Alte Traditionen
12. März 2012 von Jaspis
Es war abzusehen, dass ein Kommentar Peter Münchs in der so praktisch gegen Israel aufgeheizten Situation nicht lange auf sich warten lassen würde, ein Kommentar, mit dem er die Gelegenheit beim Schopf ergreift und auch gegen die Regierung Netanjahu wettert, die womöglich den Vernichtungsplänen Ahmadinedschads mit einem Militärschlag zuvorkommen könnte. Mit [1]
gibt sich Münch als Beobachter, als ein Auslandskorrespondent, der zwei Aspekte ein und derselben Situation objektiv darstellt, damit sich seine Leser ein Bild von der Lage machen und draus eine eigene Meinung bilden können. Doch das, was dem Leser objektiv erscheinen soll, ist nichts anderes als eine vollkommen einseitige Sicht.
Peter Münch beginnt, scheinbar beiläufig, mit aktuell gefeierten Purim-Fest,
Im Buch Ester waren es die Perser, ausgerechnet, denn dies macht es für Netanjahu zu einer passenden Parabel für den atomaren Iran. Hatte nicht schon vor 2500 Jahren ein Finsterling namens Haman als oberster Beamter des persischen Königs die Tötung aller dort ansässigen Juden geplant? Verhindert wurde dies damals allein durch das Fasten und Beten der Königin Ester. Der Errettung vor dem Genozid, auf die ein Gemetzel an den Feinden folgte, wird seither mit einem fröhlichen Fest gedacht, mit Straßenkarneval, mit Umzügen und mit reichlich Alkohol.
… um dann festzustellen:
Ein Volk, das solche Feste feiert, ist wahrlich leidgeprüft.
(Käme eigentlich irgendjemand auf die Idee, das von den Franzosen, der Französischen Revolution und ihrem alljährlich ausgelassen zelebrierten Nationalfeiertag zu sagen? Oder meint Münch, die Begegnung mit Madame Guillotine sei eine Art Teekränzchen gewesen?)
Nach dieser Einleitung stellt Peter Münch die Befürchtungen der Regierung Netanjahu als überzogen und unrealistisch dar:
Das klingt nicht nur furchtbar und feige, sondern auch vertraut aus den heutigen Debatten über einen Angriff auf die iranischen Nuklearanlagen. Damals war die Weigerung aus Washington ein fataler Fehler - sechsmillionenfach bewiesen. Aber hat dies, wie der Vergleich suggeriert, tatsächlich eine Bedeutung für heutiges Handeln? Denn nüchtern betrachtet ist die Welt von 1944 weit entfernt von der Welt des 21. Jahrhunderts, in der Israel sich als eine Art nahöstliche Supermacht präsentiert, hochgerüstet bis hin zu halb-heimlichen Atomwaffen.
Aber natürlich hat es in Israel eine andere Tiefe und eine andere Wirkung. Hier lebt Hitler seit Jahrzehnten in verschiedenen Inkarnationen fort: Für Netanjahu ist es Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad, für Menachem Begin war es einst Palästinenser-Führer Jassir Arafat, und vor dem Sechstagekrieg spielte Ägyptens Staatschef Gamal Abdel Nasser diese Rolle.
Gegenmeinungen - bei Peter Münch “Widerstand” - kommen vom Schriftsteller Amos Oz, Haaretz-Journalist Gideon Levy, Oppositionsführerin Tzipi Livni und Avram Burg, wohl nicht ganz zufällig allesamt aus dem linken politischen Lager.
Peter Münch verzichtet großzügig auf die sachliche Gegenüberstellung der verschiedenen Ansichten, die noch durch den Lock-Satz auf der Startseite “Zwei Seiten eines Konflikts” vorgegaukelt wird. Münch schlägt sich vielmehr selbst auf eine der beiden Streitparteien - seiner politischen Orientierung folgend, auf die der politischen Linken. Dementsprechend beschränkt Münch auch darauf, die Ansichten der Regierungsmeinung als vollkommen lächerlich darzustellen, während er als Beleg für seinen Standpunkt Personen zitiert, die - so stellt er sie dar - über jeden Zweifel erhaben sind und deshalb vermeintlich “objektiv” die Regierungsansicht widerlegen sollen. Doch tatsächlich sind das nichts anderes als Gegenmeinungen.
Münch präsentiert eine pure Meinung als objektive Tatsachen, macht das aber nicht kenntlich. Vergleichbar ist das mit einer der Lieblingsbehauptungen der Links- und auch Rechtsextremen in Deutschland, die nicht müde werden, den Jugoslawienkrieg - auch diesen greift Münch auf - als völkerrechtswidrig und die Beteiligung Deutschlands daran als Kriegsverbrechen darzustellen. Diese Meinung dürfen die Extremisten wiederholen, so oft sie wollen, eine objektive Tatsache wird daraus aber auch nach der x-ten Wiederholung nicht.
Ob ein Land einen Krieg führen soll oder nicht, ob die Bedrohung, der es ausgesetzt ist, groß genug ist für einen Präventivschlag, oder nicht, das ist regelmäßig nirgendwo mehr umstritten als in dem Land selbst. So nah Israels Regierung an einem Militärschlag gegen den Iran sein mag, so viele Gegenstimmen gibt es in der Opposition. Das ist normal und legitim in einer Demokratie und es ist auch Aufgabe der Opposition, die Arbeit der Regierung zu beobachten und gegebenenfalls Kritik zu üben. Gerade und erst recht, wenn ein Militäreinsatz bevorsteht. Die Entscheidung für eine der Varianten ist das Produkt eines demokratischen Prozesses. Und so ist es in Ordnung, wenn die Opposition die Regierung angreift und vielleicht auch lächerlich zu machen versucht. Wenn man weiß, dass das nichts weiter ist als einer von mehreren Standpunkten, dann weiß man auch mit solchen Äußerungen umzugehen.
Doch was die politische Opposition darf und auch soll, ist jedenfalls nicht Sache von Reportern, schon gar nicht von solchen, die Bericht erstatten und Informationen als Auslandskorrespondent liefern sollen. Als solcher scheint sich Peter Münch in Tel Aviv aber keineswegs zu sehen. Er scheint vielmehr den Job des Propagandisten dort eingenommen zu haben. Kontinuierlich verzichtet er auf objektive Berichterstattung zugunsten einseitiger politischer Standpunkte. Zum Leidwesen der Leser, die Information erwarten und Propaganda vorgesetzt bekommen - und zur Freude all derer, die die einseitige Darstellung als willkommene Grundlage für ihren Judenhass dient, seien es nun Rechtsextremisten, Linksextremisten oder auch die so wunderbare “Mitte der Gesellschaft”.

Quelle: http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/antisemitismus/stuermer/
Und als ob das nicht wirklich schon genug wäre, entblößt Peter Münch, Israelkorrespondent der Süddeutschen Zeitung in Tel Aviv, mit seiner Schmähschrift über das Purim-Fest einen gerade hierzulande lange eingeübten Judenhass. Das Purim-Fest, ein Fest, bei dem es lustig zugeht und bei dem sich die Juden freuen und es feiern, dass es nicht gelungen war, sie zu vernichten, dieses Fest erregt naturgemäß Abscheu bei den Judenhassern. Es ist bemerkenswert, dass Peter Münch seine Leser nicht lediglich auf das bunte Treiben des Purim-Festes hinweist. Auf den jüdischen Fasching, wie es auch genannt wird. Nein, Peter Münch weist in alter, von ihm und ewig Gestrigen aufrecht erhaltener deutscher Tradition auf das “Gemetzel an den Feinden” hin und auf die in seinen Augen bestehende Absurdität, dieses Gemetzel (ja, und auch die Errettung) ausgelassen feiern zu müssen. Mit seiner Äußerung über diese vermeintliche Absurdität aber reiht sich Peter Münch ein in die Worte des Stürmers, der Hetzschrift der Nationalsozialisten, in dem 1934 zu lesen war: [2]
Alljährlich im März feiern die Juden ein seltsames Fest. Es sind die Tage des Purim. Die Juden feiern es auf ebenso seltsame Art. Sie sind nicht harmlos fröhlich dabei und vergnügt, wie dies bei den Nichtjuden Brauch ist. Sie widmen das Fest nicht der Menschenliebe, wie etwa wir unser Weihnachtsfest. Oder der Auferstehung und dem Erwachen aus dem Schlaf des Todes, wie unser Osterfest. Das Fest der Juden hat den gegenteiligen Sinn. Es ist dem Haß und dem Mord gewidmet. Und dem Fressen und dem Saufen und dem Huren. Wahrlich, seltsam verhalten sich die Juden, besonders die orthodoxen, dabei.
Wie heute manch einer, so fürchtete schon 1934 der Stürmer, dass die Juden sich möglicherweise auch jetzt nicht meucheln lassen wollen:
Und wir wissen, der eine große Purimmord, nach dem das ganze Weltjudentum lechzt, ist der Mord an dem Führer und an seinen Kampfgenossen. Vor zwei Jahren brachte der “Zionist Record” (eine afrikanische Judenzeitung) einen Artikel “Haman - Hitler”. Die Juden drückten darin die Zuversicht und den Wunsch aus, daß es Hitler einmal wie Haman ergehen möge. Die Juden werden sich täuschen.
Sechs Millionen ermordete Juden waren die Folge. Und heute meint ein Peter Münch, mit Phrasen wie
Das ist mehr als nur Rhetorik, das drängt zum (militärischen) Handeln. Der israelische Historiker Tom Segev hat gezeigt, wie im Sechstagekrieg von 1967 der Präventivschlag gegen Ägypten nach all den Drohungen Nassers von der Angst Israels vor einem zweiten Holocaust getrieben war. Nach dem schnellen Sieg schrieb damals das Massenblatt Jedioth Achronoth: “Zu unserer Freude und zur Trauer der arabischen Nachbarn wurde der Staat Israel nicht ausgelöscht, und seine Einwohner wurden nicht abgeschlachtet und in die Gaskammern und Öfen geschickt.” Israels damaliger Außenminister Abba Eban trat vor die Vereinten Nationen und sagte: “Hätte Israel den Krieg verloren, wären zwei Millionen Leichen zu den sechs Millionen Holocaust-Opfern dazugekommen.”
eine überzogene Hysterie unter den Juden ausmachen zu müssen und mit
Doch für Netanjahu ist ja auch nur die “existenzielle Bedrohung” durch die Nazis und durch die Atom-Iraner vergleichbar. Die Antwort darauf aber hat eine entschieden andere zu sein. Es ist das Mantra vom “Nie wieder” - verbunden mit dem Anspruch des Anführers, als Retter und vielleicht auch Rächer eine neue Katastrophe abzuwenden.
die Israelische Regierung als Buhmann hinstellen zu müssen.
Es gibt alte Traditionen, die sollen und dürfen gepflegt werden, wie das Purim-Fest. Und es gibt alte Traditionen, die sollten endlich einmal ein Ende haben. Herr Münch.
Jaspis
[1] http://www.sueddeutsche.de/politik/israel-droht-iran-mit-praeventivangriff-israels-offene-wunde-1.1305460
[2] http://www.humanist.de/kriminalmuseum/st-t3411.htm