Themen-Oldie: „Die Würmer teilt man ein in…“
30. Januar 2011 von Wolpertinger
Unter dem Titel: “Ratzinger zweifelte am Zölibat“ gibt die SZ angeblich Sensationelles zum heutigen Papst Benedikt XVI preis. [1]
Im aufgerufenen Artikel [2] berichtet Rudolf Neumaier über einen „Brandbrief“ Joseph Ratzingers als Mit-Unterzeichner eines Memorandums von neun Konsultoren [3] der Bischofskonferenz aus dem Jahr 1970, in dem diese dringend empfahlen, den Pflichtzölibat einer Revision zu unterziehen. Im Vorspann zum Artikel wird allerdings – wie auch oben ersichtlich - angegeben, es habe sich um neun Bischöfe gehandelt, die den Pflichtzölibat in Frage stellten. Kleiner Lapsus wie so viele in den schlampig hergestellten SZ-Veröffentlichungen? Man wäre zum Verzeihen geneigt, wenn es am Ende des Artikels nicht ganz dick käme…(abgesehen davon, dass die SZ das Stichwort der Artikelüberschrift nicht deklinieren kann: „Katholischen Kirche“ statt: Katholische Kirche). Fest steht jedenfalls, dass Joseph Ratzinger damals, 1970, nicht Bischof war, sondern einer von neun Theologen, die als Konsultoren das Memorandum an die deutschen Bischöfe sandten.
Im Laufe des Artikels wird namentlich festgehalten:
Ratzinger und seine Mitautoren (Hervorhebung Wolpertinger) verweisen darauf, dass nicht einmal der Papst die Weihe älterer verheirateter Männer, sogenannter viri probati, a priori als indiskutabel zurückweise.
Und im zweitletzten Absatz wird – nach ausführlicher Inhaltsangabe des „Brandbriefes“ - von der SZ selber erneut überdeutlich formuliert:
An einer Überprüfung des Zölibatsgesetzes, das ja kein Dogma ist, führte nach Ansicht von Ratzinger und seinen Kollegen kein Weg vorbei. (Hervorhebung Wolpertinger). “In einem anderen Falle würde der Episkopat den Eindruck erwecken, er glaube gar nicht an die Kraft der evangelischen Empfehlung des ehelosen Lebens ,um des Himmelreiches willen’, sondern nur an die Macht einer formalen Autorität.” Wenn genügend Jungpriester nicht zu gewinnen seien, “dann hat die Kirche einfach die Pflicht, eine gewisse Modifizierung vorzunehmen”.
Im letzten Absatz des SZ-Artikels dann als völlig unerwarteter Paukenschlag genau das Gegenteil des im Paragraphen zuvor Gesagten:
Ähnlich deutliche Worte sind weder von Joseph Ratzinger, der damals 42 Jahre alt war und in Regensburg lehrte, noch von Karl Lehmann und Walter Kasper überliefert. (Hervorhebung Wolpertinger) Lehmann wurde Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz, Kasper Kurienkardinal und Ratzinger Papst.
Ein versehentlicher Paukenschlag aus dem falschen Stück? Oder der habituelle Griff der SZ in ihre Mottenkiste? Der bewährte Knüppel aus dem Sack? Der Wolpertinger vermutet letzteres, nämlich: die bei allem, was das Themenfeld „Kirche“ angeht, blind angewandte SZ-Logik nach dem Schema: „Die Würmer teilt man ein in…“
Zur Veranschaulichung der immer gleichen Denkschiene, auf der sich die SZ auch hier wieder stur bewegt, sei es dem Wolpertinger an dieser Stelle gestattet, den dazu passenden, uralten Witz noch einmal in voller Länge (in der sächsischen Version) zum besten zu geben: „Die Würmer teilt man ein in …“ [4]
Der Witz geht folgendermaßen [5]:
„Universität Leipzig. Ein Professor, dessen Spezialgebiet die Würmer sind, hat an einem Tag vier Prüfungen abzunehmen. Den ersten Kandidaten fragt er tatsächlich nach den Würmern: “Also, wie teilen Sie die Würmer ein?“ Der Kandidat besteht die Prüfung. Der zweite Kandidat bekommt die Frage: “Was können Sie mir über den Elefanten sagen?“ Antwort:“Der Elefant hat einen Rüssel. Dieser ist wurmförmig. Die Würmer teilt man ein in…“ Den dritten Kandidaten fragt der Professor nach den Zugvögeln. Der Kandidat: “Die Zugvögel fliegen im Winter nach Süden, weil es dort wärmer ist. Die Wärmer teilt man ein in…“ Der letzte Kandidat ist von seinen Prüfungskollegen vorgewarnt worden. Er kommt in die Prüfung und beginnt sofort mit den Worten: “So, Herr Professor, da wär mer. Die Wärmer teilt man ein in …“
Und die Moral von der Geschicht /dem Witz? Egal, ob Christen-Häme, Mixa-Polemik, Kirchen-Bashing oder Papst-Schelte, die SZ landet stets bei ihrem persönlichen, auswendig heruntergeleierten, reflexartig produzierten Vortrag: „Die Würmer teilt man ein in…“
Da mögen die schon zwanghaften, negativen Schlussfolgerungen jeglicher Auseinandersetzung mit irgendeinem beliebigen Thema aus dem Umkreis „Kirche“ noch so blödsinnig / in sich widersinnig (wie hier) sein, stets ist Verlass darauf, dass sich die SZ an den Leitsatz hält, der vom Wolpertinger im Zusammenhang mit der Berichterstattung zu Walter Mixa bereits früher zitiert wurde:
„Audacter calumniare, semper aliquid haeret.“ – „Verleumde nur dreist, etwas bleibt immer hängen.“ (Plutarch)
Wenn’s nur nicht so durchsichtig wäre.
Mit belustigten Grüßen an die (einst!) verehrte SZ,
der Wolpertinger
[1] http://www.sueddeutsche.de/politik
[2] http://www.sueddeutsche.de/politik/debatte-um-zoelibat-in-der-katholischen-kirche-ratzingers-brandbrief-1.1052132
[3] Konsultor = Geistlicher als Berater eines Bischofs
[4] „Themen-Oldie“: Bezug auf diesen für die SZ in vielerlei Hinsicht passenden Witz auch bereits durch Jaspis in zwei Titeln zu Prantl’ismus http://www.suedwatch.de/blog/?s=Die+W%C3%BCrmer
[5] Andrea Schiewe, Jürgen Schiewe, Witzkultur in der DDR, Vandenhoeck&Ruprecht, 2000, Seite 73 f.
9 Reaktionen zu “Themen-Oldie: „Die Würmer teilt man ein in…“”
Vielleicht wäre es für die Kritik an SZ-Artkikeln sinnvoll, diese auch ganz zu lesen. Der leidlich aufmerksame Leser erfährt dann nämlich durchaus, dass der Brief von damaligen Konsultoren verfasst wurden. Diese Konsultoren haben inzwischen beachtliche Karrieren durchlebt und sind nun eben Bischöfe oder Papst.
Ebenfalls wäre es für eine fundierte Kritik nicht schlecht, wenn sie auch inhaltlich ausfiele. Aber zum Inhalt scheint der Wolpertinger nichts sagen zu wollen - warum nur?
Man könnte sich mit dem Zölibat natürlich auch inhaltlich auseinandersezen, aber man könnte es auch bleiben lassen und statt dessen einfach Zahlen sprechen lassen. Einfach mal schauen, wer sich mit der Nachwuchsgewinnung leichter tut - und da sind die strengen Orden und die Pius-Brüder vorne. Deren Kirchen sind auch voller als die Konzilkirchen - ob das uns was sagen sollte?
Och, jetzt hab ich oben eine völlig Themaverfehlung vom Wolperdinger gelesen und dann gleich nocheine…
Ernsthaft: Kann es sein, dass der Wolperdinger wieder überhaupt nicht verstanden hat, was da steht?
Wie soll das: “Im letzten Absatz des SZ-Artikels dann als völlig unerwarteter Paukenschlag genau das Gegenteil des im Paragraphen zuvor Gesagten” hier auch nur ein bisschen richtig sein.
Es steht da einfach nciht das Gegenteil des zuvor Gesagten. Oben steht, was im Brief steht, und dann folgt, dass es solche Worte noch nicht von einem der genannten gab. Vll. hätte das Wort “bisher” dem Wolperdinger noch mit der Nase drauf gestoßen. Aber man kann ja wohl von jemandem, der ein Watchblog führt, ein bisschen Textverständnis erwarten. Ein bisschen zumindest…
Beeblebrox möge seinen eigenen Ratschlag befolgen und vor seiner Kritik an der Kritik des Wolpertingers SELBER die Kritik des Wolpertingers aufmerksam lesen. Alle Einwände des Beeblebrox erübrigen sich, wenn er den Text des Wolpertingers aufmerksam liest und auch IMSTANDE ist, diesen zu verstehen und die darin nachgewiesene, evident schlampige bis völlig widersinnige Darstellung der SZ nachzuvollziehen (siehe vor allem den Titel und Vorspann des Artikels und die beiden Schlußparagraphen). Auch wäre es sinnvoll, die Fußnoten zum Text des Wolpertingers zu lesen (i.e. Stichwort „Konsultor“). Lassen Sie sich, wenn nötig, Nachhilfe von der SZ-Redaktion geben. Der Wolpertinger fühlt sich nicht zuständig, dem Beeblebrox Punkt für Punkt ausführlichst und langsam zum Mitschreiben nochmals die bereits sauber dargestellten Kritikpunkte an dem SZ-Artikel, SO WIE ER DASTEHT, zu erläutern. Im NACHHINEIN Dazugedachtes und/oder Mehrwissen hinzuzufügen, wobei die offensichtlichen inhaltlichen und logischen Defizienzen eines Artikels gnädig übersehen bzw. ausgebügelt werden, ist schon ein merkwürdiges Ansinnen an einen Leser, der sich verläßlich informieren will, ohne selber in alle Richtungen zu recherchieren und die logischen Widersprüche aufzulösen.Von einer großen Tageszeitung wie der SZ darf man ein Mindestmaß an sauberer HANDWERKLICHER Arbeit erwarten – wie sie in dem vorliegenden Artikel nicht an den Tag gelegt wurde, im Gegenteil: im Bestreben, dem Papst möglichst am Zeug zu flicken,wie es der antikirchlichen Tendenz der SZ entspricht, begeht man eine sehr auffällige Fehlleistung: Man verkündet im Titel und in mindestens zwei Abschnitten namentlich, Joseph Ratzinger habe Kritik am Zölibat geübt und behauptet trotzdem als Schlußfolgerung, von Joseph Ratzinger sei eine solche Kritik nicht überliefert.Wie wirr mögen Sie es eigentlich?
Lieber CJ Tauber,
Zahlen sprechen lassen - aber ja! Da wäre auch der Blick auf die evangelische Kirche zu richten, die ja den Zölibat nicht kennt.Wenn es nur am Zölibat läge, müßte die evangelische Kirche aus allen Nähten platzen - tut sie aber nicht.
An Barney, bevor Sie sich weiter echauffieren: Tief durchatmen und die beiden letzten Absätze des Artikels nochmals gaaaanz langsam lesen:
Im Artikel wird an mehreren Stellen (auch im zweitletzten Absatz) gesagt, daß Joseph Ratzinger (sic) 1970 ein Mit-Verfasser des Briefes (mit der Kritik am Zölibat) war.Dann wird gesagt, eine solche Kritik sei von Joseph Ratzinger (sic) nicht ÜBERLIEFERT.
Für solch wirre Aussagen fehlt mir in der Tat das Textverständnis.
Nachdem ich nochmals die beiden letzten Abschnitte von Wolpertingers Text sehr aufmerksam gelesen habe, habe ich immerhin den Witz endlich verstanden und gelacht. Der Rest ist mir dann doch zu hoch!
Und auch hier nochmal: Wenn sie in den Satz: “eine solche Kritik sei von Joseph Ratzinger (sic) nicht ÜBERLIEFERT” das Wörtchen “bisher” einfügen. Bzw. um es wirklich für jeden verstänlichlich zu machen: eine solche Kritik war bevor der Brief auftauchte von Ratzinger bisher nicht überliefert, dann verstehen sie das so, wie der Autor es gemeint hat. Denn nur so, kann er es gemeint haben.
Abgesehen davon finde ich es schade, zu welchen, wenn überhaupt. “Bagetelldelikten” hier ellenlange Artikel verfasst werden. Findet ihr bei einer so großen Zeitung tatsächlich nix anderes?
Lieber Barney,
Bagatelldelikte? Ich möchte die Moderation von suedwatch schonen und nicht in eine Detail-Diskussion über die sehr wesentliche Schlampigkeit auch dieses SZ-Traktats mit Ihnen eintreten, die sicherlich interessant wäre. Nur soviel: die aufgezeigten sachlichen Ungenauigkeiten - man redet von “Bischöfen”, wenn es keine Bischöfe waren, dann wieder von Konsultoren, die, alle neun, VIELLEICHT - aber wahrscheinlich nicht alle - später mal Bischof wurden (???), man bezichtigt Joseph Ratzinger, meint aber Papst Benedikt XVI und setzt voraus, daß der Leser den falschen zeitlichen Bezugsrahmen im GESAMTEN letzten Absatz des Artikels schon selber insgeheim ausbessert, um die unlogische Gedankenführung auszubügeln (das Einfügen von “bisher” hilft dem nicht ab) - das alles wäre “zu meiner Zeit” nicht einmal in einem Deutschaufsatz der Klasse 11 durchgegangen. Aber so sind die Ansprüche halt verschieden. Wenn ein professioneller Schreiber so was abliefert, ist es für mich totaler Pfusch, und eben deshalb, weil es sich bei der SZ um eine einst so große, ehrwürdige Zeitung handelt, kritisierenswert.