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Brüderlich

20. Februar 2011 von Jaspis

Jeder will mal, jeder darf mal, bei der SZ, wenn es darum geht, der Muslimbruderschaft einen geradezu brüderlichen Dienst zu erweisen, so wie kürzlich erst Tomas Avenarius [1]. Auch Rudolph Chimelli [2] durfte nochmal ran: [3]

Auf dem Tahrir-Platz wurde freilich auch gebetet. Denn der politische Islam ist die einzige strukturierte Kraft der bisherigen Opposition. Obwohl sie verboten waren, haben die Muslimbrüder ihr Netzwerk von Ambulatorien, Kindergärten und anderen Sozialeinrichtungen über das ganze Land ausgebreitet. Im Gegensatz zu den Funktionären des alten Regimes, die nicht alle in die Wüste geschickt werden können, stehen die Brüder nicht im Ruf, zu stehlen. Als sie sich zuletzt unter dem Etikett “Unabhängige” an Wahlen beteiligten, fielen ihnen trotz Behinderungen 88 der 424 Mandate zu. Wie stark sie künftig werden, hängt davon ab, wie viele Ägypter sie von ihrem gesellschaftlichen Leitbild überzeugen können. Eine Mehrheit dürfte es nicht werden.

Es sei denn, der Westen bemüht sich nur ausreichend darum. Das jedenfalls scheint Rudolph Chimelli und seine Kollegen bei der SZ zu fördern versuchen, denn:

Der Westen müsste die neue Demokratie im Nahen Osten nur konsequenter fördern.

… und sich nicht von dem Islamismus fürchten, der ja nichts weiter ist als ein “Gespenst”.
gespenst-islamismus

Bisher hatte der Westen gegenüber Islamisten eine Art “Hallstein-Doktrin” praktiziert. Wie einst die alte Bundesrepublik die Anerkennung der DDR durch ihre Ausschließlichkeits-Diplomatie zu behindern suchte, behandelten Amerikaner und Europäer den Islamismus als ein Gespenst, das hoffentlich wieder verschwindet, wenn man nicht hinschaut. Als dieser Effekt jenseits des Mittelmeers ausblieb, weil dort bei den seltenen freien Wahlen islamistische Parteien gewannen, bot sich die Hilfskonstruktion “Islamist gleich Terrorist” an. Zwei ihrer Anwendungen lauten “Mit Hisbollah reden wir nicht, mit Hamas verhandeln wir nicht.” Dass die Hamas die freiesten Wahlen der arabischen Welt unter dem Blick ausländischer Kontrolleure gewann, ersparte ihr nicht den Boykott. [Hervorhebung: Jaspis]

Erstaunlich nur, dass das, was Rudolph Chimelli als “die freiesten Wahlen der arabischen Welt” anpreist (womit er sich in bester Gesellschaft mit den meisten Linksextremisten befindet), gemeinhin als Putsch bezeichnet wird, der über Hundert Menschenleben kostete.

Ihm folgte Heiko Flottau. Heiko Flottau, der früher auch gelegentlich für die Süddeutsche Zeitung geschrieben hat [4] und dem bisweilen der Maßstab verrutscht, wenn es um Israel geht. Da wird die “Mauer”, die Israel zum Schutz seiner Bürger vor Attentaten errichtet hat, schon mal zur “Eisernen Mauer”, mit bewusster Anspielung auf die Berliner Mauer und den Eisernen Vorhang. Wohl wissend, dass gerade einmal drei Prozent des Zaunes eine wirkliche Mauer sind und vor allem die Zielrichtung eine völlig andere. Eine legitime: Nicht den eigenen Staatsbürgern sollen ihre Freiheitsrechte beschnitten werden, sondern eben die Staatsbürger sollen vor Ermordung durch Terroristen geschützt werden, die anderenfalls ungehindert die Grenze passiert haben. Dass die Zahl der Anschläge seither erheblich zurückgegangen ist, [5] [6] konnte auch Heiko Flottau nicht leugnen:[7]

Also kurzfristig ganz bestimmt. Es werden ja in dem Buch auch Stellungnahmen von Israelis zitiert. Die Selbstmordattentate sind absolut zurückgegangen, und das ist auch gut so. Aber die Mauer wäre überflüssig gewesen, wenn man schon nach 1993 den Friedensprozess fortgesetzt hätte, dann wäre die Hamas niemals so stark geworden.

“Kurzfristig” - selbstverständlich. Dieses Eingeständnis musste allerdings umgehend durch eine Schuldzuweisung entkräftet werden.

Heiko Flottau also, der so bereits in der Vergangenheit eindrucksvoll seinen nicht eben objektiven Blick für die Lage in Nahost unter Beweis gestellt hat, durfte nun seinen Beitrag zur Bewerbung des Vertrauens in die Muslimbruderschaft leisten: [8]
licht-und-finsternis

Ein freundlicher Abriss der Geschichte der Muslimbrüder, der keinen Zweifel an ihrer Demokratie- und Regierungsfähigkeit aufkommen lässt:

Die Bruderschaft aber, welche die Gesellschaft mit Terror verändern wollte, ist friedlicher Teil dieser Gesellschaft geworden. Sie ringt am Verhandlungstisch, wenn auch nicht auf Augenhöhe, mit ihren einstigen Peinigern um ein neues Ägypten. Das nächste Kapitel im ewigen ägyptischen Drama wird in diesen Tagen eröffnet.

Und so wird der Muslimbrüderschaft ein ums andere Mal von der Süddeutschen Zeitung bescheinigt, dass sie mindestens zwingende Partner in einer demokratischen Regierung sein müssen. Denn Zweifel lässt sie gleich gar nicht aufkommen. Und doch gibt es Grund dazu. Zu sehen etwa in (der Klick auf das Bild verlinkt zum Film): [9]

nervoeser-blick-nach-kairo

Die Ängste der Israelis kommen nicht von ungefähr. Führende Muslimbrüder äußerten sich recht unzweideutig: [10]

„Wir werden damit fortfahren, die Flagge des Jihad – zwei Schwerter und einen Koran – zu hissen, so lange die Zionisten ihre Flagge hissen, mit zwei blauen Streifen, um ihren sogenannten Staat zwischen dem Nil und dem Euphrat darzustellen. Und die Bruderschaft wird damit fortfahren, die Juden und die Zionisten als ihre primären Feinde zu betrachten.“ (Muhammad Badi, April 2010)

„Wir haben die Pflicht, die absurden Verhandlungen – seien sie direkt oder indirekt – zu stoppen und alle Formen des Widerstands zur Befreiung jedes besetzten Stück Lands in Palästina, im Irak und in Afghanistan und allen anderen Teilen unserer muslimischen Welt zu unterstützen. Wie alle Religionsgelehrten übereinstimmend meinen, sind der Koran und die Sunna die Quellen eurer Autorität, und nicht UN-Resolutionen oder Weisungen der Zionisten oder der Amerikaner. Dies kann erreicht werden, wenn ihr die palästinensische Sache und die Sache der besetzten islamischen Nationen zur eurer primären Angelegenheit macht. Ihr müsst euren freien Völkern und ihren verschiedenen Institutionen bei ihren wiederholten Aufrufen zu Boykotten, zum Ende der Normalisierung und zur Unterstützung des Widerstands und seiner Akteure beistehen… Ihr müsst alle Kapitulationsabkommen widerrufen… vor allem die Camp-David-Abkommen…, die gegen die ägyptische Verfassung und UN-Resolutionen verstoßen und ägyptische Offizielle insofern zu nichts verpflichten.“ (Muhammad Badi, September 2010)

„Sobald Präsident Mubarak zurücktritt und eine Übergangsregierung gebildet wird, muss der Friedensvertrag mit Israel aufgelöst werden.“  (Rashad al-Bayoumi, 3. Februar 2011)
Die vollständige Zitatensammlung gibt es unter dem folgenden Link: http://www.washingtoninstitute.org/templateC05.php?CID=3300

Und aus dem Leitartikel der Jerusalem Post vom 04.02.2011[11]

In den letzten paar Jahrzehnten ist Ägypten immer mehr für Extremismus anfällig geworden. Unter Wahrung der letztgültigen politischen  Autorität und eines Monopols auf die Sicherheitskräfte hat Mubarak, der sich der Stärke der Islamisten bewusst ist, ihnen mehr Freiheit bei der aggressiven Verfolgung ihrer radikalen Agenda zugestanden – in der Hoffnung, den Reformprozess lenken und die herrschende säkulare Elite schützen zu können.

Die Islamisten haben schrittweise die Kontrolle über Ägyptens große Berufsverbände übernommen, einschließlich des Anwaltssyndikats, das einst der liberalste und säkularste Berufsverband des Landes war. Vor Gericht wird zunehmend die Sharia zur Anwendung gebracht, um säkulare Intelektuelle, Schriftsteller, Professoren, Künstler und Journalisten wegen rein religiöser „Verbrechen“ wie Blasphemie und Apostasie zu verfolgen. Die Muslimbruderschaft hat auch das Lehrerausbildungsseminar übernommen, das Pädagogen hervorbringt, die radikal-islamische Ideen in den Klassenzimmern verbreiten. Dieser Prozess hat seinen Preis gefordert. Erst im letzten Monat wurden eine Kirche in Alexandria angegriffen und 23 koptische Christen massakriert.

Von öffentlicher Unterstützung getragen, ist es der Muslimbruderschaft gelungen, voranzukommen, obwohl sie von politischer Macht abgehalten wird. In den ägyptischen Parlamentswahlen von 2005 erhielt eine mit der Bruderschaft – der politische Aktivitäten offiziell verboten sind - verbundene „unabhängige“ Partei beinahe 20 Prozent der Stimmen, fünfmal mehr als bei den Wahlen im Jahr 2000; und sie hätte noch mehr bekommen, wenn die Regierung nicht unverhohlen interveniert hätte. Aggressiverer Wahlbetrug – von der Entfernung der Namen von Oppositionskandidaten bis zum Ausschluss ihrer Vertreter von Umfragen, von der Schließung von Wahllokalen für potentielle Wähler bis zur schlichten Vollstopfung von Wahlurnen - bei den Wahlen im November und Dezember 2010 hat die mit der Muslimbruderschaft verbundene Partei auf einen Sitz in dem 454 Abgeordnete umfassenden Parlament herunter gestutzt, was allerdings auch Zorn auf den Straßen hervorrief.

Und was denkt die Bruderschaft vom demokratischen Prozess? „Wir akzeptieren einstweilen das Konzept des Pluralismus“, bemerkte Mustafa Mashur, das frühere Oberhaupt der Bruderschaft, vor einigen Jahren. „Wenn wir jedoch eine islamische Herrschaft haben, könnten wir dieses Konzept ablehnen oder akzeptieren.“

Bei einer radikal-islamischen Bewegung, die offen ihre Absicht erklärt, einen Staat im Einklang mit der Sharia aufzubauen und jeden, der dieser Vision nicht anhängt, als Abtrünnigen betrachtet, geht unsere Wette dahin, dass die Zurückweisung des Liberalismus sehr viel wahrscheinlicher ist als dessen Akzeptanz. Wir hoffen, die US-Administration wird die Gefahren eines zu schnellen Übergangs zu den Fängen der Demokratie ohne die vorherige Schaffung der entsprechenden Grundlagen erkennen. Gaza, Libanon und Irak sind instruktive Lektionen zu den Gefahren fehlerhafter demokratischer Prozesse.

denn:

Niemand möchte, dass Ägyptens erste demokratische Wahlen seine letzten sein werden.

Nein, natürlich möchte das auch bei der SZ niemand. Aber sie könnten es sein. Und die SZ verschließt brüderlich die Augen, sich selbst und ihren Lesern auch.





Jaspis





[1] http://www.suedwatch.de/blog/?p=4879
[2] http://www.suedwatch.de/blog/?p=4824
[3] http://www.sueddeutsche.de/politik/aegypten-nach-mubarak-wer-demokratie-predigt–1.1059210

[4] http://spiritofentebbe.blogspot.com/2007/03/schon-wieder-die-sz.html
[5] http://berlin.mfa.gov.il/mfm/web/main/document.asp?DocumentID=55578&MissionID=88
[6] http://berlin.mfa.gov.il/mfm/web/Main/pic.asp?pic=55577.jpg
[7] http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/thema/931729/
[8] http://www.sueddeutsche.de/politik/die-muslimbruderschaft-in-aegypten-wege-des-lichts-und-der-finsternis-1.1059311
[9] http://www.tagesschau.de/videoblog/zwischen_mittelmeer_und_jordan/videoblogschneider188.html
[10] http://newsletter.cti-newmedia.de/index.php?site=newsletter&id=856&sid=NA#n2
[11] http://newsletter.cti-newmedia.de/index.php?site=newsletter&id=849&sid=NA#n3

Geschrieben in Antisemitismus, Demokratieversztändnis, Extremismus, Israel/Nahost, SZ-Kritik Allgemein | 0 Kommentare

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