Süddeutsche Ostern
27. April 2011 von Jaspis
Kirche und christlicher Glaube sind gerade nicht chic und natürlich folgt auch die Süddeutsche stramm dem Trend. Ganz im Mainstream wird gegen (am liebsten) die Katholische Kirche gewettert, wird ein Bischof zu Fall gebracht und dient der christliche Glaube gerade einmal als Aufhänger für flapsige Stories und wirre Vergleiche. Etwa die des Heribert Prantl,[1] der, offenbar in Ermangelung zündender Ideen, wie man die Osterwochenendausgabe füllen könnte, den Ostergedanken überall hineininterpretiert, ob das nun passt oder nicht.
Wenn man Ostern so versteht, dann ist die Welt gerade in diesem Jahr voller Ostern. Die Bilder vom Tahrir-Platz in Kairo, von den Jugendlichen in Bengasi, in Sanaa und Damaskus sind österlich.
Ostern ist, wenn die Menschen wieder aufrecht gehen können. Das ist nicht Blasphemie, das steht so auch in der Bibel.
erklärt uns Hobby-Theologe Heribert Prantl,
Es wird nämlich dort derselbe Wortstamm “Auferstehung” und “Auferweckung”, der das österliche Geschehen benennt, auch dann verwendet, wenn es um das Aufrichten von Kranken und Blinden geht. “Steh auf, er ruft Dich”, heißt es da. Steh auf! Das Bild von der Auferstehung hat hier eine individuelle Dimension.
Deshalb passt das Ganze bei ihm eben auch gleich für die Energiewende und für Stuttgart 21 und fürs Älterwerden. Eigentlich überhaupt für alles.
Sind das die falschen Osterbilder? Zurück zur klassisch-biblischen Ostergeschichte: Da gesellt sich der auferstandene Jesus zu seinen Jüngern, die ihn nicht erkennen und sich mit ihm über seine Kreuzigung unterhalten. Erst beim gemeinsamen Abendessen im Ort Emmaus gehen ihnen, wie es im Evangelium heißt, “die Augen auf”. Auch das ist Ostern: Wenn einem die Augen aufgehen.
Und all diese Verrenkungen nur deshalb, weil der Haus-Experte mit dem Thema Auferstehung - dem zentralen Punkt der christlichen Heilslehre übrigens - offensichtlich nichts anfangen kann:
Ostern ist das älteste Fest der christlichen Geschichte, und es ist das höchste in der liturgischen Rangordnung. Ostern ist aber bei weitem nicht so populär wie Weihnachten; das hat damit zu tun, dass zwar jeder weiß, was eine Geburt ist, dass sich aber kaum einer eine Auferstehung vorstellen kann.
Das Neue Testament ist da keine Hilfe. Während dort die Geburt im Stall zu Bethlehem anschaulich und anrührend ausgemalt wird, schweigen sich alle Evangelisten über die Auferstehung des toten Gekreuzigten aus. Diese Auferstehung wird von ihnen nicht beschrieben, sondern nur angekündigt oder als vollzogen vermeldet; faktisch bleibt sie unsichtbar.
Eine wahrhaft bestechende Logik. Allerdings verhält es sich mit der so “anschaulich und anrührend ausgemalten” Schilderung Christi Geburt nicht viel anders: Von Marias Geburtswehen ist ebensowenig überliefert wie etwa vom Durchtrennen der Nabelschnur. “Faktisch” blieb auch das alles unsichtbar. Ich mag mir gar nichts vorstellen, was Prantl darin nun alles hineininterpretiert.
Da nun schon der allwissende SZ-Guru nichts Erhellendes zum Thema Ostern beitragen konnte, und weil die christlichen Kirchen “out” sind, der Islam dagegen gerade mega-”in”, durfte ein anderer “Experte” ran: “Experte Mustafa Al-Slaiman” erzählt den mehr oder weniger gläubigen Christen, was Sache ist: [2]
Was für eine Art “Experte” Mustafa Al-Slaiman eigentlich sein soll, wird dem Leser nicht mitgeteilt. Lediglich am Schluss des Textes erfährt man, dass er ein Übersetzer und Germanist ist. Das scheint für die Süddeutsche Zeitung mittlerweile zu genügen, um als “Experte” für alle Lebenslagen zu gelten.
Mustafa Al-Slaiman erzählt den SZ-Lesern über Abweichungen des islamischen vom christlichen Glauben:
“Er ist Allah, der Einzige, Allah, der Unabhängige und von allen Angeflehte. Er zeugt nicht und ward nicht gezeugt; und keiner ist ihm gleich.” (Sure 112, 2-5)
kurzum:
Mit diesen Versen, die für Shtaiwi bedeuteten, dass es nur einen Gott gab und die Propheten auch Menschen sind, bezieht der Koran zugleich eindeutig Position im Diskurs über die Natur Jesu, der diesen Zeilen zufolge nicht von Gott gezeugt wurde.
Als Erklärung für diese Ansicht liefert Al-Slaiman unterschiedlich herrschende Auffassungen und das tiefe Bedürfnis Mohammeds, die christliche Lehre in Schutz zu nehmen.
Eine Ursache des Streits war die in Konstantinopel und Alexandria erbittert geführte Diskussion über die Mutter Jesu, Maria. Nestorius, der 428-431 Patriarch von Konstantinopel war, vertrat die Auffassung von Maria als Christusgebärerin, nicht als Gottesgebärerin. Für diese Ansicht wurde er auf dem Konzil von Ephesus im Jahr 431 seines Amtes enthoben und vier Jahre später von Kaiser Theodosius II. verbannt. Es ist nicht auszuschließen, dass sich Waraqa Ibn Naufal mit dem Streit befasste und diesen auch Mohammed vermittelte.
Was also liegt bei diesem edlen Ansinnen näher, als 600 Jahre nach den Ereignissen einfach die Geschichte umzuschreiben?
Der Koran sieht im Islam keine Alternative zum Christentum, sondern vielmehr ein neues Verständnis auf der Basis einer Diskussion, die über 150 Jahre zuvor begonnen hatte.
Das ist zwar nett gesagt von Mustafa Al-Slaiman. Aber ganz offensichtlich ist das Christentum mit diesen “Diskussionsanregungen” ebensowenig einverstanden wie von
Der Islam sieht in Jesus einen Propheten, dessen Mutter Maria ist und dessen Wort das Wort Gottes und der Wahrheit ist. In Sure 19/35 heißt es: “So ist Jesus, Sohn der Maria - eine Aussage der Wahrheit, über die sie uneins sind.” Damit geht der Koran auf die unterschiedlichen Vorstellungen in jener Zeit ein.
Denn letztlich rütteln Mohammeds Vorstellungen an der Basis des christlichen Glaubens:
Darüber hinaus weicht das Bild Jesu im Islam auch in der Frage der Kreuzigung von der christlichen Vorstellung ab. Der Islam empfindet die Kreuzigung als Erniedrigung des Propheten und Gottes zugleich, denn Gott durfte nach dem islamischen Verständnis nicht zulassen, dass sein Prophet gepeinigt und getötet wird. Während der Islam Maria die Unschuld zuspricht und sie vor den sogenannten Ungläubigen beschützt, betont er auch, dass die Kreuzigung nicht stattgefunden habe.
Der “Beweis”:
Sure 4/157-158 besagt: “Und ihres Unglaubens willen und wegen ihrer Rede - einer schweren Verleumdung gegen Maria; und wegen ihrer Rede: ,Wir haben den Messias, Jesus, den Sohn der Maria, den ‘Gesandten’ Allahs, getötet’; während sie ihn doch weder erschlugen noch den Kreuzestod erleiden ließen, sondern er erschien ihnen nur gleich (einem Gekreuzigten); und jene, die in dieser Sache uneins sind, sind wahrlich im Zweifel darüber; sie haben keine (bestimmte) Kunde davon, sondern folgen bloß einer Vermutung; und sie haben darüber keine Gewissheit. Vielmehr hat ihm Allah einen Ehrenplatz bei sich eingeräumt (…).”
Sinnigerweise geht Al-Slaiman dabei aber noch nicht einmal auf die unterschiedlichen Interpretationen des Korans zu diesem Thema ein. Stattdessen konstruiert er weiter:
Besonders deutlich wird der Zusammenhang zwischen Bibel und Koran in der Sure 4/172, in der es heißt: “Oh Volk der Schrift, übertreibt nicht in eurem Glauben, und sagt von Allah nichts als die Wahrheit. Der Messias, Jesus, Sohn der Maria, war nur ein Gesandter Allahs und eine frohe Botschaft von Ihm, die er niedersandte zu Maria, und eine Gnade von Ihm. Glaubet also an Allah und seine Gesandten, und sagt nicht: ,Drei’. Lasset ab - ist besser für euch. Allah ist nur ein einiger Gott. Fern ist es von seiner Heiligkeit, dass er einen Sohn haben sollte. Sein ist, was in den Himmeln und was auf Erden ist; und Allah genügt als Beschützer.”
Nützlich wäre hier die Kenntnis, dass Christen überhaupt nicht drei Götter anbeten, sondern nur einen, dreieinigen Gott. Diese Unkenntnis ist für einen muslimischen Übersetzer und Germanisten vielleicht ebenso lässlich wie der Versuch, Jesu Leidensbereitschaft mit Mohammeds Kampfaufruf gleichzusetzen,
Er [Jesus] bekämpfte Gewalt mit Barmherzigkeit, Fanatismus mit Toleranz, Egoismus mit Nächstenliebe, Unterdrückung mit Opferbereitschaft. Er lehnte Macht und Reichtum ab und betrachtete sich als Prophet der Armen. Im Islam gilt das ebenfalls. Diesen Weg wollte auch Mohammed zur Verbreitung seiner Botschaft gehen.
Erst als ihn die Koreischiten gewaltsam davon abbringen wollten, begann Mohammed über das Märtyrertum nachzudenken und die Gläubigen zur Kampfbereitschaft aufzurufen. Dieser Sinneswandel mag darin begründet gewesen sein, dass die Staatsgründung zu scheitern drohte.
bis hin zu der These
Der Koran stellt eine Verbindung zum Christentum her und sucht die Bestätigung im Wort Jesu, der die Ankunft des Propheten Mohammeds, auch Ahmad genannt, ankündigt.
wobei Al-Slaiman zu erwähnen “vergisst”, dass derlei Ankündigungen erst 600 Jahre nach Christus, nämlich im Koran, auftauchten. In der Bibel finden sie sich jedenfalls nicht.
Relevant wird das aber dann, wenn dieser Übersetzer und Germanist als “Experte” (für was auch immer) präsentiert wird. Den Standpunkt der einen Religion - oder auch seine persönliche Meinung - zu schildern ist eine Sache. Aber dabei der anderen Religion Interpretationen unterzuschieben, um eine Aussage zu konstruieren, die so nicht passt, ist eine im Hause SZ leider nur zu häufige Erscheinungsform von unwissender Besserwisserei.
Da steht sie nun also da, die Süddeutsche Zeitung, hat keine Ahnung, was sie mit diesem Osterfest nun eigentlich anfangen soll und was es mit Ostern eigentlich wirklich auf sich hat. Kurt Kister [3] stellt fest,
Wenn einem die Frage gestellt wird: “Was machen Sie zu Ostern?”, will der Fragende praktisch nie wissen, ob man in die Ostermesse geht oder Karfreitag fastet. Nein, erwartet wird eher die Auskunft, dass es im April zwar in der Toskana noch kühl sein kann, aber dafür das Licht ganz besonders ist. Und wer es Ostern wärmer haben will, kann ja nach Tunesien fliegen.
Die meisten aber sitzen in absurd bunten Wursthäuten auf Fahrrädern oder haben sich in Tchibo-Wanderklamotten geschmissen. Geht man übrigens zu Ostern in die Kirche, begegnet man dort keinen Wursthaut-Sportlern oder Cargohosen-Freizeitlern. Kirche hat in vielerlei Hinsicht etwas für sich.
Aber auf die Idee, einen zu fragen oder gar zu zitieren, der wirklich Erhellendes zum Thema beitragen könnte, kommt in der ganzen Redaktion keiner. Dabei gäbe es da schon ein paar. Allen voran einen, der erst kürzlich ein Buch dazu herausgegeben hat: “Jesus von Nazareth - Zweiter Teil: Vom Einzug in Jerusalem bis zur Auferstehung” heißt es und geschrieben hat es kein geringerer als Papst Benedikt XVI. [4]
Nun, in der Tat: Wenn es sich bei der Auferstehung Jesu nur um das Mirakel einer wiederbelebten Leiche handeln würde, ginge sie uns letztlich nichts an. Dann wäre sie nicht wichtiger, als die Wiederbelebung klinisch Toter durch die Kunst der Ärzte es ist. An der Welt als solcher und an unserer Existenz hätte sich nichts geändert. Das Mirakel einer wiederbelebten Leiche würde besagen, dass Jesu Auferstehung dasselbe war wie die Erweckung des Jünglings von Naïn (Lk 7,11–17), der Tochter des Jaïrus (Mk 5,22ff.35–43 par.) oder des Lazarus (Joh 11,1–44).
Nach einer mehr oder weniger kurzen Frist kehrten diese in ihr bisheriges Leben zurück, um dann irgendwann später endgültig zu sterben. Die neutestamentlichen Zeugnisse lassen keinen Zweifel daran, dass mit der „Auferstehung des Menschensohns“ etwas ganz anderes sich ereignet hatte. Jesu Auferstehung war der Ausbruch in eine ganz neue Art des Lebens, in ein Leben, das nicht mehr dem Gesetz des Stirb und Werde unterworfen ist, sondern jenseits davon steht – ein Leben, das eine neue Dimension des Menschseins eröffnet hat.
Statt dessen präsentiert die Süddeutsche Zeitung ausgerechnet am Karsamstag, dem für gläubige Christen traurigsten Tag - Jesus war gekreuzigt, aber noch nicht wieder auferstanden - in ihrer Osterausgabe den “Experten”, der erklärt:
dass die Kreuzigung nicht stattgefunden habe.
eine etwas andere Sicht auf den Mann, der vor fast zwei Jahrtausenden auferstanden sein soll
Man kann es auch übertreiben mit der Gier nach Mainstream und Verkaufszahlen.
Jaspis
[1] http://www.sueddeutsche.de/politik/botschaft-des-umbruchs-wir-sind-ostern-1.1088533
[2] http://www.sueddeutsche.de/kultur/christentum-im-koran-wie-der-islam-jesus-wirklich-sieht-1.1088534
[3] http://www.sueddeutsche.de/kultur/deutscher-alltag-heiligs-festle-1.1088277
[4] http://www.kath.net/detail.php?id=30841&print=yes
1 Reaktion zu “Süddeutsche Ostern”
“Jesu Auferstehung war der Ausbruch in eine ganz neue Art des Lebens, in ein Leben, das nicht mehr dem Gesetz des Stirb und Werde unterworfen ist, sondern jenseits davon steht – ein Leben, das eine neue Dimension des Menschseins eröffnet hat.”
Da hat sich die SZ aber wirklich was entgehen lassen.
“Stirb und Werde”, das heißt doch Wiedergeburt. Jesu Auferstehung hat die Wiedergeburt beendet?
Das Schlimme ist, ich verstehe sogar, was damit gemeint ist, letztlich der Beginn nachhaltigen Fortschritts. Wird etwas selbstbezüglich, wenn man das den Beginn des Christentums nennt. Wenn man die politische Komponente wegläßt, die Wiedergeburt der Verantwortung vielleicht. So ganz vollzogen ist sie aber immer noch nicht.