Von Holzern und Denk(l)ern
19. Mai 2009 von Jaspis
Hurra, jubelt Thorsten Denkler, hurra, hurra, Die Linke hat endlich ein Wahlprogramm. Eines, das die schöne rote Farbe in den so grauen bundesdeutschen Alltag bringt, eines, das, wie er gleich mehrfach betont, “offenbar derart links [ist], das auch den Linken unter den Linken nichts Linkeres mehr einfällt”. [1] - Das muss ein neues Qualitätsmerkmal sein.
Und wie ist es denn nun, dieses so linkes, linker geht es nicht - Wahlprogramm? Forderungen sind darin enthalten wie etwa:
Erpressung der Beschäftigten beenden [2]
Wie diese “Erpressung” aussehen soll, insbesondere in Bezug auf den Straftatbestand der Erpressung, § 253 StGB, wenn schon der terminus technicus verwendet wird, sucht man in dem Programm vergeblich.
gesetzliche Höchstarbeitszeit senken auf regelmäßig 40 Stunden pro Woche
Ein Blick in § 3 Satz 1 ArbZG hätte gezeigt, dass das auch schon jetzt so ist.
gute Ausbildung sichern
Was macht eine “gute” Ausbildung aus?
Ein paar willkürlich herausgegriffene Beispiele.
Und wie beschreibt es Thorsten Denkler?
100 Milliarden Euro jährlich für öffentliche Investitionen, weitere 100 Milliarden für einen Zukunftsfonds, aus dem Unternehmen mit guten Ideen mit billigen Krediten unterstützt werden sollen. Hartz IV rauf auf 500 Euro, Mindestlohn zehn Euro. Zwei Millionen Jobs sollen so entstehen. (…) Im Gegenzug: Steuersenkungen für untere Einkommen, Spitzensteuersatz rauf auf 53 Prozent, zahlbar ab 84.000 Euro Jahreseinkommen. Dazu eine Vermögensteuer, von Lafontaine “Millionärssteuer” genannt. Privatvermögen ab einer Million Euro wird mit fünf Prozent jährlich belastet.
Das lässt die Herzen mancher höher schlagen. Wer aber Oskar Lafontaines Rechenakrobatik kennt, weiß, dass er gerne jeden Euro, den er tatsächlich einnehmen könnte, gleich mehrfach ausgibt. Realisierbarkeitskriterien, wie etwa die Finanzierung ohne verfassungswidrige Eingriffe in das Eigentum stören ihn dabei wenig. Das müssen sie aber auch nicht, denn in die Verlegenheit, diese Rechenkunststücke auch in die Tat umzusetzen, will Die Linke ja von vorneherein nicht kommen. Regierungsverantwortung will sie gar nicht übernehmen. Und weil es für Thorsten Denkler offenbar normal ist, dass eine Partei sich zur Wahl stellt, aber ohnehin keine Regierungsverantwortung übernehmen will, unterstellt er dieselben Ambitionen flugs auch gleich den Grünen,
Wer also die Linke wählt, wählt Opposition. Im Gegensatz zu den Grünen versucht sie das aber nicht mal zu kaschieren.
die aber bekanntlich gerade das, nämlich Regierungsverantwortung zu übernehmen, schon einmal getan haben und auch im Falle einer Wahl wieder tun würden.
Tatsächlich ist das aber alles andere als in Ordnung. Denn wer kein Konzept hat, das auch einer Regierungsverantwortung standhalten würde, der kann auch keine demokratisch sinnvolle Oppositionsarbeit leisten. Die setzt nämlich konstruktive Kritik voraus. Kritik, die der Regierung(skoalition) etwaige Fehler aufzeigt und Lösungskonzepte, die auf demokratischem Weg zu erreichen wären. Eine “Ich bin dagegen”-Opposition verdient hingegen ihren Namen nicht. Sie ist nichts weiter als ein Wählerstimmen-Verpuffungsmittel.
Und so “empört” sich der soeben aus der Partei Die Linke ausgetretene Carl Wechselberg, ehemaliger Finanzsprecher der Linken im Berliner Abgeordnetenhaus, weniger darüber, dass
“Gerade einmal zwei Prozent der Bundesbürger (…) die Finanz- und Wirtschaftpolitik der Linken in Umfragen überzeugend”
finden, er stellt es vielmehr resigniert fest. Er fährt nämlich fort:
Für mich ist dies nach vielen Jahren in PDS und Linke die logische Konsequenz einer gescheiterten Parteientwicklung. [3]
Aber weil das, ebenso wie die weiteren Ausführungen Carl Wechselbergs
Vor der Fusion mit der WASG zur neuen Linken hat Lafontaine in der PDS die Erwartung geweckt, dass mit ihm ein relevanter Teil der SPD in das neue, gemeinsame Projekt eintritt. Fähige Leute aus der Sozialdemokratie sollten die Linkspartei politisch handlungsfähig machen. Schlechte Erfahrungen mit West-Sektierern hatte man ja schon genug gesammelt im Osten. Dachte die PDS. Immerhin hatte es für sie zu Regierungsbeteiligungen in zwei Bundesländern, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin gereicht. Man wollte mehr. Diese Erwartung an die personelle Basis der neuen Partei aber konnte Lafontaine nicht erfüllen. In personeller Hinsicht erwies sich die SPD als erstaunlich stabil und resistent. Diejenigen, die mit Lafontaine und der WASG in das gemeinsame Parteiprojekt eintraten, waren vielfach gerade keine pragmatischen SPD-Aktivisten, sondern alle Linkssektierer, die der Westen aufzubieten hatte und zahlreiche alte Gewerkschaftsfunktionäre.
für Thorsten Denkler zu bitter, zu real ist, versucht er lieber gar nicht erst, Wechselbergs Kurzfassung seiner Einschätzung des Wahlprogramms vielleicht mit Argumenten aus dem selben zu widerlegen, die er selbst vergeblich suchte, wenn er sich die Mühe machte. Nein, Thorsten Denkler greift zum Lieblingsjargon der neuen SZ, er lässt Wechselberg “ätzen” und “holzen”,
In einem Gastbeitrag für die Online-Ausgabe des Spiegel ätzt er, für ihn sei das “die logische Konsequenz einer gescheiterten Parteientwicklung”. Im Westen hätten sich “alle Linkssektierer, die der Westen aufzubieten hatte,” auf den Weg gemacht, die Linke als ihre Plattform zu betrachten. Lafontaine habe das noch befördert, holzt Wechselberg. Er frage sich, “wo eigentlich der SPD-Politiker Lafontaine verblieben ist, der einst echte Regierungsverantwortung als Ministerpräsident trug”. Die politische Ausrichtung, die Lafontaine und die West-Akteure der neuen Linken verordnet hätten, sei “fundamental oppositionell”.
denn er ist wie manch einer seiner Kollegen offenbar der Ansicht, wenn er Äußerungen nur mit diesen Verbalien bedenkt, dann sind sie bereits ausreichend diskreditiert und er kann sich die Argumentation sparen.
Netter Versuch, Herr Denkler.
Jaspis
[1] http://www.sueddeutsche.de/politik/550/468117/text/
[2] Aus dem Bundestagswahlprogramm der Partei DIE LINKE, Ziffer 2.1
[3] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,623697,00.html