Was Christian Felix Weisse vor 230 Jahren in den “Gedichten für Kinder” veröffentlichte, scheint Süddeutsche Autor Thomas Avenarius
[6]
als Wahlspruch für seinen jüngsten Kommentar verinnerlicht zu haben:
[1]
Gegenstand seiner Wortmeldung ist ein Artikel auf SPIEGEL-Online. Die Journalisten des Magazins haben mittels eines Informanten Ermittlungs- ergebnisse ans Licht gebracht, nach denen der frühere libanesische Ministerpräsident Rafiq al-Hariri von der Hisbollah ermordet worden sein könnte, und nicht wie bisher angenommen von syrisch-libanesischen Kräften.
Bei Spiegel-Online liest sich das so:
(Hervorhebungen Moritatensaenger)
(Hervorhebungen Moritatensaenger)
Die Redaktion in Hamburg stellt hier -ganz eindeutig erkennbar- die Frage, warum diese Informationen von dem früheren kanadischen Staatsanwalt und jetzigen Prosecutor of Special Tribunal for Lebanon [3], Daniel A. Bellemare,
[4]
gerade jetzt zurückgehalten werden. Eine berechtigte Frage, für die es einige mögliche Antworten gibt.
Auffallend an Avenarius’ Kommentar aber ist -neben der Tatsache, dass es ihm gelingt, die Quelle der Information, seine Kollegen vom SPIEGEL nämlich, gänzlich auszuklammern und mit keinem Wort zu erwähnen-, dass er die Hintergründe, die sich angesichts der neuen Erkenntnisse offenbaren, wie einen fleißig getriebenen Kreisel so lange verwirbelt, bis der Leser plötzlich nur noch in die entgegen gesetzte Richtung blickt.
Bei Thomas Avenarius nämlich ist es nicht ungewöhnlich, dass diese Information jetzt, vor den Wahlen im Libanon, zurückgehalten wird, sondern er fragt, warum sie jetzt, vor den Wahlen, an die Öffentlichkeit gebracht wird:
(Hervorhebungen Moritatensaenger)
Und während die SPIEGEL-Journalisten einräumen, dass es bloße Spekulation wäre, im Augenblick Gründe für die Zurückhaltung der spektakulären Ermittlungsergebnisse anzuführen
“Über die Gründe, warum das Hariri-Tribunal die Erkenntnisse zurückhält, lässt sich nur spekulieren.”
hat Avenarius schon seine Lösung (und die Schuldigen) parat:
“Noch mehr Macht für die libanesischen Parteigänger Teherans im Libanon - das wollen weder die Amerikaner noch die Israelis noch die Europäer. Die Enthüllungen sind gezielt zu diesem Zeitpunkt lanciert worden.”
Das alles wirft ein interessantes Licht auf den Journalisten Avenarius, der seinerseits -davon kann man nun ausgehen- die Informationen zu den neuen Erkenntnissen, so sie ihm zugespielt worden wären, nicht veröffentlicht hätte. Der Journalist und Berichterstatter ist nach dieser seltsamen Ethik nicht mehr der Wahrheit und damit dem Pressekodex verpflichtet
“Ziffer 1 - Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse.” [5]
sondern er schwingt sich mit einiger Selbstherrlichkeit zum medialen Vorkoster auf, der nach eigenem Gutdünken bestimmt, was das Volk letztlich zu erfahren hat und was ihm verschwiegen werden muss.
Man darf also mit einiger Berechtigung Avenariussche Berichterstattung künftig nicht mehr grundsätzlich als wahrhaftige Unterrichtung auffassen, sondern als ein Informationsgewirble, das gleich einem Kreisel von dem persönlichen -politischen- Gschmäckle des Kollegen Avenarius in die „richtige” Richtung getrieben wurde. Getreu dem Motto: “Mein Kreisel hüpfet froh umher, wenn ich ihn fleißig treibe;…”
Mit tönendem Gruß
Ihr Moritatensaenger
[1] http://www.sueddeutsche.de/politik/86/469640/text/
[2] http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,626506,00.html
[3] http://www.un.org/News/Press/docs/2007/sga1109.doc.htm
[4] http://yalibnan.com/site/archives/2007/11/canadian_prosec.php
[5] http://www.presserat.info/pressekodex.html
Update:
Mittlerweile offenbart sich, dass nicht nur unser Mann in Nahost, Thomas Avenarius, der Meinung ist, die Veröffentlichung der Ermittlungsergebnisse sei lanciert [7] worden (womöglich vom SPIEGEL selbst [sic!!!], der dadurch seine Interessen [???] im Libanon wahren möchte), nein, auf einer Linie mit dem Korrespondenten der Süddeutschen liegt auch die Hisbollah:
“Hezbollah rejected the allegations and said the timing of the report was aimed at influencing Lebanon’s June 7 general election[...]
‘These are nothing but police-like fabrications made in the same dark room that for four years fabricated similar stories regarding the (involvement of) Syrians and the four officers,’ Hezbollah said in a statement in Beirut.
‘Publishing these accusations and attributing them to sources close to the international court dents the credibility of the tribunal and its work and requires firm and clear action toward the publishers of these evil fabrications,’ it added.” [8]
[7] „aus fr. lancer ‚schleudern, vorwärts stoßen’, dies aus spätlat. Lancaere ‚die Lanze schwingen’” Duden - Das große Fremdwörterbuch 3.Aufl.
[8] http://yalibnan.com/site/archives/2009/05/hezbollah_rejec.php
.
By the way….
…..wir hatten Thomas Avenarius hier im Blog schon mal im Blick, damals wegen eines mysteriösen Interviews mit einem der Gründerväter der Hisbollah:
http://www.suedwatch.de/blog/?p=628
Dazu, und in Anbetracht seines heutigen Kommentars, zwei Zitate, die zum Nachdenken anregen könnten:
“Nähe korrumpiert”, warnt Peter Zudeck seine Journalisten-Kollegen in “Ein Schmiergeld namens Nähe”, und
es sei entscheidend, “Nähe und Distanz zu den Kontrollierenden und den Kontrolleuren richtig zu dosieren. Wer zu weit weg ist, kann keine Neuigkeiten liefern. Wer zu nah dran ist, gerät in die Gefahr der Abhängigkeit.” meint Siegfried Weischenberg zum Korrespondenten-Dilemma in “Diener des Systems”