Das Sandmännchen
13. März 2011 von moritatensaenger
Einen erstaunlichen Wandel vollzog in den letzten 10 Tagen Bernd Kastner von der Süddeutschen. Noch am 2.März berichtet er, wie er sich kürzlich undercover unter eine Versammlung von Mitgliedern und Freunden der “Bürgerbewegung Pax Europa” und des Blogs “Politically Incorrect” mischte und er Augen- und Ohrenzeuge erschreckender Aktivitäten und Äußerungen wurde [1]. Islamkritiker hätten sich dort versammelt (von Kastner wird der Begriff stets in Anführungszeichen gesetzt, er kennt schließlich die wahre Beweggründe der Versammelten), verbunden angeblich durch ein gemeinsames Feindbild und alle tief im Treibsand wenigstens fremdenfeindlichen wenn nicht gar vollkommen braunen Gedankengutes steckend. Die Beschreibung der Anwesenden allerdings lässt eher einen Blick auf Kastners persönliches Feindbild zu:
“Gekommen ist bürgerliches Publikum mittleren Alters, es sind Krawatten- und Janker-Träger da und Damen im Pelz. Man kennt sich, man hat einen gemeinsamen Gegner.”
Und während er Verständnislosigkeit darüber durchblicken lässt, dass die beiden Organisationen nicht vom Bayerischen Verfassungsschutz beobachtet werden…
“Der bayerische Verfassungsschutz hält PI und BPE nicht für extremistisch. Sie seien ‘keine Beobachtungsobjekte’, ‘Detailkenntnisse liegen deshalb nicht vor’, so das Innenministerium. Immerhin, man habe ihre Aktivitäten ‘im Auge’, sprich: Man lese ihre Verlautbarungen. Oberbürgermeister Christian Ude kommentiert das Mitlesen der Verfassungsschützer so: ‘Wenn es ihnen dabei nicht kalt über den Rücken läuft, verstehe ich sie nicht ganz.’”
…ist es ihm nur lässig hingeworfene Häme wert, wenn andersdenkende Bürger in der Weltstadt mit “Herz” vom (Polit)Stab des Oberbürgermeisters mit mehr als zweifelhaften Mitteln [2] an der Wahrnehmung ihrer verfassungsmäßigen Rechte [3] gehindert werden:
“Das Treffen hatte etwas Konspiratives: Nur der innerste Kreis war frühzeitig informiert, wo die Veranstaltung stattfinden sollte. Neuinteressenten und Journalisten erfuhren erst kurz vor Beginn, dass man in einem Wirtshaussaal in Perlach zusammenkommt.[...] Weil sie zuletzt aus zwei Wirtshäusern wieder ausgeladen worden waren, traf man sich vergangene Woche recht geheim. [...] Mitglieder des Bezirksausschusses Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt hatten zwei Wirte angesprochen, und auch die Fachstelle gegen Rechtsextremismus, die direkt dem Oberbürgermeister unterstellt ist, hatte einen Brief an ein Lokal geschrieben.”
Während Kastner also bei den Islamkritikern ordentlich Sand im Getriebe vermutet und das auch offen unterstellt, wird er 10 Tage später selbst zum Sandmännchen, wenn er über einen Anschlag auf das Büro eines islamistischen Vereines in München schreibt [4]. Mit seinem Text streut Kastner nicht nur dem Leser Sand in die Augen, er scheint auch selbst durch eine ordentliche Portion davon im Blick getrübt. Wie anders ist es zu erklären, dass der “Journalist” den betroffenen Verein Milli Görüs lediglich als “islamische Gemeinde Milli Görüs” bezeichnet…
“‘Ich bin von der CIA’: Mit diesen Worten lief ein junger Mann aus dem Büro der islamischen Gemeinde Milli Görüs. Als die Gläubigen dann in den vierten Stock kamen, erlebten sie eine böse Überraschung. Ein Unbekannter ist am Samstagmorgen gewaltsam in die Büroräume einer muslimischen Gemeinde in der Landwehrstraße eingedrungen, hat sie verwüstet und auch versucht, den Teppich anzuzünden.” [Hervorhebungen Moritatensaenger]
…und ihn damit als harmlose Gemeinde von Muslimen darstellt. Auf Kastners Unterstellungen, Behauptungen und Verdächtigungen, wie er sie gewöhnlich gegenüber politisch Andersdenkenden anwendet, kann man gut verzichten, aber etwas kritisches Nachfragen hätte nicht geschadet. Und etwas mehr sachliche Information für den Leser. Denn “Milli Görüs” heißt übersetzt “Nationale Sicht” [5] und so politisch der Name, so politisch und extremistisch die Aktivitäten. In Deutschland würde man eine christlich-”kirchliche” Organisation mit der Struktur und Zielsetzung von Milli Görüs durchaus der oberbürger- meisterlichen “Fachstelle gegen Rechtsextremismus” zur Beobachtung ans Herz legen können. Der Verfassungsschutz Bayern jedenfals beobachtet und hat einiges Lesenswertes über die “muslimische Gemeinde” zu berichten:
http://www.stmi.bayern.de/imperia/md/content/stmi/sicherheit/verfassungsschutz/verfassungsschutzberichte/110301_verfsch2010.pdf (Seiten 30 - 34; 41 und im Hauptartikel ab Seite 54)
Bedauerlich ist, dass das durch Kastner praktizierte Streuen von Sand jenen tatsächlichen fremdenfeindlichen Kräften Vorschub leistet, die Islamisten und harmlose Gläubige sowieso in einen Topf werfen, und dass solch politisch motiviertes Geschreibsel dem Dialog mit wirklich integrationswilligen Muslimen einen Bärendienst erweist. Aber wie soll das auch ein Sandmännchen bedenken können.
Mit tönendem Gruß
Ihr Moritatensaenger
[1] http://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchner-islamkritiker-der-feind-steht-fest-1.1066570
[2] http://www.pi-news.net/2011/02/pi-muenchen-und-bpe-bayern-beugen-sich-nicht/
[3] Art. 8 GG:
(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.
(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.
sowie Gesetz über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz), Abschnitt II “Öffentliche Versammlungen in geschlossenen Räumen, §5 ff.
[4] http://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen/muenchen-milli-goerues-buero-verwuestet-1.1071529