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Die SZ macht sich Sorgen um die Demokratie in Israel

8. Dezember 2011 von Gast

von Gastautor Kevin Zdiara



In der Minima Moralia schrieb Theodor W. Adorno über den Antisemitismus, dieser sei das Gerücht über die Juden. Ein Gerücht ist eine unverbürgte Nachricht, die sich, sobald sie in die Welt gesetzt wurde, verbreitet, ohne dass man später noch nachvollziehen kann, woher sie kam oder ob es sich überhaupt um eine wahre Behauptung handelte. Dies ist letztlich auch irrelevant, weil das Gerücht sich eine eigene Wirklichkeit schafft, die vollkommen immun gegen Kritik geworden ist.  Aus diesem Grund ist es absolut korrekt, wenn Tilman Tarach darauf hinweist, dass heute aus dem Gerücht über die Juden ein Gerücht über Israel geworden sei, denn Antisemiten und Israelkritiker teilen vor allem eins: die Abkehr von der Wirklichkeit. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel für diese Wirklichkeitsverweigerung gab in dieser Woche die Süddeutsche Zeitung in Person ihres Nahost-Korrespondenten Peter Münch ab.

Der Aufhänger war eine Rede der amerikanischen Außenministerin Hilary Clinton. Im Anschluss an ihren Vortrag beim Saban Forum in Washington sagte Clinton, dass sie gewisse Entwicklungen in Israel für bedenklich halte. Sie kritisierte zum einen die Änderungen des Amutot-Gesetzes von 1980 zur Finanzierung von NGOs, die aus amerikanischer Sicht zu weit gehen würden. Zum anderen fand sie äußerst scharfe Worte zu Versuchen einiger ultraorthodoxer Juden in Israel, Geschlechtertrennung im öffentlichen Raum durchzusetzen. Diese Situation verglich sie, laut der israelischen Zeitung Haaretz, mit der Bürgerrechtsbewegung in den USA und weiter meinte sie, dies würde eher zum Iran passen.

Nun ließe es sich mit Hilary Clinton sicherlich trefflich darüber streiten, ob sie sich nicht besser um andere Staaten Sorgen machen sollte, nicht zuletzt um jenen Iran oder den USA-Verbündeten Saudi-Arabien, wo die Diskriminierung von Frauen nicht auf Versuche beschränkt bleibt, sondern staatlich implementierte Politik ist, wo Frauen ausgepeitscht oder gelegentlich gesteinigt werden und man Homosexuelle gerne an Baukränen aufhängt. Aber auch vor der eigenen Tür zu kehren, ist manchmal gar nicht so falsch. Hilary Clinton könnte sich so zum Beispiel in ihrem ehemaligen Senatoren-Wahlkreis in New York umschauen. Erst Mitte Oktober wurde nämlich bekannt, dass in mehrheitlich ultraorthodox-jüdischen Stadtteilen in Brooklyn Busse unterwegs waren, in denen Geschlechtertrennung praktiziert wurde. Was machen die Vorkommnisse in Israel schlimmer als die in Brooklyn? Nichts. Sie sind beide inakzeptabel, aber weder in den USA noch in Israel sind sie Teil staatlicher Politik. Traurig ist es, dass man Clinton anscheinend solche Unterschiede erklären muss.

Dennoch ist Clinton eine Freundin Israels, daran besteht kein Zweifel. Ganz im Gegensatz zu den Überzeugungstätern bei der Süddeutschen Zeitung. Diese nahmen den Vortrag Clintons zum Anlass, um den jüdischen Staat als ein Land auf dem Weg in die Tyrannei zu brandmarken. Unter der reißerischen Schlagzeile „Antidemokratische Gesetze in Israel. Medien? Aktivisten? Staatsfeinde!“ griff die SZ ganz tief in die Gerüchtekiste. Das Niveau des Artikels ist dabei eigentlich so unterirdisch, dass man sich damit gar nicht länger beschäftigen mag. Doch um der lieben Wahrheit willen kann man ihr diese Lügenmär nicht einfach durchgehen lassen, man möchte schließlich nicht alle SZ-Leser an den anti-israelischen Wahn verloren geben.

Der Verfall Israels begann, so der Verfasser des Artikels Peter Münch, spätestens im letzten Jahr, als das sogenannte „Nakba-Gesetz“ verabschiedet wurde. Hierdurch seien „öffentliche Gedenkfeiern“, die an die Vertreibung der Araber – immerhin schreibt Münch nicht Palästinenser – erinnern, unter Strafe gestellt worden. Gleich darauf wurde, fabuliert Münch weiter, ein Gesetz erlassen, welches den „öffentlichen“ Aufruf zum Boykott israelischer Waren und Kultureinrichtungen verbiete.

Nun denkt die Mehrheit der Leser, wenn sie „öffentlich“ liest, dass es seitdem in Israel generell verboten sei, diese Dinge in der „Öffentlichkeit“ zu tun. Dem ist aber nicht so. In den Gesetzesänderungen wurde lediglich geregelt, dass sich staatliche oder hauptsächlich vom Staat finanzierte Einrichtungen nicht an diesen anti-israelischen Aktionen beteiligen dürfen. Warum das so ein Skandal sein soll, das weiß nur der Herr Münch und der israelische Journalist, den er wohlwollend mit den Worten zitiert, dass sei „Faschismus in seiner schlimmsten Form“. Nun würde man sich wohl auch in Deutschland wehren, wenn beispielsweise eine Schule in der Sächsischen Schweiz den 3. September 1939 feiern würde. Staatliche Institutionen oder Institutionen, die Geld vom Staat wollen, können nicht gleichzeitig gegen diesen Staat sein, das ist so einfach wie das Einmaleins. Nur bei Peter Münch ergibt zwei mal zwei fünf.

Das war natürlich nur das Vorspiel: die israelische Rechte geht aufs Ganze und will durch ein „Maulkorb-Gesetz“, wie Peter Münch es nennt, die Pressefreiheit massiv einschränken. Doch was kümmern so einen Münch schon die Fakten, wenn man frei assoziieren kann. Die Wirklichkeit spricht jedenfalls eine andere Sprache. So handelt es sich bei diesem Gesetz zunächst einmal um die Änderung eines bereits bestehenden Gesetzes, welches 1965 verabschiedet wurde und das den Straftatbestand der Verleumdung regelt. Das ist überhaupt nichts Ungewöhnliches, so wird in Deutschland Verleumdung ebenfalls durch ein Gesetz, genauer den §187 StGB, sanktioniert. In Israel soll durch die Änderung nun das Strafmaß auf 60.000 Euro erhöht und damit versechsfacht werden, wie sich Peter Münch echauffiert. Das deutsche StGB sieht für Verleumdung aber sogar eine Höchststrafe von bis zu 5 Jahren Haft vor! Warum das nun in Israel etwas ganz anderes sein soll, vor allem aber warum es sich um eine Einschränkung der Pressefreiheit handelt, das erklärt uns Peter Münch nicht.

Damit immer noch nicht genug. Es gibt ja außerdem das NGO-Gesetz, das die finanzielle Unterstützung durch ausländische Regierungen und Organisationen auf 4000 Euro begrenzen und diese Summe noch mit 45% Steuer belegen soll. Hierüber wurde auf der Achse bereits berichtet. Peter Münch behauptet zwar, dieses Gesetz – es handelt sich wiederum um eine Gesetzesänderung – sei antidemokratisch, er klärt uns aber mit keinem Wort darüber auf, wie und warum dies denn so sein soll. Als Argument reicht es ihm, dass vermeintliche Menschenrechtsorganisationen davon betroffen sein könnten. Dass diese Organisation eventuell gar nicht so unschuldig sind, wie es Herr Münch suggeriert, verschweigt er deshalb auch einfach.

Die, nach Peter Münchs Meinung, kryptofaschistische Regierung Israels geht noch einen Schritt weiter.  Nicht nur Medien und Menschenrechtsorganisationen nimmt sie mit ihrer „Stalinorgel“ (O-Ton Münch) unter Beschuss, auch die Institution des Obersten Gerichtshofs bleibt von Liebermann und seinen Schergen nicht verschont. Es sollen Besetzungsregeln geändert werden, erfährt man gewohnt ungenau, diese hätten zur Folge, dass die Möglichkeiten des Gerichtshofs, „die demokratischen Werte zu verteidigen“ eingeschränkt würden. Doch genauere Informationen über diese Änderungen bleibt Peter Münch schuldig. Es reicht ihm, dass er seine Meinung kundgetan hat.

Schauen wir uns die Änderungen aber einmal genauer an. Es handelt sich hierbei um mehrere Gesetzesinitiativen. Zunächst das so genannte „Grunis-Gesetz“, das die erforderliche Amtszeit eines Richters am Obersten Gerichtshof, bevor er zum Vorsitzenden des Gerichtshofs ernannt werden kann, verringern soll. 2007 wurde die Mindestamtszeit auf 3 Jahre festgelegt, diese soll nun auf 2 Jahre verkürzt werden. So sieht also eine Bedrohung für die Demokratie in Israel aus!

In einer weiteren Änderung, dem so genannten „Sohlberg-Gesetz“, geht es darum, dass die israelische Anwaltskammer zukünftig zwei Vertreter ihrer beiden Hauptfraktionen in die Auswahlkommission für die Richter des Obersten Gerichtshof entsenden soll. Bisher wurde das bereits so gehandhabt, es wird sich also nichts ändern, dieses Gewohnheitsrecht soll nun lediglich positiviert werden. Auch das ein echter Tiefschlag gegen die israelische Demokratie.

Eine weitere Änderung, die sich auf den Obersten Gerichtshof bezieht, zielt auf den Nominierungsprozess zukünftiger Richter. Im vorgeschlagenen Gesetz war vorgesehen, dass alle zukünftigen Richter sich einer öffentlichen Anhörung vor dem Rechts- und Verfassungsausschuss der Knesset stellen müssen. Bedenken hierzu gibt es, weil zukünftige Richter sich vor dem Ausschuss u.a. zu ihren politischen Einstellungen äußern müssen, was das eher apolitische Außenbild des Israelischen Obersten Gerichthof beschädigen könnte. Doch in den USA ist dieses Prozedere seit mehr als 80 Jahren gang und gäbe, ohne dass der amerikanische Oberste Gerichtshof an Autorität eingebüßt hätte. Nur in Israel soll das antidemokratisch sein. Da Israel aber eine Demokratie ist, die um ihr Image kämpft, wurde diese kontroverse Gesetzesinitiative vom israelischen Premierminister Netanyahu vorerst gestoppt.

Wie man sehen kann, basiert der Artikel von Peter Münch auf keinerlei konkreten Fakten. Der Süddeutsche-Korrespondent in Tel Aviv erweckt aber durch Verschweigen, Hörensagen und Halbwahrheiten den Eindruck, als er hätte irgendetwas Skandalöses aufgedeckt. Eins hat er durch sein Gerüchtegift aber sicherlich erreicht. Einmal mehr wird der jüdische Staat mit zweierlei Maß gemessen und, wie Münch meint, zu Recht als „Apartheidsstaat“ an den Pranger gestellt. Ruprecht Polenz, der Super-MdB aus Münster, postete jedenfalls den Artikel auch gleich eilfertig auf seiner Facebook-Seite und gab allen Kritikern von Peter Münch einen schlauen Spruch mit auf den Weg: „Wer berechtigte [sic!] Kritik zurückweist[,] schadet dem Kritisierten.“ Ja, toller Spruch, Herr Polenz, und wer unberechtigte Kritik an Israel nicht erkennt, macht sich mit Antisemiten gemein.

Siehe auch:
http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/stiftungen_im_aufruhr/
http://www.sueddeutsche.de/politik/anti-demokratische-gesetze-in-israel-medien-aktivisten-staatsfeinde-1.1227421



Veröffentlichung in suedwatch.de mit freundlicher Genehmigung des Autors; Quelle:

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/die_sz_macht_sich_sorgen_um_die_demokratie_in_israel/

Geschrieben in Antisemitismus, Demokratieversztändnis, Gastbeitrag, Halbwahrheiten, Israel/Nahost, Meinungsvorgabe, SZcheinheilig | 0 Kommentare

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