“Der Mensch ein Monster?”…..der Leser ein Narr?
11. Mai 2009 von moritatensaenger
“Darf man einem heute 21-Jährigen attestieren, dass er sich nie mehr ändern wird?”
fragt Heribert Prantl in der Süddeutschen [1]. Und er beantwortet die rhetorische Frage auch gleich mit dem Urteilsspruch der Großen Strafkammer des Bonner Landgerichtes:
“Das Gericht hat das nicht getan. Es hat sich den Ausspruch einer Sicherungsverwahrung für später vorbehalten.”
An sich ist dieser Kommentar zur Sicherungsverwahrung -am Beispiel des Urteils über den Mörder des 21-jährigen Hermann Heibach- eine nett-gutmenschliche Meinungsäußerung, die man mit einem Schulterzucken oder Kopfschütteln stehen lassen könnte, weil sie nicht untypisch für den Relativismus unserer Tage ist. An sich. Und könnte.
Wieder einmal aber muss man die Frage stellen, ob es einfach nur Nachlässigkeit ist, die einen ausgewiesenen, promovierten Fachman wie Prantl [2] sich so äußern und so meinen lässt, oder ob dahinter die bewusste Falschinformation der Leser durch den Journalisten und Ressortleiter einer angesehenen Tageszeitung steckt. Mit welcher Intuition auch immer.
In seinem Kommentar baut Prantl Bilder auf, die nicht der Realität, nicht der Wahrheit entsprechen. Etwa, indem er u.a. mit den Sätzen
“Muß man aber neben der Strafe auch gleich und unbedingt Sicherungsverwahrung verhängen, um so von vornherein sicherzustellen, dass er möglichst nie mehr das Gefängnis verlassen kann? [...] Sicherungsverwahrung ist Haft nach Ende der Strafzeit; aufgrund einer Gefährlichkeitsprognose bleibt der Häftling dort, wo er ist, auch wenn er die Strafe abgesessen hat. Eine solche Sicherungsverwahrung nimmt dem Täter jede Hoffnung.!”
behauptet, die Sicherungsverwahrung würde bedeuten, dass die damit beschwerte Person nie mehr das Gefängnis verlassen kann.
Tatsache ist: die Fortdauer einer Sicherungsverwahrung wird in bestimmten Abständen (in der Regel alle 2 Jahre [3]) von der Strafvollstreckungskammer geprüft. Sie dient nicht dem unbegrenzten “wegsperren” der Betroffenen, sondern “ist eine Maßregel der Besserung” und wird in NRW (wo das betreffende Urteil erging) in den Justizvollzugsanstalten Aachen und Werl … in eigenen Abteilungen durchgeführt. Darüber hinaus sind in aus Behandlungsgründen Sicherungsverwahrte in NRW auch in sozialtherapeutischen Einrichtungen untergebracht.[4]
Mehr noch als im normalen Vollzug wird in der anschließenden Sicherungsverwahrung auf eine Therapie und Resozialisierung eines Straftäters hingearbeitet. Gegenüber dem normalen Strafvollzug gibt es in der Sicherungsverwahrung einige Erleichterungen und Besonderheiten:
“Sicherungsverwahrte haben einen größeren Freiraum bei der Ausgestaltung ihrer Zelle (§ 131 StVollzG). Sie dürfen eigene Kleidung, Wäsche und Bettzeug benutzen, wenn dadurch nicht die Sicherheit der Anstalt gefährdet wird und sie für deren Reinigung, Wechsel und Instandsetzung selbst aufkommen (§ 132 StVollzG). Sie haben einen Anspruch auf bezahlte Selbstbeschäftigung, sofern diese zum Erhalt oder zur Förderung einer Erwerbstätigkeit nach der Entlassung nützlich ist (§ 133 StVollzG). Zur Entlassungsvorbereitung sind zusätzliche Vollzugslockerungen und Sonderurlaub möglich (§ 134 StVollzG).” [3]
Vergleicht man dieses Bild der tatsächlichen Gegebenheiten mit dem, das der Jurist Prantl unterzuschieben versucht, wird erst richtig klar, wie unverfroren der Kommentator die möglichen Wissenslücken seiner Leser nutzt.
Und er ist dabei durchaus phantasievoll. Etwa, indem er von den Gefühlen fabuliert, mit denen Vollzugsbeamte zu kämpfen haben, wenn sie einem Täter, der sich einer besonders grausamen Tat schuldig gemacht hat, dennoch mitmenschlich begegnen müssen. Er geht sogar so weit, die Probleme im täglichen Umgang mit Häftlingen, denen eine -von ihm falsch dargestellte- Sicherungsverwahrung “droht”, als Argument gegen dieselbe aufzubauen [5]. So, als könnte es für den Staat Option sein, von bestimmten Strafen und Maßregeln zur Besserung und Sicherung deshalb abzusehen, weil dann der Umgang mit den Inhaftierten in den Strafanstalten leichter würde. Alles getreu dem Motto: Die Jungs von Block A werden langsam unangenehm, kürzen wir ihre Strafen doch um die Hälfte, dann sind die wieder netter.
Was er jedoch auch bei allem Hang zu kreativen Argumentationen “vergisst” ist, den Leser näher über Täter und Tat aus seinem Beispiel zu informieren. Dazu schreibt er lediglich:
“Der Initiator der Gräueltaten in der Zelle von Siegburg war zur Tatzeit 19 Jahre alt. Er hat zusammen mit anderen Gefangenen einen Mithäftling zu Tode gefoltert.”
Tatsache ist: Der Täter von Siegburg war nicht zufällig in der Zelle, in der er den bestialischen Mord verübte. Er war dort, weil ihm zu diesem Zeitpunkt bereits “gefährliche Körperverletzung in 5 Fällen, Vergewaltigung in 2 Fällen sowie besonders schwere Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung” [6] vorgeworfen wurde.
Selbst außerhalb dieser Auflistung war er, Pascal I., kein unbeschriebenes Blatt. Wie die Illustrierte “Stern” im Zuge Ihrer Recherchen zu der Verhandlung in 2007 ermittelte, ist die Vorgeschichte des Täters, den man “in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Marl vergeblich versucht hatte zu therapieren” durch erhebliche Gewalttaten geprägt:
„Ehemalige Lehrer haben bei dem Namen Pascal I. Prügeleien, weinende Kinder, Klassenkonferenzen, Elterngespräche, Erziehungsmaßnahmen vor Augen - und die eigene Hilflosigkeit. “Er traktierte fortwährend andere Kinder. Meist in Situationen, in denen er sich unbeobachtet fühlte”, erinnert sich eine Lehrerin. [...] Dominik (Sohn von K., einem anderen Geschädigten; Anm.moritatensaenger), heute 16, sei als 13-Jähriger von dem 17-jährigen Schläger Pascal I. auf dem Nachhauseweg von der Schule angehalten, vom Fahrrad gezerrt, mit dem Kopf an die Wand gedrückt, wenige Meter vor der Haustür gewürgt und mit den Worten bedroht worden: “Ich fick dich in den Arsch.” Die Tochter habe Angst gehabt, die 200 Meter von der Bushaltestelle allein nach Hause zu gehen. [...]
Vergeblich hat K. anderthalb Jahrzehnte lang den Staat um Hilfe gegenüber der gewalttätigen Familie ersucht, die mit drei Generationen in Bottrop in einer ehemaligen Zechen-Doppelhaushälfte unter einem Dach wohnte. Vom Jugendamt wurde er zur Polizei und umgekehrt geschickt: Gegen einen Vierzehnjährigen könne man nichts unternehmen, weil er noch nicht strafmündig sei, wurde ihm mitgeteilt, sagt K..” [7]
Doch selbst angesichts dieser Vorgeschichte ist der Mord, die vorläufige Krönung der Laufbahn des Täters, von unglaublicher Brutalität:
„Zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt nach 12.00 Uhr am 11. November 2006 schlugen die Angeklagten, einer Idee des Angeklagten I. folgend, abwechselnd auf den Geschädigten mit in Handtüchern gewickelten Seifenstücken ein, die sie wie peitschenartige Schlaginstrumente benutzten. Diese ersten Schläge waren der Auslöser für weitere Misshandlungen, Erniedrigungen und Quälereien, die sich über den gesamten Tag erstreckten. Unter anderem brachten die Angeklagten ihren Mitgefangenen zum Erbrechen und zwangen ihn, von dem Erbrochenen zu essen. Außerdem musste er Speichel des Angeklagten I. vom Toilettenrand ablecken und Urin sowie Speichel der Angeklagten trinken. Darüber hinaus musste er bei dem Angeklagten I. mindestens zwei Mal den Oralverkehr ausführen. Dabei ging es dem Angeklagten nicht um sexuelle Befriedigung, sondern um die Demütigung des Opfers. Im Anschluss an den Oralverkehr führten die Angeklagten K. und I. einen Handfeger mit einem am Ende spitz zulaufenden und rissigen Holzgriff mindestens 6 cm tief in den After des Opfers ein, was zu massiven und stark blutenden Verletzungen führte. Den Stiel des Handfegers musste der Geschädigte ablecken. Im weiteren Verlauf überlegten die Angeklagten, ob sie ihn töten sollten. Dazu erstellten sie eine Liste, auf der sie das Für und Wider der Tötung notierten. Als Nachteile wurden u.a. vermerkt, dass man bei vier Leuten mehr Einkauf beziehen könne und es für Körperverletzung eine geringere Strafe als für Mord gebe. Als Vorteile wurden vor allem die Möglichkeit einer schnelleren Entlassung sowie der Umstand gesehen, dass der Geschädigte dann nichts mehr von seinen Misshandlungen berichten könne. Ergebnis der „Für-und-Wider-Liste” war, dass aus Sicht der Angeklagten mehr Argumente für eine Tötung sprachen. Es wurde durch Abstimmen per Handzeichen beschlossen, den Geschädigten „wegzuhängen”. Die Tötung sollte als Selbstmord getarnt werden, um einen Haftschaden in Form eines Schocks bzw. einer psychischen Traumatisierung simulieren zu können und auf diese Weise eine vorzeitige Haftentlassung zu erreichen. Die Gespräche der Angeklagten hierüber sowie das Erstellen der „Für-und-Wider-Liste” verfolgte der Geschädigte von seinem Bett aus. Um im Falle seines angeblichen Suizides die auf Grund der vorangegangenen Misshandlungen bereits zu diesem Zeitpunkt bei dem Geschädigten deutlich erkennbaren Verletzungen an Körper und Gesicht erklären zu können, ersannen die Angeklagten einen Vorwand, ihn verprügeln zu können. Sie zwangen ihn, aus dem Fenster heraus ausländische Mitgefangene zu beleidigen, wobei sie ihm den Wortlaut der Beschimpfungen vorgaben. Wie von den Angeklagten erwartet wurden sie als Zellengenossen von den ausländischen Mitgefangenen aufgefordert, den Geschädigten durch Schläge für seine Beschimpfungen zu bestrafen. Die Angeklagten kamen dieser Aufforderung nach, indem sie ihre Fäuste mit Handtüchern umwickelten und dem Geschädigten mehrere Faustschläge ins Gesicht versetzten. Die sich daran anschließenden Versuche, ihn zu erhängen, wurden dadurch eingeleitet, dass ihm die Angeklagten A. und I. im Einzelnen nicht mehr nachvollziehbare Passagen aus der Bibel vorlasen. Mehrere Erhängungsversuche mit einem Antennenkabel und einem Stromkabel scheiterten. Die Angeklagten befragten den durch den Sauerstoffentzug benommenen und torkelnden Geschädigten nach dessen Nahtoderfahrungen. Schließlich erhängten sie ihn mit einem aus einem Bettlaken gefertigten mehrfach verknoteten Strick an der Tür zum Toilettenraum, den sie an dessen Ende gemeinsam ergriffen und festhielten, bis der Tod durch Erdrosseln eingetreten war. Am darauf folgenden Morgen meldeten sie den Tod ihres Mitgefangenen und gaben vor, dieser habe sich das Leben genommen.” [8]
Nun könnte es sein, dass ja der eine oder andere Leser Fragmente dieser perversen Tat noch erinnert, weshalb Prantl ebenso beschwichtigend wie eilfertig befindet:
„Es gibt keinen Zweifel daran, dass es sich um eine extreme Gewalttat gehandelt hat, die eine Höchststrafe verdient.”
Das aber entpuppt sich als hohle Phrase.
Tatsache ist: Das Landgericht Bonn verhängte gegenüber Pascal I. bei seinem ersten Urteil im Jahr 2007, das nach dem Erwachsenenstrafrecht gefällt wurde, für den grausamen Mord an dem Mithäftling Hermann Heibach, für gefährliche Körperverletzung in 5 Fällen, für Vergewaltigung in 2 Fällen sowie für besonders schwere Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung eine Gesamtfreiheitsstrafe von nur 15 Jahren.
“Höchststrafe”, wie Prantl formuliert, hätte dagegen sein können: lebenslange Haft. Selbst bei lebenslanger Haft kann die Strafe allerdings nach 15 Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden, was nicht selten geschieht. So liegt die durchschnittliche Haftdauer von Lebenslänglichen in Deutschland bei 17 bis 20 Jahren [9]. Also selbst “lebenslänglich” bedeutet nicht, dass der Beschuldigte “für immer” hinter Gitter kommt.
Wird zur lebenslangen Haft eine “besondere Schwere” der Schuld festgestellt, kann die Strafe nicht nach 15 Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden. Die besondere Schwere der Schuld ist festzustellen, wenn gegenüber vergleichbaren Taten ein deutlich höheres Maß an Schuld vorliegt - etwa aufgrund erbarmungsloser Brutalität, höchst grausamer bzw. qualvoller Behandlung des Opfers [9]. Die durchschnittliche Haftzeit verlängert sich in diesem Fall aber auch nur auf 23 bis 25 Jahre.
Im November 2007 wollte der Vorsitzende Richter der 8. Großen Strafkammer des Bonner Landgerichts, Dr. Volker Kunkel, aber weder eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängen, noch wollte er die Tat in so erbarmungsloser Brutalität, und höchst grausamer bzw. qualvoller Behandlung des Opfers verübt sehen, dass sich daraus eine besondere Schwere der Schuld hätte ableiten lassen. Ja selbst die Prüfung einer anschließende Sicherungsverwahrung auf die letztlich von ihm verhängten 15 Jahre Freiheitsstrafe erschien ihm nicht erforderlich:
“Es bestehe trotz ‚großer Bedenken’ die begründete Hoffnung, dass beide [Pascal I. und Mittäter Ralf A.; Anm.moritatensaenger] wieder in die ‚Gesellschaft eingegliedert’ werden könnten, zumal sie während der Untersuchungshaft Vater wurden, sagte der Richter.” [7].
Ein weiterer Grund für Richter Kunkel, sich auf das milde Strafmaß zu beschränken, war, dass Pascal I. sich in der JVA zu einem Anti-Aggressionskurs angemeldet hätte.
Nun kann man darüber streiten, in wie weit sich das Schwängern einer Freundin -von “Vater” werden im Sinne von Verantwortlichkeit für Kind und Familie zeigen kann da ja zunächst nicht gesprochen werden- in wie weit sich also eine Schwangerschaft als bloßes Ergebnis eines Geschlechtsakts bei der Vita des Täters als positiver Faktor auswirkt, der eine Eingliederung in die Gesellschaft begründet in Aussicht stellt.
Aber selbst aus höchstrichterlicher Sicht unstreitbar unannehmbar war die Position des Bonner Richters, es sei eine positive Entwicklung zu erkennen, weil der Täter einen “Anti-Aggressions-Kurs” belegt hätte. Zwar hatte er sich tatsächlich zu so einem Kurs in der JVA angemeldet, danach aber trotzdem den Folter-Mord an seinem Mitgefangenen verübt. Nicht zuletzt das war einer der Gründe, warum der BGH das Urteil von Richter Kunkel aufgehoben hat:
“Es handele sich um bloße Hoffnungen auf eine Resozialisierung des Angeklagten, die durch Tatsachen nicht belegt seien. So sei z.B. die vom Landgericht festgestellte Anmeldung zu einem Anti-Aggressions-Training bereits vor der Tat erfolgt, so dass dieser Umstand nicht geeignet ist, auf ein nunmehr vorhandenes Problembewusstsein des Angeklagten zu schließen.” [6]
Außerdem bemängelte der 2.Strafsenat des BGH, unter Vorsitz von Richterin Dr. Ruth Rissing-van Saan, in scharfen Worten:
“Nach Ansicht des Senats sind die vom Landgericht für das Absehen von der Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe herangezogenen Gründe nicht hinreichend tragfähig. [...] Darüber hinaus hat es das Landgericht auch zu Unrecht unterlassen, einen Vorbehalt der Sicherungsverwahrung zu prüfen. Die Voraussetzungen des § 106 Abs. 3 Satz 2 und 3 JGG liegen hier vor.”
Nun, der BGH hat also das Urteil weitestgehend gekippt und “die Sache an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen”. Trotzdem konnte sich der dortige Kollege von Dr. Volker Kunkel, der den Fall in den kritisierten Punkten neu zu beurteilen hatte, nicht entschließen, wesentliches am Strafmaß zu ändern. Richter Theodor Dreser schloss eine Verurteilung zu einer lebenslangen Haftstrafe aus, weil auch er -wie Kunkel- “zu dem Schluss gekommen [sei], es gäbe erste Anzeichen, dass er [Pascal] sich noch zum Positiven entwickeln könnte” [10]. Die Prüfung auf Sicherungsverwahrung ordnete er zudem nicht sofort an, sondern legte sie an das Ende der Haftzeit, wo dasselbe Gericht dann im fernen Jahr 2017 (und der Bürger ist vergesslich) darüber entscheidet, ob die Voraussetzungen zur Sicherungsverwahrung vorliegen.
Abschließend
Alles das, was Sie, lieber Leser, aus den letzten Zeilen entnehmen konnten, sind Informationen, die man sicher immer noch in der einen oder anderen Richtung auslegen kann. Man kann sich Richter Kunkel oder Richter Dreser anschließen, oder man kann der Meinung sein, dass hier Justitia tatsächlich von völliger Blindheit geschlagen war. Aber es liegt, so oder so, in Ihrer Hand sich zu entscheiden. Das aber was Heribert Prantl als Kommentar abgeliefert hat, ist ein journalistischer Offenbarungseid. Seinen Platz haben dürfte derartiges an vielen Orten in der Medienwelt, wo man den Leser als beliebig manipulierbaren Narren betrachtet. Aber in der Süddeutschen?
Mit tönendem Gruß
Ihr moritatensaenger
[1] http://www.sueddeutsche.de/panorama/325/467895/text/
[2] zum wiederholten Mal: Dr. jur. Prantl, ist ehemaliger Richter und Staatsanwalt!!
[3] http://www.knast.net/article.html?id=683
[4] http://www.justiz.nrw.de/BS/Justizvollzug/Sicherungsverwahrung_12/index.php
[5] “Straftäter, die keinerlei Hoffnung mehr haben, sind unzugängliche Straftäter, sie haben nichts mehr zu verlieren; sie sind gefährlicher als alle anderen Häflinge. Das ist nicht unbedingt ein ethisches, aber ein vollzugspraktisches Argument. Es läuft darauf hinaus, auch in extremen Fällen Sicherungsverwahrung nur “unter Vorbehalt” zu verhängen, sie also davon abhängig zu machen, wie sich der Straftäter im Lauf der Haftjahre verhält.” (Heribert Prantl; Hervorhebung durch moritatensaenger)
[6] http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=2008&Sort=3&Seite=47&nr=44898&linked=pm&Blank=1
[7] http://www.stern.de/panorama/:Foltermord-Siegburg-Die-Jugend-Pascal-I./600833.html
[8] http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=2008&Sort=3&Seite=47&nr=45319&pos=1426&anz=3620
[9] http://de.wikipedia.org/wiki/Lebenslange_Freiheitsstrafe#Gesetzliche_Regelung
[10] http://de.reuters.com/article/worldNews/idDEBEE5470E720090508
PS: Wer noch etwas über milde Urteile lesen möchte, der kann sich über den Fall einer 16-jährigen informieren, die von ihrem Freund (Alan M.), den sie verlassen wollte, unter einem Vorwand an einen Ort locken ließ, wo er mit zwei maskierten Freunden auf sie wartete, man sie zusammenschlug, sie würgte und dann, als sie sich nicht mehr bewegte, einen Abhang hinunter warf. Die Anklage lautete auf versuchten Mord, heraus kam eine Verurteilung wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung:
“Das Gericht ging in der Urteilsbegründung jedoch zugunsten von Alan M. davon aus, dass dieser den Entschluss, die junge Frau zu töten erst fasste, als er sie bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt hatte. Er sei mit der Situation überfordert gewesen.”
Strafmaß: Vier Jahre und neun Monate Jugendstrafe
Richter: Dr. Volker Kunkel (Sie erinnern sich?)
Bleibt zu hoffen, dass der jugendliche Täter durch die Überforderung in der geschilderten Situation kein Traum erlitten hat.
Quellen dazu:
http://www.express.de/nachrichten/region/bonn/vanessa-16-gequaelt-und-in-tiefe-gestossen_artikel_1215623670792.html
http://www.express.de/nachrichten/region/bonn/mordversuch-vanessa-16-abhang-hinuntergeworfen_artikel_1225960026767.html
http://www.express.de/nachrichten/region/bonn/ueber-vier-jahre-knast-fuer-stoss-in-die-tiefe_artikel_1232797002947.html
3 Reaktionen zu ““Der Mensch ein Monster?”…..der Leser ein Narr?”
Lieber Autor,
da ich mich selbst wissenschaftlich mit dem Prozess gegen Pascal I. beschäftigt habe, bin ich erschüttert über die verzerrenden und teils gravierend falschen Dinge, die Sie hier verbreiten.
Ich beschränke mich mal auf die falschen Tatsachendarstellungen:
Sie schreiben etwa:
“Tatsache ist: Der Täter von Siegburg war nicht zufällig in der Zelle, in der er den bestialischen Mord verübte. Er war dort, weil ihm zu diesem Zeitpunkt bereits “gefährliche Körperverletzung in 5 Fällen, Vergewaltigung in 2 Fällen sowie besonders schwere Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung” [6] vorgeworfen wurde.”
Das ist kompletter Unsinn! Er saß wegen Körperverletzung. Die Körperverletzungen und Vergewaltigung hatte er in den Stunden vor dem Mord begangen und wurde deshalb dann im JVA-Siegburg-Prozess zeitlichgleich mit dem Mord verurteilt. Deswegen saß er folglich nicht, sondern wegen weit weniger gravierender Delikte.
Sie schreiben weiter:
“Die Prüfung auf Sicherungsverwahrung ordnete er zudem nicht sofort an, sondern legte sie an das Ende der Haftzeit, wo dasselbe Gericht dann im fernen Jahr 2017 (und der Bürger ist vergesslich) darüber entscheidet, ob die Voraussetzungen zur Sicherungsverwahrung vorliegen.”
Sie versuchen hier - manipulativ - den Eindruck zu erwecken, dass man die Sicherungsverwahrung auf die lange Bank geschoben hat. Tatsache ist aber: Das Gesetz kennt bei Heranwachsenden nur die nachträgliche oder vorbehaltene Sicherungsverwahrung, eine Anordnung schon im Urteil ist hier gar nicht möglich.
Es wäre sicherlich für zukünftige Artikel gut, wenn Sie sich besser informieren, gerade wenn Sie andere kritisieren.
Zu den übrigen Punkten will ich mal nichts sagen. Zwar ist die Darstellung auch dort in vielen Punkten schief, aber ok.
Es grüßt dennoch freundlich,
P. Hansen
Werter P.Hansen,
nichts ist mir hier auf suedwatch.de lieber, als mit aufmerksamen Lesern konfrontiert zu werden. Selbst wenn dabei auch Fehler in meiner Berichterstattung zu Tage treten. Womit wir gleich beim Thema wären: Ja, Sie haben Recht, meiner Darstellung…
“Tatsache ist: Der Täter von Siegburg war nicht zufällig in der Zelle, in der er den bestialischen Mord verübte. Er war dort, weil ihm zu diesem Zeitpunkt bereits “gefährliche Körperverletzung in 5 Fällen, Vergewaltigung in 2 Fällen sowie besonders schwere Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung” [6] vorgeworfen wurde.”
…liegt ein Recherchefehler zugrunde. Allerdings fand ich auch bei meinen heutigen Nachforschungen keine zitierfähigen Angaben zu dem/den Urteil/en, die Pascal I. denn tatsächlich in das Gefängnis brachten, in dem er dann seine -bislang- letzten Gewaltdelikte und den Mord verübte. Ich hätte mir hier eigentlich von Ihnen im Rahmen Ihrer Kritik an meinem Beitrag Aufklärung erhofft, zumal nachdem Sie sich ja, wie Sie schreiben, wissenschaftlich mit dem Prozess befasst haben. Aus diesem Grund würde ich mich freuen, wenn Sie mir und den anderen Lesern entgegen kämen und hier im Kommentarbereich darüber aufklärten, aufgrund welcher Straftaten (die Sie als “weniger gravierende Delikte” bezeichnen) Pascal I. zum Zeitpunkt der unter Anmerkung [6] in meinem Beitrag belegten Anklagen dann wirklich in Siegburg einsaß (ich bitte nur, dabei belegende Quellenangaben zu verwenden).
Letztere, also die Quellenangaben, fehlen in Ihrer vorliegenden, ansonsten akzeptablen Kritik auch in Bezug zu dem anderen Punkt meines Beitrags, dem Sie sich widmen, wobei ich überzeugt bin, dass Ihnen der Beleg als Bestandteil wissenschaftlichen Arbeitens…
“Es entspricht den allgemeinen Gepflogenheiten wissenschaftlichen Arbeitens - stellt zudem ein Kriterium von Wissenschaftlichkeit dar -, den Gebrauch fremden Materials auszuweisen. Die Formen, mit denen sichergestellt werden kann, daß fremdes Material in jedem Fall unmißverständlich erkennbar bleibt, nennen wir Beleg. [...] Der Beleg erfüllt in formaler Hinsicht eine doppelte Funktion:
-er ermöglicht die Unterscheidung zwischen eigenem und fremdem Gedankengut,
-er garantiert die Nachprüfbarkeit des fremden Gedankenguts.” (”Die Technik wissenschaftlichen Arbeitens” UTB Uni-Taschenbücher; Prof.Dr. Georg Rückriem, Joachim Stary, Norbert Franck; 2.Auflage 1980; Abschnitt 5.4.1.; Seite 187; letzte Hervorhebung durch Moritatensaenger)
…nicht fremd sein dürfte. Sie schreiben…
“Das Gesetz kennt bei Heranwachsenden nur die nachträgliche oder vorbehaltene Sicherungsverwahrung, eine Anordnung schon im Urteil ist hier gar nicht möglich.”
…und ich will Ihnen das auch gern glauben. Trotzdem würde ich diese Aussage gern nachprüfen. Heribert Prantl jedenfalls -und Sie wissen er ist Fachmann, nämlich ehemaliger Staatsanwalt und Richter- stellt das anders dar und ich habe -auch das muss ich als Fehler einräumen- diese seine Darstellung (die ich für jeden nachlesbar gleich zu Beginn des kritisierten Blogbeitrags zitierte) nicht weiter überprüft. Den von Ihnen deshalb gegen mich erhobenen Vorwurf manipulativer Berichterstattung reiche ich demnach gern an Prantl weiter, denn der hat -sofern Ihre Behauptung den Tatsachen entspricht- als Fachmann wissentlich -und deshalb tatsächlich “manipulativ”- versucht…
“Darf man einem heute 21-Jährigen attestieren, dass er sich nie mehr ändern wird? Das Gericht hat das nicht getan. Es hat sich den Ausspruch einer Sicherungsverwahrung für später vorbehalten.”
…einen -nach Ihrer Darstellung- nicht den Gegebenheiten entsprechenden Eindruck zu erwecken. Prantls Worte nämlich (die Sie aber seltsamerweise nicht kritisieren) sind es, die implizieren, es hätte die Möglichkeit der Verhängung der Sicherheitsverwahrung bereits “im Urteil” gegeben.
Wie auch immer, Sie sehen nun am eigenen Beispiel wie leicht es ist, als Kritiker seine berechtigte Kritik durch handwerkliche Fehler beinahe zu entwerten. Was allerdings kritische Begleitung durch aufmerksame Leser nur noch notwendiger werden lässt. In diesem Sinne bedanke ich mich für Ihren Kommentar und freue mich auf die erbetenen Belege.
Mit tönendem Gruß
Ihr Moritatensaenger
Hallo Herr Moriatensaenger,
wenn Sie erfahren möchten, wegen welcher Delikte - und zwar ganz konkret - Pascal I. einsaß, dann können Sie dies hier nachlesen:
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/bonn/lg_bonn/j2009/22_KLs_38_08urteil20090508.html
Das ist nämlich das kommentierte Urteil. Da steht eigentlich alles drin.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Michael Hansen