Von Katharina, Lothar, Frank und einer “drastischen Maßnahme”
14. Januar 2012 von Jaspis
Sicher, “Loddar” Matthäus ist nicht Katharina Blum und seine Ehre hat er durch diesen NonSZens-Artikel nicht wirklich verloren. Dennoch kam mir die Geschichte in den Sinn: Da wird eine Räuberpistole gesponnen und einer zum Betrüger gestempelt, nur um einen Artikel, der eigentlich gar keiner ist, zur reißerischen Story aufzurüschen.[1]
Ein Insolvenzverwalter will Lothar Matthäus eine Klage zustellen. Weil der in Deutschland keine zustellungsfähige Anschrift hat, was bei international tätigen Sportlern keine Seltenheit ist, und anscheinend auch keine im Ausland ermittelt werden konnte und auch die Zustellung per Gerichtsvollzieher scheiterte, erfolgte nun die öffentliche Zustellung. Das war es. Mehr gibt es gar nicht zu sagen.
Es ist eine völlig trockene Angelegenheit: Ein Insolvenzverwalter will Lothar Matthäus eine Klage zustellen. Der Insolvenzverwalter macht das, weil die Firma, die meint, Ansprüche zu haben gegen Lothar Matthäus - nicht etwa er selbst - insolvent ist. Läuft ein Insolvenzverfahren, dann handelt die insolvente Firma nicht mehr selbst, sondern nur noch der Insolvenzverwalter.
Hat der Klagegegner einen Wohnsitz in Deutschland, dann wird ihm die Klage von Amts wegen per Postzustellungsurkunde an seinem Wohnsitz zugestellt. Klappt das nicht, weil keine ladungsfähige Anschrift zur Verfügung steht (das ist z.B. ein gemeldeter Wohnsitz), dann erfolgt unter bestimmten Voraussetzungen die öffentliche Zustellung. Das passiert, indem die Klage im Aushang des angerufenen Gerichts angebracht wird. Da bleibt sie dann mindestens einen Monat lang hängen, so dass der Beklagte theoretisch die Möglichkeit hat, von ihr Kenntnis zu nehmen. Weil auf diese Weise jemand rechtskräftig z.B. zu empfindlichen Geldzahlungen verpflichtet werden kann, ohne dass er überhaupt etwas davon mitbekommt, stellt das Gesetz in § 185 ZPO gewisse Voraussetzungen vor die öffentliche Zustellung, z.B.: Der Aufenthaltsort einer Person ist unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich oder eine Zustellung im Ausland ist nicht möglich bzw. verspricht keinen Erfolg.
Dass die Voraussetzungen vorliegen, muss der Kläger natürlich beweisen, also z.B. durch Einwohnermeldeamtsanfragen, durch erfolglose Zustellungsvermerke, durch entsprechende Belege aus dem Ausland. Auch Versuche, die Klage durch Gerichtsvollzieher zustellen zu lassen, gehören dazu. Dabei sollte man wissen, dass Gerichtsvollzieher nicht nur Forderungen gegen Zahlungsunwillige vollstrecken. Bisweilen stellen sie auch ganz einfach nur Schriftstücke zu. § 192 ZPO regelt das. Wie geschickt sich der Klägervertreter in diesem Fall angestellt hat, wenn er etwa versucht, in Israel zuzustellen, wo Matthäus nur bis 2009 als Trainer tätig war, oder zwar Gerichtsvollzieher und Detektive in die Allianz-Arena schickt, aber es verabsäumt, Matthäus’ Berater Wim Vogel zu kontaktieren, der offenbar dessen Anschrift kennt, vermag ich an dieser Stelle nicht zu beurteilen. Letztendlich scheint es ihm aber jedenfalls gelungen zu sein, das Gericht davon zu überzeugen, dass die Voraussetzungen des § 185 ZPO gegeben sind, so dass es zu dem Aushang kam, hier offenbar die Terminsladung zur Verhandlung im Mai. Den scheint nun irgendwer gesehen und sich über den prominenten Namen gewundert zu haben. Und schon landet der “Fall” in der Regenbogenpresse, also auch in Süddeutsche.de
Weil aber “tob/wib” von diesem eher ermüdenden verfahrensrechtlichen Prozedere ebenso wie von der Geschichte an sich (was sich durch die vielfach verwendete Vokabel “sollen” zeigt) ganz offensichtlich nicht den Hauch einer Ahnung haben und die Geschichte schließlich auch sonst nichts hergibt, man sie eigentlich auch ohne weiteres ignorieren könnte, wird - es handelt sich schließlich um einen irgendwie Prominenten - eine Räuberpistole gebastelt, in der Lothar Matthäus am Ende wie ein international gejagter Betrüger dasteht. Besonders originell fand sich der Schreiberling vermutlich mit der Wahl des Titels seines “Werkes”:
Catch me if you can
Das ist der Titel eines Filmes, der von Frank William Abagnale Junior handelt, einem Hochstapler und Betrüger, ständig auf der Flucht. Zu einem solchen wird auch Matthäus in diesem Pfusch an journalistischer Arbeit gemacht.
Überall und nirgendwo: Ein Insolvenzverwalter will Lothar Matthäus verklagen - doch der ist einfach nicht auffindbar. Sogar in Israel wurde der Ex-Fußballer gesucht, um ihm die Klageschrift zuzustellen. Ohne Erfolg. Jetzt griff das zuständige Gericht zu einer drastischen Maßnahme. [Hervorhebung: Jaspis]
Die “drastische Maßnahme” ist die oben beschriebene öffentliche Zustellung. Das ist aber keine “drastische Maßnahme”, sondern das ist ein so banaler Vorgang, dass er nur durch das Stapeln einer sonst zu nichts nützen Zeitung neben ein Plumpsklo
an Banalität zu überbieten ist.
Jaspis
[1] http://www.sueddeutsche.de/muenchen/lothar-matthaeus-verzweifelt-gesucht-catch-me-if-you-can-1.1257229