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Omannomann.

23. Juli 2011 von Jaspis

Die Boulevard-Presse zeichnet sich dadurch aus, dass sachliche Information zugunsten reißerischer und populistischer Aufmacher zurücktritt. Mit der Wahrheit hält sie es nicht so ganz genau und wenn dann auch noch der Ideologie-Filter darüber gelegt wird, dann kommt so etwas dabei heraus wie [1]

mannomann



Noch im Januar vergangenen Jahres geiferte Heribert Prantl, dass “Steuersünden” keine “Sünden” wären,[2] sondern mindestens Kapitalverbrechen, auf die eigentlich die Höchststrafe stehen sollte. Gut, das hat er nicht gesagt, aber dass jedenfalls keine Entschuldung durch Selbstanzeige möglich sein dürfe. Bereits dort zeigte sich die Haltung seines Hauses, dass das eigentliche Verbrechen das ist, Geld zu haben, während es dem Staat eigentlich darum geht, Steuern zu vereinnahmen, um damit seine Ausgaben zahlen zu können. Lehrer und Schulen bezahlen zu können. Und Kindergärten. Und öffentliche Schwimmbäder. Und und und. Da drückt der Staat bei einer Selbstanzeige auch lieber ein Auge zu, was die Bestrafung angeht, weil damit ja schließlich der Zweck der Regelung, nämlich die Vereinnahmung von Steuern ermöglicht wird.

So etwas ist für die Süddeutsche eher nebensächlich. Beseelt von dem sozialistischen Gedanken, dass das Geld des Staates stetig vom Himmel regnet und daher unerschöpflich ist, braucht man sich um Einnahmen, etwa durch Steuern, auch nicht weiter kümmern.

Nur so ist das völlige Unverständnis des Martin Zips zu erklären, wenn der Staat bei einer Schenkung eines Nichtverwandten die Steuer verlangt, die er eben in solchen Fällen verlangt, auch wenn die edle Geste, und das meine ich wirklich ehrlich, dem Spender Alfred Mignon hoch anzurechnen ist.

SZ: Herr Mignon, Sie wollen Gutes tun. Und was macht das Finanzamt?

Mignon: Das Finanzamt macht seinen Job. Die Gesetze sind halt so.

Also die Gesetze, die Gutes zu tun verhindern. Das Erbschaftssteuerrecht kennt in § 15 Absatz 1 Erbschaftssteuer und Schenkungssteuergesetz (ErbStG) Erben und Beschenkte verschiedener Klassen [Hervorhebung: Jaspis]:


Steuerklasse I:
1. der Ehegatte und der Lebenspartner,
2. die Kinder und Stiefkinder,
3. die Abkömmlinge der in Nummer 2 genannten Kinder und Stiefkinder,
4. die Eltern und Voreltern bei Erwerben von Todes wegen;

Steuerklasse II
1. die Eltern und Voreltern, soweit sie nicht zur Steuerklasse I gehören,
2. die Geschwister,
3. die Abkömmlinge ersten Grades von Geschwistern,
4. die Stiefeltern,
5. die Schwiegerkinder,
6. die Schwiegereltern,
7. der geschiedene Ehegatte und der Lebenspartner einer aufgehobenen Lebenspartnerschaft;

Steuerklasse III:
alle übrigen Erwerber und die Zweckzuwendungen.



§ 16 ErbStG regelt die jeweiligen Freibeträge der einzelnen Steuerklassen, also im Fall der Steuerklasse III 20.000 € und § 19 den Steuersatz, nämlich 30 % in der Steuerklasse III für Beträge bis zu einer Höhe von 13.000.000 € (darüber sind es 50 %).

Ja, so ist das bei uns in Deutschland. Schrecklich, nicht? Da will der Staat nicht nur Geld für Einnahmen, die man durch seine Arbeit erzielt hat (das nennt man Einkommensteuer), sondern sogar dann, wenn man für diese Einnahmen keinen Finger krumm gemacht hat, weil man es geschenkt oder vererbt bekommen hat.

Eigentümlicherweise hat sich die SZ darüber noch nie ereifert, trifft es doch ohnehin meistens Angehörige oder Bedachte der “Reichen”, deren Kaste man ja ohnehin verachtet. Doch diesmal ist es anders: Eine hilfebedürftige Familie soll Geld geschenkt bekommen, das sie bitter nötig hat. Und wer gönnt es ihr nicht wirklich von Herzen? Doch ist nicht verständlich, warum der verschuldete Freund des Pastors besser gestellt werden soll als jeder andere, der sich buckelt, um seine Familie zu ernähren und trotzdem auf seiner Arbeit Lohn Steuern zahlt. Und es ist auch nicht nachvollziehbar, warum der Freund des Pastors besser behandelt werden sein soll als etwa die fürsorgliche Nachbarin, die die alte Frau von nebenan unentgeltlich gepflegt und versorgt hat und dafür von ihr als Dank im Testament berücksichtigt wird.

Das alles blendet Martin Zips in seinem naiv-populistischen Übereifer kurzerhand aus und sondert statt zutreffender Informationen einen ideologie-verbrämten Unsinn aus, der eher in das Poesiealbum einer Drittklässlern gehört als in eine auch nur halbwegs seriöse Zeitung. Damit beginnt er schon im Einleitungstext:

Alfred Mignon will seinen Gewinn aus der Quizshow “Wer wird Millionär” an eine bedürftige Familie spenden, darf aber nicht - weil das Finanzamt eine hohe Schenkungssteuer erhebt.

Was für ein hanebüchener Unsinn. Bankier Huber würde gerne seiner Arbeit nachgehen, darf aber nicht - weil das Finanzamt eine hohe Lohnsteuer erhebt. Macht das Sinn? Wohl eher nicht.

SZ: Die wollen 33 600 Euro Schenkungssteuer! Auf einen Schenkungsbetrag von 110 000 Euro. Das ist doch . . .

… schon wieder Unsinn. Steuergesetze sind zwar im Allgemeinen gerade einmal für Steuerberater halbwegs verständlich, doch ist gerade diese Regelung noch eher einfach: Ein Beschenkter in Steuerklasse III hat einen Freibetrag von 20.000 €. Auf den Rest zahlt er 30 % Schenkungssteuer. 110.000 € Schenkungsbetrag minus 20.000 € Freibetrag macht 90.000 €, die mit 30 % zu versteuern sind, also mit 27.000 €. Würde das Finanzamt 33.600 € Schenkungssteuer verlangen, dann müsste der zu verschenkende Betrag zurückgerechnet eine Höhe von 132.000 € haben. So viel hat Alfred Mignon noch nicht einmal gewonnen.

Bei allem Entsetzen über die Schlechtigkeit des Systems “übersieht” Martin Zips auch, dass dem Beschenkten nach Abzug der Steuer noch immer 83.000 € verbleiben würden. Man möchte meinen, ein stattlicher Betrag. Doch für Martin Zips ist in seiner Bescheidenheit kommt ein derart geringer Restbetrag einem Schenkungsverbot gleich.

Und weil es für ein ideologisch geprägtes Interview ohnehin keinen Anlass gibt, sich vorab zu informieren, bleibt auch die Behauptung Alfred Mignons

Das ist nun mal so in unserem Land. Wenn Sie jemanden mehr als 20 000 Euro schenken, dann müssen Sie Schenkungssteuer bezahlen.

unwidersprochen im Raum. Schließlich hat er ja auch vorausgeschickt: “Das ist nun mal so in unserem Land.” Das kommt immer gut. Nur ist es nicht so, dass jeder Schenkungssteuer zahlen muss, der mehr als 20.000 € geschenkt bekommt. Das sind nur die Beschenkten aus der Steuerklasse III. Also Menschen, die mit dem Schenker familiär eigentlich nichts zu tun haben. Kinder des Schenkers haben zum Beispiel einen Freibetrag in Höhe von 400.000 € und Ehegatten sogar einen in Höhe von 500.000 €. Auch der Steuersatz ist bei ihnen deutlich niedriger.

Um diese himmelschreiende Ungerechtigkeit zu umgehen, präsentiert Martin Zips eine Idee:

SZ: Ich hätte da eine Idee: Sie beschenken doch eine neunköpfige Familie, nicht? Teilen Sie die Summe einfach auf.

Mignon: Sehr gut! Vielen Dank! Da hab ich auch schon dran gedacht. Es gibt in der Familie vier Erwachsene, auf die könnte man den Betrag tatsächlich aufteilen. Das aber könnte laut Finanzamt als Umgehungsversuch gewertet werden.

Verstehen Sie das? Was soll umgangen werden und wie kommt das Finanzamt darauf? Ist es wirklich so abgrundtief böse, dass es der Familie gar nichts gönnt? Nicht mal den Kindern? Und was hat es dann mit den Erwachsenen auf sich, wieso kommt es darauf an, wie alt der Beschenkte ist?

Eine Erklärung wäre: Sinn und Zweck der Schenkung sollte die Tilgung eines Teils der über 208.000 € Schulden sein, die auf dem Freund von Alfred Mignon lasten.[3] Dieser Freund soll das Geld also nicht irgendwie verwenden, es sollen auch nicht die Kinder sich mal etwas leisten können, sondern es sollen die Schulden - teilweise - abbezahlt werden. Doch dafür muss der Schuldner das Geld auch haben und nicht seine Frau und auch nicht seine Kinder. Würde man nun erst den Kindern Teilbeträge schenken und die wiederum ihrem Vater, dann ergäbe sich bei den minderjährigen Kindern schon das erste Problem: Bei der Schenkung müssten sie sich von ihren Eltern vertreten lassen, also auch vom Vater, der damit ein nach § 181 BGB verbotenes Insichgeschäft schließen würde: Er stünde auf beiden Seiten des Schenkungsvertrages: ein Mal selbst, auf Seiten des Empfängers und einmal als gesetzlicher Vertreter seines Kindes.

Darüber hinaus wäre das, ebenso wie bei den Schenkungen über volljährige Kinder, eine Kettenschenkung. Die Kettenschenkung ist ein beliebtes Modell, um günstigere Steuerklassen zu nutzen. Da z.B. Schwiegerkinder einen niedrigeren Freibetrag (nämlich 100.000 €) haben als eigene Kinder (400.000 €), wird der Freibetrag faktisch erhöht, indem zuerst an die eigenen Kinder geschenkt wird, die dann ihrerseits an ihren Ehepartner (Freibetrag: 500.000 €) weiterverschenken und so jeweils den höheren Freibetrag ausnutzen können. Die Rechtsprechung toleriert das dann, wenn dem Zwischenbeschenkten einen eigener Entscheidungsspielraum über das Erhaltene zugestanden wird.

Gerade das scheint hier aber nicht der Fall zu sein: Das Geld soll offenbar ausschließlich und für nichts anderes verwendet werden als zur Tilgung der Schulden des Freundes von Alfred Mignon. Haben aber die Zwischenbeschenkten keinen eigenen Entscheidungsspielraum über das Erhaltene, dann ist offensichtlich, dass das Modell der Kettenschenkung ausschließlich aus Steuergründen gewählt wurde, also nichts weiter ist als ein Umgehungsversuch. In solchen Fällen wird genauso besteuert wie wenn direkt an den Endempfänger geschenkt worden wäre.

Das herauszufinden hat Martin Zips anscheinend restlos überfordert. Wer weiß, vielleicht meinte er auch, zu viel Sachlichkeit könnte sein Interview verwässern. Statt dessen, Martin Zipps’ Reaktion:

SZ: Omannomann.

So viel Recherche und Sprachgewandtheit wirft einen doch glatt um. Süddeutscher QualitätSZjournalismus vom Feinsten.





Jaspis






[1] http://www.sueddeutsche.de/panorama/pastor-kann-tv-gewinn-nicht-spenden-das-wird-durchgezogen-die-kriegen-ihr-geld-1.1123116

[2] http://www.sueddeutsche.de/politik/straftat-steuerhinterziehung-steuersuender-sind-keine-suender-1.5738
[3] http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/0,1518,775725,00.html


Geschrieben in Es stand -nicht- in der SZ, Meinungsvorgabe, NonSZens, QualitätZSjournalismus, VorBILD | 2 Kommentare

2 Reaktionen zu “Omannomann.”

  1. am 23 Jul 2011 um 14:361Skeptiker

    Guter Kommentar. Besser als der Artikel in der SZ (Gut, dazu gehört jetzt auch nicht viel).
    Jede Zeitung des MSM sollte so einen Blog haben ;-) .
    Ich kannte diesen Blog noch nicht, aber ich werde seine weitere Entwicklung mit Interesse verfolgen.

    C

  2. am 23 Jul 2011 um 15:082Jaspis

    Das freut mich und uns natürlich sehr. Danke und herzlich willkommen. :-)
    Jaspis

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