, an dem (in Bayern) ganzen neun von 365 Tagen geltenden Tanzverbot: Es gilt an “den sogenannten Stillen Tagen (z. B. Karfreitag oder Volkstrauertag). Das Verbot wird aus dem Grundgesetz hergeleitet, das den Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als „Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung“ (Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV) unter besonderen gesetzlichen Schutz stellt.” [6]
_12.jpg)
Leiden Christi (Stöger-Passion)
Und noch ein Klick weiter, zum Karfreitag, um den es in diesem Fall ging: “Der Karfreitag (althochdeutsch kara, „Klage, Kummer, Trauer“) ist der Freitag vor Ostern. Er folgt auf den Gründonnerstag und geht dem Karsamstag voraus. Christen gedenken an diesem Tag des Kreuzestodes Jesu Christi. Der Karfreitag wird auch „Stiller“ oder „Hoher Freitag“ genannt. In der katholischen Kirche ist er ein strenger Fast- und Abstinenztag.” [7]
Das wäre eigentlich nicht so arg schwer gewesen. Doch damit haben “leja/woja” offenbar genausowenig am Hut wie mit der deutschen Grammatik.
Auch hier hätte ein kleiner Klick, diesmal auf Duden.de [8] geholfen
Zugegeben, die christliche Religion ist nicht jedermanns Sache. Wenn auch nicht so unbedeutend, wie “leja/woja” und die Piratenpartei glauben machen wollen.
In einem Land, wo der Anteil derjenigen Katholiken und Protestanten, die regelmäßig einen Gottesdienst besuchen, im einstelligen Prozentbereich liegt
Nicht nur, dass diese Zahl jeglicher Grundlage entbehrt - es soll auch Menschen geben, die der Leiden Christi am Karfreitag in Ruhe gedenken wollen, auch wenn sie keine Kirche oder diese nur unregelmäßig besuchen.
Doch auch Rücksichtnahme ist nicht jedermanns Sache und Religionsfreiheit scheint bei der SZ nicht für jede Religion zu gelten.
Wenigstens eine Frage hätte ich mir aber doch gewünscht, von den “Journalisten” “leja/woja”: Ob denn eigentlich diese unglaublich vielen “religiös motiviert Unterdrückten” konsequenterweise auch am Karfreitag und am Ostermontag zur Arbeit gehen, bzw. zwei ihrer Urlaubstage dafür hergeben. Denn wenn es um religiös begründete arbeitsfreie Tage geht, sind diese selbsternannten Freiheitskämpfer offenbar nur zu gerne bereit, die “religiös motivierte Unterdrückung” und die “Vermischung von Staat und Kirchen” in Kauf zu nehmen.
Ich wünsche allen Lesern ein gesegnetes Osterfest.
Jaspis
[1] http://www.sueddeutsche.de/politik/neue-gesichter-im-berliner-abgeordnetenhaus-das-sind-die-piraten-1.1146022-13
[2] http://www.ikg-m.de/offener-brief-an-gerwald-claus-brunner/
[3] http://jungle-world.com/artikel/2009/29/35473.html
[4] http://www.taz.de/!82932/
[5] http://www.sueddeutsche.de/politik/aktionen-gegen-tanzverbot-piraten-scheitern-am-bundesverfassungsgericht-1.1327504
[6] http://de.wikipedia.org/wiki/Tanzverbot#Deutschland
[7] http://de.wikipedia.org/wiki/Karfreitag
[8] http://www.duden.de/rechtschreibung/wider