An die SZ: Werden Sie anspruchsvoll!
3. März 2011 von Wolpertinger
Teil III unserer Serie: “Mehr scheinen als sein“ (oder: Gesagt ist nicht getan)
Einer deutschen Redensart zufolge ist „zweimal umgezogen so gut wie einmal abgebrannt“, und von Totalrenovierungen sagen manche Leute, stattdessen hätten sie lieber neu gebaut. Zehn Monate nach der SZ-Totalrenovierung gleicht deren Internet-Auftritt immer noch einem Chaos-Club in einem Rohbau.
Unausrottbar: SZ-Verlinkeritis und Klickeritis
Zur „Verlinkeritis“ noch einmal zwei aktuelle Leserstimmen aus dem Forum der SZ vom 8.2.2011 zum Artikel „Die dunkle Macht der Mittelklasse“ [1]
Zur Verlinkung des Wörtchens „Werbespot“ bemerkt Flywheel: :“ermüdend“, „komische Tendenz…“, „ gelinde gesagt, lächerlich…“
Und das Fazit des Foristen petz64 in seiner Antwort auf die Kritik von Flywheel: „(…) sz-online ist auf dem besten Weg zu seichtem Trash“
Auch der Wolpertinger fragt erneut, weshalb die SZ die schon iditotischen/automatischen Verlinkungen nicht einfach unterlässt (wie andere große Blätter) – was ja kein unmäßiges Ansinnen wäre und dem Bedürfnis nach intellektueller Redlichkeit sehr entgegenkäme. Wenn die Verlinkeritis nur kommerzielle Gründe hätte, die nämlich, um IRGENDWIE „gut verlinkt“ zu erscheinen und lediglich die Zahl der Klicks auf die Seiten der SZ zu erhöhen, so wäre dies zudem unredlich gegenüber denen, die womöglich die bloße Anzahl von Klicks auf die Seiten der SZ und die schiere Intensität (auch blödsinnigster) Verlinkung bei der Entscheidung über ihre Werbeaufträge an die SZ zugrundelegten – in Unkenntnis des Sachverhalts, wie von der SZ Klicks künstlich generiert werden. Gerade, wo sich die SZ zur Zeit so sehr sorgt um Redlichkeit „an sich“[2] (Causa Guttenberg), sollte sie ihre eigene Redlichkeit in allen Aspekten im eigenen Umfeld vielleicht auch einmal kritisch unter die Lupe nehmen.
Aus 1 mach x (Klicks)
Seit der Verschlimmbesserung des SZ-Online-Auftritts im Mai letzten Jahres reißen die Klagen der Nutzer über diverse nie dagewesene Unzulänglichkeiten nicht ab, (ohne dass diese behoben werden, obwohl sie leicht behebbar scheinen), wie z.B. die oben angesprochenen Themen der Verlinkungspraxis und der „Klickeritis“ (vom Wolpertinger selber „erprobt“ und von anderen Nutzern ebenfalls gerügt): Seit der „Totalrenovierung“ der SZ-Internetpräsenz müssen sich Nutzer ständig wiedereinloggen, nachdem sie auf geheimnisvolle Weise ohne eigenes Zutun plötzlich ausgeloggt sind [3], das Zurückklicken auf frühere Forumsbeiträge in einem Thread oder gar dessen Anfang,um die Beiträge chronologisch zu lesen, ist nur durch Rückwärtsspringen alle zwei Seiten möglich (und erzeugt wieder eine Menge Leerklicks), die Auflösung von Text- Artikeln in Bildergeschichten vermehrt die Masse der Klicks ebenfalls auf wundersame Weise – aber vielleicht schätzt die SZ den geistigen Horizont und die Vorlieben ihrer Leserschaft inzwischen so niedrig ein, dass sie meint, mit vielen bunten Bildchen arbeiten zu müssen?
Grüner Punkt für Recycling?
Die insgeheime Annahme der SZ (entgegen ihres eigenen Werbespruchs), ihre Leser seien im Grunde doch wohl anspruchslos, scheint auch durch die Tatsache erhärtet, dass die Artikel der SZ ohne Datum und Uhrzeit eingestellt und (unter demselben Titel) laufend fortgeschrieben werden, ohne dass die SZ es sofort sichtbar anzeigt, wann ein Artikel – fast immer auf Hinweis von Lesern - korrigiert , wann er ergänzt oder in Teilen ganz umgeschrieben wurde. Manche Kommentare in einem Diskussionsstrang erscheinen so völlig absurd, da sie sich auf eine frühere Version desselben Artikels beziehen, der in der kommentierten Form nicht mehr existiert. (Alles sehr saubere „wissenschaftliche“/journalistische Praxis seitens der SZ, die sich ja in der Guttenberg-Berichterstattung als leidenschaftliche Schirmherrin der Wissenschaft nebst deren Pflicht der einwandfreien, transparenten Darstellung hervorgetan hat). Die SZ beschränkt sich darauf, Leser, die als Korrektoren der zahlreichen Schlampigkeiten auftreten, dafür vom Moderator irgendwo im Thread oder in der „Leser-Lounge“ des Sued-Cafés belobigen zu lassen.[4] Man fühlt sich an die Fleißkärtchen im Kindergarten und in der Grundschule erinnert. (So hat ja auch die SZ reichlich infantil den üblichen „Abuse“/Melden-Button als „Petzen“- Knopf gestaltet).
Nachdem die SZ sehr häufig die New York Times für ihre Berichterstattungen – sagen wir einmal – „konsultiert“ , möge sie sich doch ein Beispiel an der Veröffentlichungspraxis dieses Blattes (oder die der FAZ, des SPIEGELS, der ZEIT und der WELT) nehmen. In den genannten Blättern, denen sich die SZ ja gerne im Niveau hinzugesellen würde, ist es selbstverständlich, jeden Artikel sofort erkenntlich mit dem Datum der Einstellung zu versehen, im Falle der NYT kommen explizite spätere update-Hinweise nebst Uhrzeit hinzu. (Auch in der WELT sind Aktualisierungshinweise zu finden). Ist die auffällige Abwesenheit aller solcher Angaben bei der SZ vielleicht auch so zu erklären: „Zeitlose“ Artikel kann man sehr schön als Konserve wieder aufwärmen und erneut im Recycling-Verfahren einstellen – etwa, weil die SZ annimmt, dass ihre Leser es sowieso nicht bemerken, wenn wie das Ungeheuer von Loch Ness immer mal wieder eine olle Kamelle aus den Untiefen des SZ-Artikel-Repertoires auftaucht?
Wie zum Beispiel geschehen am 18.10.2010, als der folgende Artikel vom 5.3.2008 (!) eingestellt wurde, ohne Hinweis auf dessen Wiederverwertung, - so als sei er taufrisch [5]:
Allerdings gingen der SZ die Leser doch nicht alle auf den Leim:
Bereits beim ersten Durchgang von Bernd Graffs Artikel im März 2008 „lobte“ die Nutzerin Katharina B. die „schicken Links“.
Die „schicken Links“ führten schon damals, im März 2008, ins Leere.
Und so geht es täglich, wie auch in dem am 11.2.2011 erschienenen Artikel „Scientology. Der Apostat von Hollywood“ von Andrian Kreye [6]:
Erst einmal muss ein Leser simpelste Zahlen korrigieren, die ein „Faktenchecker“ (oder der Verfasser des Artikels selber) leicht hätte verifizieren können:
Dann kriegt dieser Leser sein Fleißkärtchen:
Und schließlich beklagt sich der Leser Yog-Sothoth über die „grottigen“ Links.
Aber, aber, lieber Yog-Sothoth, wie können Sie nur so anspruchsvoll sein?
Nun könnte man der SZ zugute halten, dass man bei ihrem kostenlosen Online-Angebot eben nicht so wählerisch sein dürfe nach dem amerikanischen Motto: “You get what you pay for“ oder auf gut Deutsch: Wie der Preis, so die Ware. Nur: Die ebenfalls kostenlosen Online-Angebote anderer Blätter machen es vor, wie es weitaus schlichter, effizienter und ohne die Vorgaukelung einer riesigen Wissens-Enzyklopädie hinter „Schein-Verlinkungen“ geht. Erinnern wir uns aus Gründen der Fairness: Es gab ja schon mal weitaus bessere Zeiten für die Nutzer des SZ-Online-Angebots – vor dessen Verschlimmbesserung im Mai des Jahres 2010. Denn seit Mai 2010 leben wir im „sueddeutsche.de – Systemwechsel“, siehe dazu den Artikel „In eigener Sache“ von Hans-Jürgen Jakobs.[7]
Daraus die schlechte und die gute Nachricht im Wortlaut des SZ-Oberen:
Die interne Umstellung des Redaktionssystems hat an der ein oder anderen Stelle zu Fehlern und Schwächen geführt, die wir bedauern. Das Schöne ist: Mit dem neuen System wird sueddeutsche.de generell schneller und leistungsfähiger [Hervorhebung Wolpertinger]
Hmmm…? Vollends ungläubig liest man – nach den Erfahrungen der letzten 10 Monate - das folgende damalige Statement:
Gemessen an den Risiken bei einer solchen Umstellung, die über Monate hinweg vorbereitet wurde, erscheinen die aufgetretenen Schwierigkeiten leicht beherrschbar [Hervorhebung Wolpertinger]
Für ein komplettes Gerücht hält der Wolpertinger (und mancher andere User der SZ) diese Aussage des Herrn Jakobs:
Liebe Leser, uns interessiert Ihre Meinung mehr als beispielsweise das tägliche Bulletin aus dem Kanzleramt. Schreiben Sie uns bitte an die Adresse wir@sueddeutsche.de, wie Sie die Änderungen bei sueddeutsche.de bewerten und welche Anregungen Sie haben! [Hervorhebung Wolpertinger]
Um die Aufrichtigkeit dieser Sätze zu beurteilen, möge man sich die Kommentare der Nutzer zu diesem Artikel sowie die Litanei der Klagen und Vorschläge in den Kurznachrichten an die Moderation seit Mai 2010 durchlesen. Daraus gewinnt man den Eindruck, der SZ sei nichts so wurscht wie die Wünsche ihrer Online-Nutzer. Oder hat Herr Jakobs nur den Mund ein wenig zu voll genommen?[8]
Ach ja, die gute alte Zeit, die in diesen Kommentaren der Nutzer immer wieder beschworen und herbeigesehnt wird. Sie ist für die SZ leider noch nicht wieder angebrochen.Aber gut Ding will ja bekanntlich Weile haben. Inzwischen genügt es der SZ, mehr zu scheinen als zu sein und sich auf ihren Versprechungen auszuruhen. Denn: Gesagt ist noch lange nicht getan! Obwohl - 10 Monate lang hat sich die SZ wenigstens nach ihren eigenen Bekundungen redlich strebend bemüht… Oder doch nicht?
Mit nostalgischen Grüßen,
der Wolpertinger
[1] http://www.sueddeutsche.de/medien/werbung-beim-super-bowl-die-dunkle-macht-der-mittelklasse-1.1056690
[2] Siehe „Gratwanderungen“ vom 23.2.2011 von Jaspis. http://www.suedwatch.de/blog/?p=4944
[3] Siehe wiederholte Kommentare der User, u.a. von „Python Reloaded“ (letztmals am 25.2.2011 und am 2.3.2011) an die Adresse der SZ-Moderation http://suedcafe.sueddeutsche.de/moderator
[4] http://suedcafe.sueddeutsche.de/moderator/browseComment/page
[5] http://www.sueddeutsche.de/kultur/anonyme-postings-sind-blogger-gefaehrlich-1.283244
[6] http://www.sueddeutsche.de/kultur/scientology-der-apostat-von-hollywood-1.1059033
[7] http://www.sueddeutsche.de/service/in-eigener-sache-sueddeutschede-leben-im-systemwechsel-1.951246
[8] http://suedcafe.sueddeutsche.de/moderator