Wir begleiten Heribert Prantl. Zu Günther Jauch.
31. Januar 2012 von moritatensaenger
In illustrer Runde nahmen dort zwei Seiten des politischen Spektrums, Heribert Prantl (SZ) und Dietmar Bartsch (Die Linke), links von Günther Jauch sitzend, sowie Alexander Dobrindt (CSU), Vera Lengsfeld (CDU) und Peter Frisch (ex-Verfassungsschutzpräsident), rechts sitzend, zu der Frage Stellung:
“Links vor rechts - Jagt der Verfassungsschutz die Falschen?”
Um ganz ehrlich zu sein, ich habe mir die Sendung in der Mediathek des Ersten angesehen [1] und bin nach vielleicht einem Drittel ausgestiegen. Wer die Sendung ebenfalls gesehen hat, kann vielleicht nachvollziehen, warum. Immerhin aber hat die Zeit gereicht, um in den Genuß zweier Wortmeldungen unseres Heribert Prantl zu kommen. Und die möchte ich Ihnen, liebe Leser, im vollen Wortlaut zitieren. Und ich habe mir erlaubt, Prantls Statements (kursiv gesetzt) mit Anmerkungen zu unterbrechen. Aber lesen Sie selbst:
Jauch:
“Herr Prantl, der Verfassungsschutz, der darf ja Abgeordnete beobachten, ohne dass da der Bundestag z.B. zustimmen muss. Diese Praxis ist also rechtens., ist sie auch richtig?”
Prantl:
“Ich glaube auch nicht, dass sie rechtens ist. …
Natürlich weiß Herr Prantl was ein Gesetz ist. Allerdings möchte er es gern selbst sein, der bestimmt, welches Gesetz Gültigkeit hat und welches nicht. Wir kennen das auch von den Chaoten der Straße, den sog. Autonomen, die zwar mit Stein und Molotow geltendes Recht brechen, aber andererseits kein Problem damit haben, sich gleichzeitig unter den schützenden Schirm von Gesetzen zu ducken. Eines der Gesetze, die Prantl gern ignorieren möchte, ist das Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG), wo es in §3 heißt:
“(1) Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder ist die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sach- und personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen, über
1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben,” http://www.gesetze-im-internet.de/bverfschg/BJNR029700990.html
Und natürlich ignoriert er auch die Geschäftsordnung, die sich der Deutsche Bundestag - immerhin mit Bezug auf das Grundgesetz - selbst gegeben hat…
“Art 40
(1) Der Bundestag wählt seinen Präsidenten, dessen Stellvertreter und die Schriftführer. Er gibt sich eine Geschäftsordnung.” http://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_40.html
…und in deren Anlage 6 (Beschluß des Deutschen Bundestages betr. Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Bundestages) es heißt:
“1. Der Deutsche Bundestag genehmigt bis zum Ablauf dieser Wahlperiode die Durchführung von Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder des Bundestages wegen Straftaten, es sei denn, dass es sich um Beleidigungen (§§185, 186, 187a Abs. 1, § 188 Abs. 1 StGB) politischen Charakters handelt.
Vor Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ist dem Präsidenten des Deutschen Bundestages und, soweit nicht Gründe der Wahrheitsfindung entgegenstehen, dem betroffenen Mitglied des Bundestages Mitteilung zu machen; unterbleibt eine Mitteilung an das Mitglied des Bundestages, so ist der Präsident auch hiervon unter Angabe der Gründe zu unterrichten. Das Recht des Deutschen Bundestages, die Aussetzung des Verfahrens zu verlangen (Artikel 46 Abs. 4 GG), bleibt unberührt.” http://www.bundestag.de/dokumente/rechtsgrundlagen/go_btg/anlage6.html
Woraus hervorgeht, dass selbst Ermittlungsverfahren, die durch Strafverfolgungsbehörden gegen Abgeordnete des Deutschen Bundestages eingeleitet werden, keiner Zustimmung des Bundestages bedürfen (Einschränkungen siehe Anlage 6)
… Das Verfassungsgericht glaube ich wird in Bälde einen anderen Spruch fällen. …
…und natürlich wird auch dieses Urteil nur Gnade unter den Augen des Meisters finden, wenn es in seinem Sinn ausfällt. Nachzulesen z.B. in einem Kommentar Prantls vom 2.12.2011, in dem er das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, mit dem es 1956 die KPD verbot, als “Dummheit” bezeichnet…
“Dass der Verbotsartikel in den fünfziger Jahren missbraucht wurde, macht ihn nicht zum untauglichen Instrument. Es zeigt sich am Beispiel des Parteiverbots nur das Widerspruchsvolle das oft in Erfahrungen steckt: Sie vergrößern zwar die Weisheit, verringern aber die Dummheit nicht. Der Umgang mit dem Parteiverbot in den fünfziger Jahren war eine solche Dummheit. Es wäre aber eine weitere, furchtbare Dummheit, wegen der Dummheit von 1956 ff. die Erfahrungen von 1949 zu vergessen.” http://www.sueddeutsche.de/politik/neonazis-und-rechtsextreme-npd-verbot-als-opferschutz-1.1223552-3
…er aber im selben Atemzug ein Verbot der NPD befürwortet. Natürlich nur und selbstverständlich, weil das ganz was anderes ist:
“Soll man jetzt die NPD schonen, weil man seinerzeit gegen die KPD so heftig zugelangt hat? Die Fälle liegen völlig anders. Zwar sind NPD wie KPD Gegner des demokratischen Systems. Bei der NPD jedoch kommt eine besondere Gefährlichkeit hinzu: Sie unterstützt Gewalt.”
Aber auch das ist Unsinn, denn selbstverständlich unterstützte auch die KPD Gewalt. Man kann (und auch Prantl hätte können) das sehr gut aus der Historie des Verfahrens entnehmen:
http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv005085.html
…Und für mich ist ohnehin das Verfassungsgericht der eigentliche Verfassungsschutz. …
Also Judikative (Bundesverfassungsgericht) und Exekutive (Verfassungsschutz) unter Aufhebung der Gewaltenteilung auf einen Haufen geschmissen. Für Prantl kein Problem.
… Verfassungsschutz ist ein Name, der einfach nicht stimmt. Der Verfassungsschutz schützt nicht die Verfassung. Der Verfassungsschutz ist ein Inlandsgeheimdienst, der bespitzelt. …
Bespitzelung. Prantls neues Lieblingswort, gleich viermal in seinen Redebeitrag eingeflochten, um auch den populismusresistentesten Zuhörer in die richtige, in Prantls Richtung zu manövrieren.
… Und ich will in einer Demokratie keine Bespitzelung haben. Demokratie lebt von offener Auseinandersetzung. Das ist für mich das erste und das sollte eigentlich konsensfähig sein. *Applaus* Bespitzelung darf nur in extremen Ausnahmefällen passieren. Und ich frage mich überhaupt, wenn, in Ausnahmefällen, bespitzelt wird, dann dürfen doch nicht Abgeordnete zu diesen Ausnahmefällen zählen. …
Wir erinnern uns ganz kurz an den Fall Karl-Theodor zu Guttenberg, der zu dem Zeitpunkt, als er u.a. von der Süddeutschen “bespitzelt” wurde, Bundestagsabgeordneter und Minister war. Ohne dass die SZ und ihre redaktionellen Schatzjäger ob des eigenen Tuns (und der Vorgehensweisen anderer) deshalb moralische oder verfassungsrechtliche Bedenken geäußert hätten. Ein erstaunlicher Sinneswandel.
… Das Parlament ist das Herz der Demokratie. Das Parlament, der Parlamentarier, ist der Souverän. Es kann doch nicht sein, dass eine Verwaltungsbehörde, eine exekutive Behörde, den Souverän der Demokratie kontrolliert. …
Spätestens hier fragt man sich ernsthaft, ob der Mann noch ganz dicht ist. Und spätestens da hätte auch Günther Jauch klärend zwischenfragen müssen, aber der hing an Prantls Lippen wie der Hund vor dem Edison Phonographen. His Masters Voice. Natürlich ist weder das Parlament noch der Parlamentarier der Souverän unserer Republik. Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus (Art. 20 GG), allein das Volk ist der Souverän! Das zu verwechseln ist für einen Ressortleiter Innenpolitik einer Tageszeitung, selbst wenn es die Süddeutsche ist, schon ein gewaltiger Griff ins Klo.
… Es kann doch nicht sein, dass im Bundestag für die Abgeordneten, Herr Dobrindt, dass Immunität und Indemnität gilt, dass für die kleinste Straftat die Immunität aufgehoben werden muss , dass ein Gremium zusammentreten muss und sagt, hier darf ermittelt werden, dass aber der Verfassungsschutz, der Inlandsgeheimdienst, ohne jede Genehmigung eines parlamentarischen Gremiums, observieren und beobachten darf. Das passt nicht zusammen. …
Doch. Tut es. Ich habe das zu Anfang schon aufgezeigt und will hier noch ein anderes Argument anfügen, das aus der Beantwortung einer kleinen Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau, Kersten Naumann sowie weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE hervorgeht. Im Dezember 2006 schrieb die Bundesregierung (Thema war, wie heute, die Beobachtung durch den Verfassungsschutz):
“Das BVerfSchG sieht in Bezug auf den gesetzlichen Auftrag des BfV keine privilegierende Sonderbehandlung von Mitgliedern parlamentarischer Körperschaften vor. Insoweit sind die gesetz- lichen Vorschriften ohne Ansehen der Person anzuwenden.” (Fett: Moritatensaenger) http://www.petrapau.de/16_bundestag/dok/down/1603964.pdf
… Hier muss eingegriffen werden. Ich will jetzt gar nicht die Grundsatzfrage stellen, ob ein Verfassungsschutz überhaupt in eine Demokratie passt, aber passt auf jeden Fall nicht in diese Art und Weise in die Demokratie, dass er nach eigenem Gutdünken im Parlament observiert. Das ist eine Anmaßung, es ist rechtsstaatlich unmöglich.”
Etwas später.
Jauch:
Darf eine Partei auch ein Antidemokratisches System unter Umständen durchsetzen wollen, solange das [...] demokratisch und mit gewaltfreien Mitteln passiert?
Prantl:
Sie darf es wollen. Natürlich darf sie es wollen. …
Tatsächlich? Für Prantl ja, zumindest dann, wenn die besagte Partei ausreichend weit links steht. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Das Grundgesetz sagt eindeutig:
“Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig. Über die Frage der Verfassungswidrigkeit entscheidet das Bundesverfassungsgericht.” (Art. 21 Abs. 2 GG)
Und das Bundesverfassungsgericht sagt ergänzend:
“Art. 21 Abs. 2 GG verlangt nicht wie § 81 StGB ein konkretes Unternehmen; es genügt, wenn der politische Kurs der Partei durch eine Absicht bestimmt ist, die grundsätzlich und dauernd tendenziell auf die Bekämpfung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtet ist.” (Fett: Moritatensaenger) http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv005085.html
… Aber die Frage ist dann, wie der demokratische Staat reagiert. Jeder Demokrat darf den Kapitalismus abschaffen wollen. …
Und hier beginnt Prantl wieder die populistische Leier zu zupfen. Aufhänger jetzt nicht mehr das “Bespitzeln”, sondern der “Kapitalismus”. Ein linker Kampfbegriff, der in der bisherigen Fernsehdiskussion gar nicht zur Debatte stand. Prantl zieht ihn aus der Versenkung, um vom eigentlichen Thema abzulenken und, das lässt einen aufhorchen, um den Linksextremismus der Partei Die Linke und ihrer Agitatoren zu relativieren:
… Der Kapitalismus ist, anders als es hier suggeriert wird, natürlich nicht vom Grundgesetz geschützt. Wenn Sie jeden beobachten wollen, der den Kapitalismus abschaffen will, müssen sie auch den Papst beobachten. Es gibt vielleicht noch einen schärferen Kapitalismuskritiker als Herrn Bartsch, das war Papst Johannes Paul II., er hat den Kapitalismus wirklich gegeißelt. Und ich glaube nicht, dass ein kalter Kapitalismus auf dem Boden des Grundgesetzes steht. Und der demokratische Sozialismus, wenn ich noch sagen darf, steht auch in der Programmatik der SPD, dann müsste man auch die SPD beobachten. Natürlich kann ich das Grundgesetz ändern wollen, das Grundgesetz ist einige Male geändert worden, Herr Schäuble, Herr Friedrich wollen das Grundgesetz heute noch ändern, um die Bundeswehr im Inneren einzusetzen. Natürlich darf ich das Grundgesetz ändern wollen. …
“Natürlich kann ich das Grundgesetz ändern wollen” und “das Grundgesetz ist einige Male geändert worden, Herr Schäuble, Herr Friedrich wollen das Grundgesetz heute noch ändern” sind nun typische Prantl’sche Nebelkerzen. Und der Versuch einer - Prantl ist das von der SZ her gewohnt - massiven Zuschauerverblödung. Denn natürlich sind genau die Teile des Grundgesetzes, die aus unserem Staat einen anderen machen würden, eben nicht änderbar. Wer beispielsweise die Änderung des Art. 104a Abs. 1 GG…
“(1) Der Bund und die Länder tragen gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt.”
… in seinem Parteiprogramm führt, verstößt nicht gegen die Verfassung. Wer dagegen Art. 20 Abs. 1 u. 2 GG…
“(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.”
außer Kraft setzen will und dies als Ziel seiner Partei formuliert, macht sich zum Verfassungsfeind. Entscheidend dafür ist die sog. Ewigkeitsklausel im Art. 79 GG, wo es unter Abs. 3 heißt:
“(3) Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.” http://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_79.html
… Wenn jeder, der das Grundgesetz ändern will, ein Verfassungsfeind wär, dann wären wir von Verfassungsfeinden umgeben. Ich denke wir sollten wirklich die Kirche im Dorf lassen , die Diskussion über die Linke geht über den demokratischen Grundanstand, in der Art und Weise wie sie geführt wird, hinaus. Natürlich muss man sich exzessiv auseinandersetzen, aber nicht mit den Mitteln der geheimdienstlichen Beobachtung. Schon gar nicht im Bundestag.”
“Demokratischer Grundanstand”. Ein hübsches Wort aus dem Munde Heribert Prantls. Allerdings keines, mit dem er sich selbst schmücken darf. Das gilt auch für die Abwandlung “juristischer Grundverstand”.
Mit tönendem Gruß
Peter Zangerl, alias Moritatensanger
1 Reaktion zu “Wir begleiten Heribert Prantl. Zu Günther Jauch.”
Leider erkennt der Autor den Unterschied nicht zwischen dem Aufdecken von Betrügereien durch Zeitungen und anständige Bürger und dem Bespitzeln von ebendiesen Bürgern durch den Staat.
Selbstverständlich sind und waren die Presse und die Internetuser berechtigt, unseren lieben Freiherren etwas genauer zu überprüfen. Dies gehört zu den Grundrechten. Nicht zu den Grundrechten gehört es dagegen, eine Dissertation zu fälschen und zugleich den ehrenwerten Edelmann zu spielen.
Eine ganz andere Qualität hat dagegen die Beschattung durch den Staat. Der Staat verfügt über viel wirkungsvollere Mittel der Überwachung als jeder beliebige Bürger. Auch ist es vollkommen unklar, was mit den Überwachungsergebnissen geschieht. Wenn nun eine Behörde nach eigenem Gutdünken entscheiden kann, wer Verfassungsfeind ist und wer nicht, so entstehen hier autonome Strukturen, die sicherlich gefährlicher sind als die Strukturen der Autonomen.