Gute Verfassungsfeinde, böse Verfassungsfeinde. Und die Süddeutsche.
16. Juli 2011 von moritatensaenger
Wenige Stunden ist es her, dass sich der Moritatensaenger mit einem Artikel der SZ-Autorin Maria Holzmüller auseinandersetzte (“Frau Holzmüller auf dem Holzweg….”). In ihrem Text kritisiert die Schreiberin u.a., der Chefredakteur der Studierendenzeitung “Campus” der Universität der Bundeswehr in München würde sich im Dunstkreis rechter, verfassungsfeindlicher Organisationen bewegen. Insbesondere sei er der Autorentätigkeit bei der rechten Wochen- zeitung Junge Freiheit schuldig, welche vom Verfassungsschutz beobachtet würde.
Außerdem, so die SZ-Mitarbeiterin, verfüge der Bayerische Rundfunk über Fotos, die den Oberleutnant und Studenten an der Bw-Universität, Martin Böcker, im Kreise von Rechtsextremisten während einer Kranzniederlegung zeigen würden. Nach einem freundlichen Tip eines Kommentators und wenigen Minuten Recherche ergibt sich folgendes Bild:
Offensichtlich handelt es sich bei der Quelle, auf deren Angaben sich sowohl die Süddeutsche Zeitung mit ihrer Autorin Maria Holzmüller, als auch der Bayerische Rundfunk stützen, um eine Person aus dem Umfeld der dem Linksextremismus nahen Antifaschistischen Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München e.V. (a.i.d.a.). Möglicherweise auch um die Informationsstelle selbst. Auf der Web-Repräsentanz von a.i.d.a. ist jedenfalls dieses Foto der umstrittenen Kranzniederlegung zu sehen [1]:
Der Text zum Bild lautet:
Nun ist einer der Kranzträger wohl zweifellos Dr. Erik Lehnert (im Foto rechts), der Geschäftsführer des Institutes für Staatspolitik, der andere Kranzträger (im Foto links) aber dürfte schwerlich als Martin Böcker zu identifizieren sein. Der sieht nämlich so aus:
War also Martin Böcker bei dieser Kranzniederlegung, entgegen den Berichten, garnicht anwesend? Doch. War er. Auf Rückfragen von suedwatch.de hat er das unumwunden eingeräumt, wie er das auch der SZ gegenüber getan hätte, wäre er nur danach gefragt worden. Dort aber war Maria Holzmüller bemüht, der ganzen Aktion einen konspirativen Charakter zu verleihen, weshalb sich auch in ihrem Artikel jenes Wort von der geheimen Kranzniederlegung findet [2]…
“Der Oberleutnant, der gegenüber sueddeutsche.de bestreitet, rechter Aktivist zu sein, schreibt regelmäßig für rechte Zeitungen wie Junge Freiheit und Sezession, ebenso wie mindestens zwei weitere Redakteure des Campus-Teams, berichtet der Bayerische Rundfunk. Außerdem lägen dem BR Fotos vor, die ihn bei einer geheimen Kranzniederlegung auf dem Münchner Nordfriedhof, einer Veranstaltung der extrem rechten Szene, zeigten.”
…, mit dem schon der Bayerische Rundfunk versuchte [3], einem vom Nachrichtenwert her nicht besonders attraktiven Beitrag investigativen Charakter zu verleihen. So “geheim” war nämlich die Aktion, dass sie in Sezession schon am 8.Mai veröffentlicht wurde. Einen Tag nach der Kranzniederlegung. [4]
Dabei ist die Einstufung der Kranzniederlegung als “geheim”, sowohl durch den BR als auch durch die Süddeutsche, hochinteressant, führt sie doch zu der Quelle zurück, bei der sich Rundfunk und Zeitung so offensichtlich wie ungeniert bedienten. Der Autor der Story auf der Homepage der a.i.d.a. nämlich, Robert Andreasch (Tobias-Raphael Bezler), gab den Takt vor…
…und die seriösen Leitmedien folgten. Ohne die Angaben ihrer Quelle mit journalistisch angemessener Sorgfalt zu überprüfen. Zur Person des Autors, Robert Andreasch (Tobias-Raphael Bezler), gelangt man über Google an eine Unzahl an Informationen, die jedoch nur schwer zu verifizieren sind und zudem in der Masse aus tatsächlich rechtsextremen Quellen stammen, etwa von der Homepage des Berliner Fanatikers Gerd Walther (nicht zu verwechseln mit seinem Gegenpart auf der anderen Seite, dem gleichnamigen LINKE-Mitglied). Unzweifelhaft steht aber fest, dass “Robert Andreasch” für a.i.d.a. arbeitet. Ebenso steht fest, dass diese - vorgeblich - Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München e.V. (a.i.d.a.) von eigenen Gnaden auch im aktuellen Verfassungsschutzbericht Bayern wieder im Kapitel “Sonstige linksextremistische bzw. linksextremistisch beeinflusste Organisationen” [5] erwähnt wird.
Wäre die Geschichte nicht so traurig, dann könnte man direkt darüber lachen:
Eine Journalistin, die für die Süddeutsche Zeitung schreibt, empört sich in einem Artikel über die Nähe einer Person zu rechtsradikalen Kreisen, beschuldigt diese, für Publikationen als Autor tätig zu sein, die vom Verfassungsschutz beobachtet würden, und bezieht gleichzeitig ihre eigenen Informationen dazu - ob wissentlich oder unwissentlich ist bedeutungslos, weil beides für einen Journalisten grottenpeinlich - von einer Organisation, die ihrerseits wiederholt im Verfassungsschutzbericht des Landes Bayern genannt wurde und der Nähe zum Linksextremismus attestiert wird, und von einer Person, die sich in linksradikalen Kreisen bewegt.
Herrlich. Dass natürlich die Teilnehmer an dieser ominösen Kranzniederlegung für einen Linksradikalen alles nur “Vertreter_innen der extremen Rechten” sein können, ist verständlich. Dass eine dem Anspruch nach seriöse Tageszeitung solche Sichtweisen ungeprüft und unhinterfragt übernimmt, ist traurig. Richtig ist, dass eine wehrhafte Demokratie Bürger braucht, die über extremistische Strömungen informiert sind. Extremistische Strömungen aus jedweder Richtung. Eine Tageszeitung, welche die Extremisten in gute Verfassungsfeinde und böse Verfassungsfeinde unterteilt, nebenbei nach eigenem Gutdünken einfache Andersdenkende zu bösen Verfassungsfeinden stempelt; eine Tageszeitung, die ihre Verpflichtung vergisst, die Öffentlichkeit wahrhaftig zu unterrichten, die es unterlässt, zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben; eine Tageszeitung, der dies alles zum Vorwurf gemacht werden kann, dient eigentlich nur noch einem Zweck sinnvoll, den auszusprechen ich mir erspare. Ich verweise hier stattdessen auf das Foto ganz oben, in unserem Header. Aber selbst für diesen Zweck ist noch Qualität erforderlich. Wenn auch nur Papierqualität.
Mit tönendem Gruß
Peter Zangerl alias Moritatensaenger
[2] http://www.sueddeutsche.de/karriere/bundeswehr-rechtsruck-im-uni-magazin-rechter-aktivist-leitet-zeitung-an-bundeswehr-uni-1.1120199
[4] http://www.sezession.de/24726/spengler-zu-seinem-75-todestag.html
2 Reaktionen zu “Gute Verfassungsfeinde, böse Verfassungsfeinde. Und die Süddeutsche.”
Danke für diesen Blog und diesen Artikel.
Sehr Gut, weiter so.