Ich wage zu behaupten, dass die nachfolgende Meldung aus der Sparte “Politik kompakt”[1] auch ohne die Überlastung der Redaktion durch die notwendige Berichterstattung über die schrecklichen Katastrophen in Japan nicht umfangreicher ausgefallen wäre:
Ein israelisches Spezialkommando hat im Mittelmeer ein mit Waffen beladenes Schiff abgefangen. Die Waffen waren nach Einschätzung der Armee für die im Gazastreifen herrschende radikal-islamische Hamas-Organisation bestimmt. Die Victoria sei auf dem Weg von Mersin in der Türkei nach Alexandria in Ägypten gewesen, teilte die israelische Armee am Dienstag in Tel Aviv mit. Das unter liberianischer Flagge fahrende Schiff habe einen deutschen Eigentümer und gehöre zur Flotte eines französischen Unternehmens.
Diese Meldung schaffte es weder in einen vollständigen Artikel, noch wurde sie später in irgend einer Weise ergänzt.
SPON[2] wusste zumindest ein wenig mehr:
Alle Spuren würden auf Syrien als Ursprungsland der Lieferung hindeuten, sagte der Militärsprecher in einer ersten Stellungnahme. “Offensichtlich werden wir weitere Beweise für eine Achse Iran-Syrien- Hisbollah finden”, sagte er dem israelischen Militärrundfunk. Israel wirft Iran und Syrien seit langem vor, seine Feinde im Südlibanon und im Gaza-Streifen mit Waffen zu beliefern.
Ein hochrangiger Offizier der israelischen Marine präzisierte später, es habe sich bei den beschlagnahmten Waffen um Raketen gehandelt, mit denen man von Land aus Schiffe attackieren könne. Die Raketen stammten offenbar aus chinesischer Produktion. Man habe Handbücher in Farsi bei den Waffen gefunden - und eine Reihe anderer Indizien, die einwandfrei bewiesen, dass die Lieferung aus Iran stamme.
und auf HaGalil[3] ist zu lesen:
39 Container auf dem Schiff seien im syrischen Hafen Latakija zugeladen worden. Vier für Alexandrien in Ägypten bestimmte Container seien mit Linsen und Baumwolle gefüllt, hieß es in den Ladepapieren. Den Israelis fiel bei einer Inspektion dieser Container auf, dass sie mit „ungewöhnlich vielen Schlössern“ verriegelt gewesen seien. Nachdem sie einen dieser Container aufgebrochen hätten, entdeckten sie zunächst tatsächlich Säcke mit Baumwolle und Linsen, doch hinter ihnen waren große Mengen Waffen versteckt. Bei der ersten oberflächlichen Überprüfung entdeckten sie Mörsergranaten mit einem Kaliber von 60 und 150 mm. Ebenso fanden sie Land-See Raketen vom Typ C-704. Diese in China gebauten Raketen gebe es im Iran. Ein Militärsprecher sagte: „Wir haben klare Hinweise, dass diese Waffen von Iran geliefert worden sind, denn wir haben Broschüren mit Gebrauchsanweisungen auf Persisch gefunden.“ Weiter sagte er, dass die Reichweite von 35 Kilometern und deren Treffsicherheit das strategische Gleichgewicht im Nahen Osten geändert hätten, wenn sie tatsächlich von Ägypten auf dem Landweg in den Gazastreifen geschmuggelt worden wären. Israelische Militärs schätzen, dass sich an Bord des nach Aschdod geleiteten Schiffes etwa 50 Tonnen Munition und Waffen befänden. Doch dass könne erst eine genauere Untersuchung der Fracht im Hafen ergeben.
Ganz genau konnte man es von der Israelischen Botschaft erfahren:[4]
„Dies sind strategische Waffen. Wenn die Hamas sie in die Hand bekommt, würden sie der strategischen Infrastruktur zur See und an der Küste schweren Schaden zufügen“, erläutert Brigadegeneral Rani Ben-Yehuda. Ben-Yehuda weist zudem darauf hin, dass die Raketen nicht nur für Schiffe der israelischen Marine, sondern auch zivile Frachter gefährlich sind, die den Hafen von Ashdod anlaufen.
„Da die Raketen so programmiert werden können, dass sie automatisch funktionieren, stellen sie eine Bedrohung für alle möglichen Ziele innerhalb ihrer Reichweite dar. Sie sind leichter zu handhaben und zu bedienen als frühere Raketen“, so der Brigadegeneral.
Den Kenntnissen der israelischen Armee zufolge besitzt die Hamas im Gaza-Streifen derzeit nicht diese Raketen. Hingegen verfügt die Hisbollah im Libanon über vergleichbare Ressourcen.
Der Marinekommandant fügte hinzu, dass an Bord der Victoria neben Symbolen der iranischen Revolutionswächter auch Bedienungsanleitungen auf Farsi gefunden worden. Dies ist ein weiteres Indiz dafür, dass der Waffenschmuggel einen Versuch des Irans darstellt, das Machtgefüge im Nahen Osten zu verschieben.
Nach einer Inspizierung des Waffenarsenals, das die israelische Marine am Tag zuvor auf hoher See an Bord des Frachters ‚Victoria‘ sichergestellt hatte, äußerte sich Binyamin Netanyahu:[5]
„Die tödlichen Waffen, die man hier sieht, stammen aus dem Iran. Wir sehen die Schrift. Verteidigungsminister Ehud Barak hält in einer Plastiktüte ein auf Farsi verfasstes Grußwort in der Hand, das den Gebrauch einiger dieser Waffen erklärt. Sie stammen aus dem Iran. Sie passierten Syrien und waren auf dem Weg zu Terroristen im Gaza-Streifen. Ihr letztes Ziel waren allerdings israelische Bürger. Wir sind bereits von Tausenden, wenn nicht zehntausenden von Raketen und Mörsergranaten getroffen worden, die auf israelische Bürger abgefeuert wurden.
Tag für Tag unternehmen Iran, Syrien, Hisbollah, Hamas und andere terroristische Elemente Anstrengungen zum Waffenschmuggel in den Libanon und nach Gaza. Dies ist die Achse des Terrors: Iran, Syrien, Hisbollah, Hamas und die anderen Terrororganisationen. Dies ist die Achse des Terrors in unserer Region, und dies ist die Achse, des Terrors, mit der wir umgehen und die wir am Ende zerbrechen müssen. Wir streben danach, Terror zu verhindern, Sicherheit zu gewährleisten und dem Frieden hier eine Chance zu geben.“
Warum ich meine, dass es nicht nur an den vielen und wichtigen Meldungen zu den Katastrophen zu Japan gelegen haben kann, dass es nicht mehr Informationen zum Thema Waffenlieferungen für Terroristen im Gazastreifen auf sueddeutsche.de gab? Das liegt, neben zahlreichen vergleichbaren Fällen, zum Beispiel daran, dass ausreichend Zeit, Platz und journalistisches Engagement etwa für diese Berichte vorhanden war:
(Screenshot von sueddeutsche.de am 17.03.2011)
Und warum ich nicht der Ansicht bin, dass es sich bei der fehlenden Berichterstattung zum Thema Waffenlieferungen für Terroristen im Gazastreifen um eine lässliche Lappalie handelt? Weil es sich dabei um einen weiteren Baustein zu dem handelt, was Natan Sharansky im Jahr 2004 als “Antisemitismus in 3-D” beschrieben hat. [6]
Dämonisierung
Das erste D ist der Test auf Dämonisierung.
Ob in der theologischen Form der Kollektivanklage wegen Theozid oder in der literarischen Darstellung von Shakespeares Shylock, die Juden wurden seit Jahrhunderten dämonisiert indem ihre Handlungen aus jeglichen normalen Proportionen gerissen wurden.
Zum Beispiel die Vergleiche von Israelis mit Nazis und der palästinensischen Flüchtlingslager mit Auschwitz - Vergleiche, die innerhalb der “aufgeklärten” Viertel Europas praktisch jeden Tag zu hören sind - können nur als antisemitisch bezeichnet werden.
Diejenigen, die solche Vergleiche ziehen, wissen entweder überhaupt nichts über Nazideutschland oder, was wahrscheinlicher ist, versuchen bewußt das heutige Israel als Inbegriff des Bösen darzustellen.
Doppelstandards
Das zweite D ist der Test auf Doppelstandards.
Seit tausenden von Jahren ist ein klares Zeichen von Antisemitismus, die Juden anders als andere Menschen zu behandeln, angefangen von den diskriminierenden Gesetzen, die viele Nationen gegen sie erlassen haben, bis hin zu der Neigung, ihr Verhalten mit einer anderen Messlatte zu messen.
Auf ähnliche Weise müssen wir heute fragen, ob die Kritik an Israel selektiv angewendet wird. Mit anderen Worten, erzeugt ähnliche Politik anderer Regierungen die gleiche Kritik, oder wird hier ein doppelter Standard eingesetzt?
Es ist zum Beispiel Antisemitismus, wenn Israel durch die Vereinten Nationen wegen Menschenrechtsverletzungen herausgepickt wird, während Länder wie China, Iran, Kuba und Syrien, die nachweislich wirklichen Mißbrauch treiben, ignoriert werden.
Ebenso ist es Antisemitismus, wenn Israels Magen David Adom als einzige Ambulanz-Organisation der Welt nicht zum Internationalen Roten Kreuz zugelassen wird.
Delegitimierung
Das dritte D ist der Test auf Delegitimierung.
In der Vergangenheit haben Antisemiten versucht, die Legitimität der jüdischen Religion, des jüdischen Volkes, oder von beiden, zu negieren. Heute versuchen sie, die Legitimität des jüdischen Staates zu verneinen, indem sie ihn unter anderem als das letzte Überbleibsel des Kolonialismus darstellen.
Während die Kritik an israelischer Politik nicht antisemitisch sein muss, ist es immer antisemitisch, wenn das Existenzrecht Israels angezweifelt wird. Wenn andere Völker das Recht darauf haben, sicher in ihrem Heimatland zu leben, dann haben auch die jüdischen Menschen ein Recht darauf, sicher in ihrem Heimatland zu leben.
Mogelt man die stetigen Raketenangriffe palästinensischer Terroristen aus dem Gazastreifen und ihre Ausstattung durch Unterstützer wie den Iran einfach weg, indem darüber entweder gleich gar nicht oder allenfalls nebenher “berichtet” wird, während aber gleichzeitig den Reaktionen Israels auf diese Anschläge große Artikel gewidmet werden, dann fällt in der Wahrnehmung der Leser die Bedrohung durch die Terroristen weg. Was bleibt, sind die Handlungen der Israelis, die auf diese Weise als Angreifer dargestellt werden, während sie in Wirklichkeit nichts weiter tun als sich zu schützen und zu wehren. Aus Re-Aktion wird Aktion.
Sicher, die SZ bekommt diese Meldungen so von den Agenturen. Aber das ist nur die eine Seite. Die andere ist, was das jeweilige Blatt daraus macht. Der Titel der Meldung von sueddeutsche.de in diesem Fall:
Israel fängt Schiff im Mittelmeer ab
Der Titel auf SPON:
Israel fängt Waffentransport im Mittelmeer ab
Welcher SZ-Leser denkt bei dem SZ-Titel wohl nicht zuerst an die Toten auf der “Mavi Marmara” und an die ihm von der SZ vorgegebenen Schuldzuweisungen?
Weil das auch von der SZ betriebene 3-D so oft und in so vielen “Bausteinen” geschieht, werden wir auf suedwatch.de nicht müde, sie immer und immer wieder aufzuzeigen.
Jaspis
[1] http://www.sueddeutsche.de/politik/politik-kompakt-renten-steigen-um-ein-prozent-1.1072162-6
[2] http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,751140,00.html
[3] http://www.hagalil.com/archiv/2011/03/15/waffenschiff-2/
[4] http://newsletter.cti-newmedia.de/index.php?site=newsletter&id=877&sid=NA#n1
[5] http://newsletter.cti-newmedia.de/index.php?site=newsletter&id=878&sid=NA#n3
[6] http://www.hagalil.com/antisemitismus/europa/sharansky.htm
7 Reaktionen zu “3-D”
Weil das auch von der SZ betriebene 3-D so oft und in so vielen “Bausteinen” geschieht, werden wir auf suedwatch.de nicht müde, sie immer und immer wieder aufzuzeigen.
Und dafür einmal ein allerherzliches Dankeschön! Ihr macht das großartig, mit viel Mühe und Präzision. Ich lese alle eure Artikel mit Freude.
Gruß aus dem Norden
Markus
Danke und herzlichen Gruß hinauf in den Norden!
Jaspis
Ich bin mir nicht sicher, ob eine ausführlichere Berichterstattung nicht vielleicht stärker antisemitisch wirken würde.
Der Durchschnittsleser könnte schließlich den Eindruck gewinnen, daß Israel de facto Hoheitsrechte im gesamten östlichen Mittelmeer ausübt, daß kein Schiff in Alexandria einläuft, ohne daß Israel es vorher durchsucht hätte.
Dieser Post ist ein großartiges Beispiel dafür, warum man suedwatch in seiner ideologischen Einseitigkeit einfach nicht ernst nehmen kann.
Lest ihr eigentlich die Zeitung auch, die ihr kritisiert? In der stand nämlich eine längerer Text über diesen Vorfall. Überschrift. “Israel stoppt Schiff mit Waffen”.
Oder blendet ihr einfach aus, was nicht in Euer Bild von der SZ passt?
Und dann eure Beispiele zu zugegeben eher lässlichen Themen, die behandelt wurden, wo doch das Waffenschiff nur in so kleiner Form auftauchte: Sollen die, die sich bei der SZ um die Ressort Reise, Humor und Entertainment Spiele und jetzt.de vll. um so eine Angelegenheit kümmern, weil sie grad etwas mehr Zeit haben als die Politikredakteuer? Wäre das angemessen? Wie sollen die das notwenige Wissen haben, um darüber schreiben zu können? Aber ihr würdet jetzt wahrscheinlich sagen, dass es antisemitisch ist, jemanden für das Ressort Entertainment einzustellen, wenn dafür eine Meldung zu Israel aufgrund von Personalmangel in der Politik etwas kleiner ausfällt.
Fällt Euch selbst nicht auf, wie lächerlich ihr agumentiert? Oder ist euch das egal. Hauptsache druff?
ach ja: und dass ihr euch tatsächlich auf den schwarz-weiß Ideologen Natan Sharansky bezieht, ist wirklich entlarvend. ich empfehle, sz zu lesen:
http://www.sueddeutsche.de/kultur/der-marktplatztest-was-bush-liest-1.432400
Sehr geehrter SZ-Leser,
Ihre Irrtümer lassen sich durch die aufmerksame Lektüre meines Artikels sehr leicht klären, weshalb ich darauf auch nicht näher eingehen möchte. Müßig auch, darauf hinzuweisen, dass sich sueddeutsche.de jeglichen Bericht auf die Terroranschläge aus dem Gaza-Streifens auf den Süden Israels erspart hat. [7]
Was Ihren Link zu den Auslassungen des nicht eben objektiven Schreibers Claus Leggewie vom Februar 2005 betrifft, weise ich lediglich auf einen kleinen Ausschnitt daraus:
“Natan Sharansky ist die Steigerung von Ariel Sharon; der für Jerusalem und die jüdische Diaspora zuständige Minister opponiert strikt gegen die Räumung des Gaza-Streifens und erklärt die Wahlen in Palästina für “nicht wirklich frei”, das heißt: Er macht Front gegen die einzige Hoffnung auf Mäßigung, die im israelisch-arabischen Konflikt derzeit zu sehen ist.”
Ich nehme an, der “Sharon-Plan”, die Räumung des Gaza-Streifens, die danach einsetzenden Terroranschläge aus dem Gaza-Streifen sowie “Wahl” der Hamas, für die die Bezeichnung “nicht wirklich frei” noch eine starke Übertreibung wäre, sind Ihnen geläufig.
Allerdings scheint für Sie bereits die Tatsache, dass George W. Bush ein Leser Natan Sharanskys ist, eine Art Disqualifikation darzustellen. Könnte es nicht etwa sein, dass Ihre eigene schwarz-weiß-Ideologie Sie womöglich an einem inhaltlichen Eingehen auf das hindert, was Sharansky völlig zu Recht darstellt?
Daher meine Empfehlung: Lesen Sie auch einmal etwas anderes als die SZ.
Mit freundlichem Gruß
Jaspis
[...] auf ihre Demonstranten gezogen werden soll. Und sicher wäre es falsch, nur deshalb an die 3-D [6] zu denken. Auch wenn sich das noch so sehr aufdrängen mag. Jaspis [1] [...]