Die “Schießerei im Süden Israels”
18. August 2011 von Jaspis
Heute Mittag wurden mindestens drei Terroranschläge auf israelische Zivilisten verübt.
Sieben Menschen wurden dabei ermordet und mindestens 31 teils schwer verletzt.
Es hätte mich positiv überrascht, wenn die Süddeutsche wenigstens in diesem Fall von ihrer so verfestigten Linie der Verharmlosung von Terroranschlägen gegen Israel abgekehrt wäre.
Aber Fehlanzeige.
Um 13:02 Uhr brachte sueddeutsche die Meldung. Ein Terroranschlag mit mehreren Toten und Verletzten. Aber ein Hauptthema für die Startseite von sueddeutsche.de war das mitnichten. Da gab es Wichtigeres:
Hartmut Mehdorn soll Air Berlin retten.
Vermutlich rauchten zu diesem Zeitpunkt die Köpfe der Online-Redakteure, wie man diesen feigen Anschlag auf Zivilisten doch noch irgendwie verharmlosen könnte. Gegen 14 Uhr war es dann so weit. Aus den Terrorattacken, die Israel erschütterten, wurden “Terrorangriffe in Nahost”, also praktisch irgendwo im Nirgendwo und aus dem Terroranschlag wurde eine “Schießerei im Süden Israels” [1]
Die meisten Leser werden bei dieser Formulierung an einen Schusswechsel denken. Eine wechselseitige Angelegenheit, vielleicht zweier rivalisierender Gruppen oder etwas in dieser Art. Irgendein Scharmützel eben. Und nicht an einen einseitigen Terrorakt gegen Zivilisten, den erst das Militär beenden konnte.
Diese Meldung konnte sich halten, bis zweieinhalb Stunden später der Börseneinbruch wiederum das wichtigste Thema war. Regelrecht erleichtert wurde anscheinend der Schlag der israelischen Armee gegen “Ziele” im Süden Gazas aufgenommen, bei denen Peter Münch[2] in bewährter Manier unterschlagen weggelassen hat, dass es sich bei diesen “Zielen” um Stützpunkte von Terroristen handelte. Er war auch ohnehin viel zu beschäftigt, im über 100 km entfernten Tel Aviv über das mögliche “Ende des israelischen Sommers” zu weinen[3] als sich womöglich Gedanken über die Opfer des Terroranschlags zu machen. Eine Frau, die bei dem Anschlag verletzt wurde, schilderte ihre Erlebnisse.[4]
“I couldn’t move because I was afraid that the terrorist would see and shoot us again. There was blood on the floor, and I heard my husband gasping. I saw that his shirt was soaked in blood. I was afraid to call to him,” she said.
“I prayed quietly that they would stop shooting at us,” the woman recalled. “The radio was on… The songs continued to play while we heard a fire exchange between the IDF and the terrorists. It was close to us.”
Kein Funken der übergroßen SZ-Empathie ist mehr vorhanden, wenn Terroropfer Israelis sind.
Endlich also konnte die Meldung den Platz auf der Startseite von suedeutsche.de einnehmen, die man dort haben will und die arme, gebeutelte Redaktion muss sich und ihre Leser nicht mit den Opfern der Terroranschläge belästigen. Die waren nämlich am Abend auch schon wieder von der Startseite verschwunden.
Noch nicht einmal ein Einzeiler weist mehr auf den Artikel über die Terroranschläge selbst hin. Nicht dass das inhaltlich ein großer Verlust wäre. Die Täter seien unbekannt, der Hintergrund “unklar”, Nachforschungen anscheinend irrelevant. Viel wichtiger war da die Schlussbemerkung
Es ist der zweite Terroranschlag in Israel in diesem Jahr. Am 23. März waren bei dem ersten schweren Anschlag in Jerusalem seit etwa zwei Jahren eine Frau getötet und dutzende Menschen verletzt worden.
Der zweite Terroranschlag? Natürlich. Wenn man den ständigen Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen als Dummejungenstreiche abtun möchte und Terroristen unter “Kämpfer” führt, [5] [6] vielleicht. Und wenn man Terrorakte wie etwa den auf den Schulbus im April ganz einfach unter den Tisch fallen lässt. [7]
Das alles wollen treue SZ-Leser aber anscheinend auch ohnehin nicht erfahren. Sie wissen ja nun wenigstens, dass Hartmut Mehdorn Air Berlin retten soll. Wen interessieren da noch ermordete Juden?
Jaspis
[1] http://www.sueddeutsche.de/politik/fuenf-verletzte-bei-anschlag-in-israel-unbekannte-eroeffnen-feuer-auf-bus-1.1132374
[2] http://www.sueddeutsche.de/politik/sieben-tote-verletzte-terrorserie-erschuettert-israel-1.1132551
[3] http://www.sueddeutsche.de/politik/terror-in-nahost-ende-des-israelischen-sommers-1.1132572
[4] http://www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-4110912,00.html
[5] http://www.suedwatch.de/blog/?p=5111
[6] http://www.suedwatch.de/blog/?p=6604
[7] http://www.suedwatch.de/blog/?p=5150
4 Reaktionen zu “Die “Schießerei im Süden Israels””
[...] ein Hauptthema für die Startseite von sueddeutsche.de war das mitnichten. Da gab es Wichtigeres: Mehr… suedwatch Like this:LikeSei der Erste, dem dieser post gefällt. Dieser Eintrag wurde [...]
Ja, ähnliche Gedanken hatte ich bei dem Wort “Schießerei” auch….
Es gibt treue SZ-Leser die solches eben doch erfahren wollen. Und darunter auch solche, die weitere Quellen anzapfen, um sich näher zu informieren.
Es ist leider sehr enttäuschend festzustellen, dass diese Zeitung manche Themen nicht viel ernster behandelt als dies zum Beispiel die ARD tut, die damit nur den Schein kritischer Berichterstattung zu wahren versucht. Sehr auf Kosten der Qualität journalistischer Berichterstattung. Die Diskrepanz zwischen der Darstellung in unseren Medien und dem was aus anderen Quellen zu erfahren ist, stellt den professionellen Anspruch mancher Journalisten schon ziemlich überraschend massiv in Frage. Mit etwas regelmässiger Verfolgung des Themas Nahost beispielsweise bei HaAretz, Hurryiet, AlJazeera, Jerusalem Post und BBC kann man sich jedenfalls ein wesenlich besseres Bild von Situationen und ihren politischen Umständen im nahen Osten machen, als dies den allermeisten Nachrichtenorganen in Deutschland gelingt. Womöglich sogar mit geringerem Zeitaufwand.
Es sind die Journalisten selbst und ihre Verlage, die das Medium Zeitung und andere fragwürdig und unzeitgemäß werden lassen, wenn es ihnen immer weniger gelingt, Information vor das Verbreiten von Meinungen und politischen Haltungen zu setzen.
P.S.: als treuer SZ-Leser und -Abonnent muss ich leider dazu sagen, dass die Berichterstattung der Print-Ausgabe heute (Mo) über jene im Internet nicht hinausgeht.
Interessant finde ich, wie Herr Münch versucht, die lautstarke Empörung Ägyptens über den Tod von 5 ägyptischen Soldaten als eine Meinungsäusserung darzustellen, die unter Mubaraks Regierung unterdrückt worden sei. Tatsächlich ist dies völliger Blödsinn, denn im Gegenteil hat es auch unter Mubarak recht konsequent Israel-feindliche Meinungsäusserungen gegeben. Über das, was zur Einhaltung des Friedensabkommens mit Israel oder für gewinnbringende Geschäfte unbedingt notwendig notwendig war, gingen die Sympathien für Israel in Ägypten niemals hinaus. Interessanterweise hat Europa noch nicht einmal ansatzweise einen Versuch gemacht, sein Modell einer Aussöhnung zwischen historischen Kriegsgegnern auf den nahen Osten anzuwenden. Was für die heimische Rüstungsindustrie, die mit beiden - Israel und Ägypten Geschäfte macht - auch nicht unbedingt erstrebenswert gewesen wäre. Wenigstens über den letzten Punkt sollte man in München eigentlich besser bescheid wissen und mehr schreiben können als in den meisten anderen Städten Deutschlands.