Ich sage es ganz offen: Nicht selten sitze ich vor Prantls Elaboraten und habe Probleme, mich in die Hirnwindungen, die diese Texte hervorgebracht hat, einzufinden. Heute geht es mir so mit seinem Kommentar zum diesjährigen Unwort des Jahres: “Döner-Morde”.[1]
Sicher, gerade tiefsinnig diese Bezeichnung nicht. Gideon Böss[2] hat es aber recht gut zusammengefasst: Neben dem Hype über eine Vokabel, über die sich anscheinend immer noch jeder aufregen muss, ist die Aufregung über diese unsäglichen Morde an sich schon längst wieder abgeflaut. Mit ermordeten Menschen haben die ständig Zwangs-Empörten anscheinend weniger Probleme als mit der Kosmetik Bezeichnung.
Wie kann man nur! Es ist zwar üblich, solchen Verbrechen plakative Namen zu verpassen, aber das ignorierte man in diesem Fall einfach. Stattdessen wurde sofort durchschaut, dass der Name Dönermorde nur deswegen verwendet wurde, um einen Graben zwischen Deutschen und Ausländern/Türken (den Dönern) zu ziehen. Dass Döner längst eine urdeutsche Speise ist und dementsprechend für subtile Ausgrenzungsversuche denkbar ungeeignet, übersahen die Sprachkritiker dabei. Dafür klärten sie auf, dass Dönermord so klingt, als ob Döner und keine Menschen ermordet wurden. Offenbar sah man die Gefahr, dass das tatsächlich jemand falsch verstehen könnte (übrigens hat der Rhein-Ruhr-Ripper auch weder den Rhein noch die Ruhr ermordet).
Es gibt nicht viel, was diese Mordserie betrifft und dennoch zu vernachlässigen ist. Eigentlich ist es nur genau eine Sache, nämlich das Wort, mit dem sie bezeichnet wurde. Es ist absurd, mit was für eine Energie sich an einem solchen Begriff abgearbeitet wurde, während gleichzeitig die Frage im Raum steht, wie es möglich sein kann, dass drei Personen aus der Naziszene über Jahre hinweg durch das Land reisen und Menschen ermorden konnten.
Auch ein SZ-Leser bringt es auf den Punkt:
… und wohl keiner, weder ein Herr Prantl, noch die Gesellschaft für Deutsche Sprache, die das Unwort jährlich kürt, noch - und darauf kommt es wohl eigentlich an - Betreiber von Händlbratereien hätten darin eine Diskriminierung gefunden.
Doch so absurd kann diese Diskussion gar nicht sein, dass Prantl nicht dennoch versuchen würde, diese Absurdität noch zu übertrumpfen:
Um Rechtsextremismus zu bekämpfen, braucht man also nicht nur neue Dateien und neue Zugriffsmöglichkeiten auf die Neonazis, sondern zuvorderst ein neues Denken - eines das anerkennt, dass der Islam und die Muslime zu Deutschland gehören.
Heribert Prantl scheint, wie viele seiner Gesinnungsgenossen von dem Glauben beseelt zu sein, dass Friede, Freude und Eierkuchen in Deutschland einkehren werden, wenn nur der Islam nach Kräften gelobt und gefördert werde, in welcher Ausschattierung oder Auslegung auch immer. (So gerade erst geschrieben in “Der Letzte macht das Licht aus”[3]) Kein Anlass ist ihm zu abwegig, um diese These nicht doch noch anzubringen.
Insbesondere der Mord an dem Griechen aus der Neonazi-Mordserie (so heißt die Mordserie jetzt, die aber immer noch unter der alten URL auf Wikipedia zu finden ist[4]) zeigt, wie “schlüssig” diese Annahme ist.
Wörter sind Bewusstseins-Indikatoren. Das Döner-Wort war und ist ein Ausdruck für gestörtes Bewusstsein. Die Störung verschwindet nicht einfach dann, wenn ein einzelnes Wort zum Unwort erklärt wird. Ein Bewusstsein, das davon ausgeht, dass “die nicht zu uns gehören” zeigt sich auch in Besteller-Büchern wie dem von Thilo Sarrazin.
sprach Heribert Prantl. Und auf derselben Startseite von Süddeutsche.de prangt dieser Titel
Ich mag mir gar nicht vorstellen, was sich daraus noch alles konstruieren lässt.
Jaspis
[1] http://www.sueddeutsche.de/kultur/sprache-unwort-untat-ungeist-1.1260448
[2] http://boess.welt.de/2012/01/11/aufstand-der-anstandigen-gegen-eine-vokabel/
[3] http://www.suedwatch.de/blog/?p=7806
[4] http://de.wikipedia.org/wiki/Döner-Mordserie
1 Reaktion zu “Un-fug”
Über das “Unwort des Jahres” - speziell in diesem Jahr und überhaupt - kann man sicher lange streiten. Ärgerlich ist aber, wenn diese “Wahl” gewissermaßen mit dem Hinweis geadelt wird, die “Gesellschaft für deutsche Sprache” sei dafür verantwortlich. Sie war in den Anfangstagen mal beteiligt, seit 1994 aber ist eine kleine Gruppe offenkundig linksgestrickter Privatpersonen institutionell unabhängig. Siehe homepage der Gruppe:
http://www.unwortdesjahres.net/index.php?id=7