“Wer sich für die Verbreitung oder Unterdrückung von Nachrichten bestechen lässt, handelt unehrenhaft und berufswidrig.”
25. April 2011 von moritatensaenger
So lautet der letzte Satz in Ziffer 15 des Pressekodex des Deutschen Presserates. Die gesamte Ziffer bestimmt [1]:
“Die Annahme von Vorteilen jeder Art, die geeignet sein könnten, die Entscheidungsfreiheit von Verlag und Redaktion zu beeinträchtigen, sind mit dem Ansehen, der Unabhängigkeit und der Aufgabe der Presse unvereinbar. Wer sich für die Verbreitung oder Unterdrückung von Nachrichten bestechen lässt, handelt unehrenhaft und berufswidrig.”
Vermutlich kennt Gabriela Herpell, die für das SZ-Magazin schreibt, diesen harten Passus des Kodex. Und vermulich kennt sie auch die Richtlinien zu Ziffer 15, in denen es besänftigend weiter heißt (u.a.) [2]:
“Wenn Journalisten über Pressereisen berichten, zu denen sie eingeladen wurden, machen sie diese Finanzierung kenntlich.”
Gabriela Herpell hat nämlich für das SZ-Magazin aus Myanmar berichtet [3]…
, …wo der italienische Edelweber Loro Piana [4] ein sagenumwobenes Seidengarn spinnen und zu Tuch verarbeiten lässt. Nun könnte man eingedenk der Mühen einer derartigen Reportage beeindruckt die Augenbrauen lupfen, wenn nicht ziemlich am Anfang des Artikels ein ernüchternder Satz stehen würde:
“…wir, eine Gruppe internationaler Journalisten, sind vom italienischen Wollhersteller und -händler Loro Piana eingeladen, weil er uns am Inle-See im Landesinneren seine neue Entdeckung für den Weltmarkt zeigen möchte: Lotusseide.” (Hervorhebung Moritatensaenger)
“Komisch”, denkt da der unbedarfte Leser, “könnte das nicht zu einem journalistischen Interessenkonflikt führen? Gar gegen den Pressekodex verstoßen?”. Denn tatsächlich, Sie werden es kaum glauben, entpuppt sich die vorliegende Reportage als durchweg freundliche Betrachtung des unternehmerischen Unterfangens jenes renomierten piemonteser Webers, um nicht zu sagen: als roter Teppich für dessen Bemühungen, dem sündteuren Tuch einen Markt zu schaffen. Aber keine Aufregung: Ein Interessenkonflikt ist Ansichtssache und die gnädigen Richtlinien zu Ziffer 15 des Pressekodex verlangen, Sie erinnern sich, lediglich, dass die Einladung zu einer Pressereise kenntlich gemacht werden muß. Und dem ist Frau Herpell ja, siehe Zitat, sozusagen schon zu Beginn Ihres Textes gewissenhaft und juristisch unangreifbar nachgekommen. Wer sollte sich da noch Gedanken darüber machen, dass eine gefällig formulierte Reportage, bei der allein der vom einladenden Unternehmen bezahlte Flug einen mittleren vierstelligen Betrag verschlingen kann…
(von der Unterbringung und sonstigen Spesen ganz zu schweigen), …in einem seriösen Magazin einer seriösen Tageszeitung …. fehl am Platz sein könnte. Bei der SZ bereitet das jedenfalls keinem Kopfzerbrechen.
Mit tönendem Gruß
Ihr Moritatensaenger
[1] http://www.presserat.info/inhalt/der-pressekodex/pressekodex.html
[2] http://www.presserat.info/inhalt/der-pressekodex/pressekodex/richtlinien-zu-ziffer-15.html
1 Reaktion zu ““Wer sich für die Verbreitung oder Unterdrückung von Nachrichten bestechen lässt, handelt unehrenhaft und berufswidrig.””
Wenn die Autorin sich in der Maximilianstrasse bei Loro Piana neu einkleide hätte dürfen, wäre es wahrscheinlich teurer geworden als die Reise. Nachdem sie im Artikel immerhin erwähnt hat, dass sie auf Einladung der Edel-Spinner und -Weber gefolgen ist, ist doch eigentlich alles in Ordnung. Es ist nicht anzunehmen, dass durch den Artikel sich nun alle SZ-Leser in Kaschmir und ähnlichen Stoffen kleiden werden und wollen.