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Metamorphose

23. Juni 2011 von Jaspis

Gehen wir ein Dreivierteljahr zurück und nach Stuttgart, am 29. September.[1] Damals kam es zu einer Eskalation während der Proteste gegen Stuttgart 21. Ein Mann wurde schwer an den Augen verletzt. Sein Bild ging damals (und geht noch) durch alle Medien.


brachialgewalt



Noch bevor auch nur annähernd geklärt war, wer für die Eskalation verantwortlich war, war für die Süddeutsche klar: Die Feststellung der Polizei, dass nämlich die Gewalt ursprünglich von den Demonstranten ausgegangen sei, ist nichts als eine bloße Schutzbehauptung, geradezu eine Verhöhnung.


titel-2



Denn, der Moritatensaenger bringt es auf den Punkt, “was die Bullen sagen (und die Nachrichtenagenturen berichten und die Kollegen - siehe Artikel Tagesspiegel- schreiben), das muss - für einen SZ-Schreiberling - noch lange nicht die Wahrheit sein”[2]

Diesem Motto getreu erfolgte auch die “Berichterstattung” zu den Ausschreitungen vom vergangenen Montag. Eine “Berichterstattung”, die demagogischer kaum sein könnte.

Am Montag kam es in Stuttgart im Rahmen der zunächst friedlich verlaufenen “Montagsdemonstration” (!) zu gewalttätigen Ausschreitungen:

Mehrere hundert Stuttgart-21-Gegner hatten nach der traditionellen Montagsdemonstration eine Baustelle besetzt. (…) Nach der traditionellen Montagsdemonstration hatten Teilnehmer nach Polizeiangaben die Zäune zum geplanten Grundwassermanagement für den Bau des Tiefbahnhofs niedergerissen. Einige Aktivisten besetzten die Wassertanks und das Dach einer Fabrikhalle für das Grundwassermanagement, andere zündeten Knallbomben in der Nähe der Polizeikette. Ein Beamter wurde schwer verletzt, als er einen Demonstranten kontrollieren wollte, der zuvor eine Sachbeschädigung begangen hatte. Der Zivilbeamte erlitt Kopf- und Gesichtsverletzungen. Mittlerweile wurde er Polizeiangaben zufolge aus dem Krankenhaus entlassen. Er sei noch sehr mitgenommen, sagte ein Sprecher. Acht weitere Polizisten waren verletzt worden, als selbst gefertigte “TNT-Böller” nahe der Polizeikette gezündet worden waren. Sie erlitten Knalltraumata.

Bei den Protesten entstand nach Angaben einer Sprecherin der Stuttgarter Staatsanwaltschaft ein Schaden von mehr als einer Million Euro.

berichtet der swr. [3]

Zunächst berichtete auch sueddeutsche.de. Doch der Bericht, der unter der immer selben URL [4]

http://www.sueddeutsche.de/politik/umstrittener-hauptbahnhof-neubau-stuttgart-gegner-stuermen-baustelle-1.1110762

erschien, erfuhr eine erstaunliche Wandlung. Wie noch aus der URL zu sehen ist, hieß der Artikel ganz zu Anfang “Umstrittener Hauptbahnhof-Neubau - Stuttgart-Gegner stürmen Baustelle”. Wenig später wurde er umbenannt in “Stuttgart: Demonstration gegen Bahnhofs-Neubau S21-Gegner verletzen Polizisten”


version-2



um später noch einmal umbenannt zu werden in “Nach Demo gegen Bahnhofs-Neubau S21: Ermittlungen wegen versuchten Totschlags”


version-3



Bereits die Illustrierung zu dem Artikel zeigt das Mitgefühl des oder der Autoren mit dem krankenhausreif geprügelten Polizisten. Wir werfen noch einmal einen Blick auf das erste Bild im Artikel, von dem verletzten Demonstranten im September. Ein vergleichbares Foto von dem verletzten Polizisten gibt es nicht. Vermutlich war keines erhältlich, das kann man niemandem vorwerfen. Doch ist es schon erstaunlich, was sueddeutsche.de dafür als Ersatz anbietet:


polizist



Da bekommt der Leser doch gleich das “richtige” “Mitgefühl” mit dem Opfer. Beinahe so viel wie mit dem blutenden Demonstranten. Nicht wahr?

Bemerkenswert ist jedoch die Wandlung, die der Text unter dieser immerselben URL mit den wechselnden Überschriften erfahren hat. Neben Verschiebungen ganzer Textabschnitte wurde auch der Text meinungsbildend angepasst (Hervorhebungen: Jaspis)



7:00 Uhr

“Bei dem Vorfall am Abend, als Demonstranten eine Baustelle gestürmt und neun Polizisten verletzt hatten, sei nach ersten Einschätzungen ein “beträchtlicher Sachschaden” entstanden, dessen Höhe allerdings noch nicht beziffert werden konnte. “Das war mit Sicherheit nicht mehr friedlich, was sich einige Leute dort geleistet haben”, sagte ein Sprecher.”

“Mehrere hundert Stuttgart-21-Gegner hatten nach der traditionellen “Montagsdemonstration” gegen das Bahnprojekt die Baustelle für das Grundwassermanagement gestürmt und dabei neun Polizisten verletzt. Ein Zivilbeamter wurde schwer verletzt, als er einen Demonstranten kontrollieren wollte. Der Polizist wurde mit Kopf- und Gesichtsverletzungen ins Krankenhaus gebracht. Acht weitere Beamte erlitten ein Knalltrauma, nachdem selbstgefertigte Böller nahe der Polizeikette gezündet worden waren. Auch sie mussten in der Klinik behandelt werden.”

12:07 Uhr

“Laut Aussage der Beamten hatten mehrere hundert Stuttgart-21-Gegner nach der traditionellen “Montagsdemonstration” gegen das Bahnprojekt die Baustelle für das Grundwassermanagement gestürmt. Dabei sei nach ersten Einschätzungen auch ein “beträchtlicher Sachschaden” entstanden, dessen Höhe allerdings noch nicht beziffert werden konnte. “Das war mit Sicherheit nicht mehr friedlich, was sich einige Leute dort geleistet haben”, sagte ein Sprecher.”

“Der Beamte sei bei einer Protestaktion am Montagabend von Demonstranten an Kopf und Hals verletzt worden, so die Staatsanwältin. Wegen der schweren Verletzungen habe er ins Krankenhaus eingeliefert werden müssen. Zudem sei versucht worden, ihm seine Dienstwaffe wegzunehmen. Acht weitere Beamte erlitten ein Knalltrauma, nachdem selbstgefertigte Böller nahe der Polizeikette gezündet worden waren. Auch sie mussten in der Klinik behandelt werden.”



7:00 Uhr

“Einige Aktivisten besetzten die Wassertanks und das Dach einer Fabrikhalle für das Grundwassermanagement des geplanten Tiefbahnhofs.”

12:07 Uhr

“Die Beamten sprachen von einer schweren Aggression, feindseliger Stimmung und großer Emotionalität des Protestes. Einige Aktivisten besetzten demnach die Wassertanks und das Dach einer Fabrikhalle für das Grundwassermanagement des geplanten Tiefbahnhofs.“



7:00 Uhr

“Dagegen teilten die “Parkschützer”, eine Gruppe von Aktivisten, mit, in “gelöster Feierabendstimmung” hätten rund 1000 Protestierende ein “Stück ihrer Stadt wieder in Besitz” genommen.”

12:07 Uhr

“Entgegen der Darstellung der Polizei teilten die “Parkschützer”, eine Gruppe von Aktivisten, mit, in “gelöster Feierabendstimmung” hätten rund 1000 Protestierende ein “Stück ihrer Stadt wieder in Besitz” genommen.”

“Was zunächst als Tatsache berichtet worden war, wurde zu reinen Behauptungen oder “Darstellungen” von Polizei und Staatsanwaltschaft umformuliert und gleichzeitig so dargestellt, dass Zweifel an der Version der “Parkschützer” gar nicht erst aufkommen sollen.“



Was ist passiert? Wie kam es nur zu dieser Text-Metamorphose in der Zeit zwischen 7:00 Uhr und 12:07 Uhr? Richtig: Aufschluss bietet Roman Deiningers Artikel von 12:25 Uhr [5], der das als bare Münze präsentiert, was die “Parkschützer” ihrerseits schilchtweg nur behauptet haben. Unkritisch wird auch auf das youtube-Filmchen verlinkt, das den “Beweis” dafür darstellen soll, dass der Zivilpolizist überhaupt nicht verletzt worden ist. Zu sehen ist auf dem Film zunächst ein Gerangel, aus dem sich ein Mann löst, der als Einzelner eine Masse von Menschen gegen ihn hat (allesamt vermutlich mächtig stolz auf ihre “Zivilcourage”), die ihm “Bullenschwein” und “Bullensau” entgegenschmettert.  Weder geht aus dem Film hervor, wie der Mann zuvor “behandelt” wurde, noch geht daraus hervor, von welchem Zeitpunkt die Aufnahme stammt, ob es sich überhaupt um ein und dieselbe Person und ein und denselben Vorfall handelt, dessentwegen die Staatsanwaltschaft ermittelt. Selbst wenn dem aber so ist, ist damit keineswegs “bewiesen”, dass das Opfer unverletzt ist und nicht womöglich innere Verletzungen oder eine Gehirnerschütterung durch Schläge und Fußtritte erlitten hat.

Aus dem Polizeibericht: [6]

Eine zivile Polizeistreife wurde bei der Kontrolle einer Person, die kurz zuvor offenbar eine Sachbeschädigung begangen hatte, von mehreren Demonstranten angegriffen. Einem Beamten gelang es zu flüchten, sein Kollege wurde von den Aktivisten schwer verletzt. Mehrere Personen griffen den Beamten an und versuchten offensichtlich ihm seine Dienstwaffe zu entreißen. Der Beamte musste von Rettungskräften mit Kopf- und Gesichtsverletzungen in ein Krankenhaus gebracht worden.

Kein Zweifel an der kruden “Logik” der “Parkschützer” kommt bei der SZ-Redaktion oder bei Roman Deininger auf. Weder an der Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft kaum grundlos wegen versuchten Totschlags ermittelt, noch daran, dass der verletzte Polizist erst zwei Tage später, am 22. Juni wieder aus dem Krankenhaus entlassen werden konnte. [7]

Damit der auch gar nicht aufkommt, platzierte Roman Deininger selbstredend auch keinen zusätzlichen Link auf ein youtube-Filmchen, mit dem die ja nur von der Polizei behaupteten Schäden dokumentiert würden. Wir schon:







Und so wurde die Ausgangsmeldung angepasst an neue “Realitäten”. Aus dem Ausgangs-Bericht wurde - selbstredend ohne jeglichen Hinweis auf die Veränderungen - eine einseitige Stimmungsmache. Eine höchst bedenkliche Metamorphose.





Jaspis





[1] http://www.suedwatch.de/blog/?p=4235
[2] http://www.suedwatch.de/blog/?p=6173
[3] http://www.swr.de/nachrichten/bw/-/id=1622/nid=1622/did=8212642/wd7rej/index.html
[4] http://www.sueddeutsche.de/politik/umstrittener-hauptbahnhof-neubau-stuttgart-gegner-stuermen-baustelle-1.1110762
[5] http://www.sueddeutsche.de/politik/streit-um-proteste-gegen-stuttgart-parkschuetzer-weisen-gewaltvorwuerfe-zurueck-1.1110847
[6] http://presse.polizei-bwl.de/_layouts/Pressemitteilungen/DisplayPressRelease.aspx?List=7fba1b0b%2D2ee1%2D4630%2D8ac3%2D37b4deea650e&ID=2222&RootFolder=%2FLists%2FPressemitteilungen
[7] http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.stuttgart-21-protest-verletzter-beamter-aus-klinik-entlassen.0cc14d47-d0f8-4f93-9657-c5adc7a407fe.html


Geschrieben in Demokratieversztändnis, Extremismus, Meinungsvorgabe, QualitätZSjournalismus | Kommentar

1 Reaktion zu “Metamorphose”

  1. am 23 Jun 2011 um 19:001Moritatensaenger

    Was ist eigentlich das Gegenwort zu “Bonmot”? Merdemot (Schei*ewort)? Wie auch immer, beurteilen Sie ihn selbst, den Satz, den Baden-Württembergs grüner Verkehrsminister zu den verletzten Politisten abgab:

    “Ich bedauere außerordentlich, dass Polizisten verletzt wurden. Es ist übel, wenn Beamte indirekt zu Opfern jener werden, die umstrittene Baupläne zu verantworten haben.” !!!

    Link: http://www.morgenweb.de/nachrichten/politik/20110622_mmm0000001835058.html

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