Harter, investigativer Journalismus. Ohne falsche Rücksichtnahme, ohne Pardon.
18. Januar 2011 von moritatensaenger
Genau das erwarten wir von der goßen alten Dame SZ. Und wir werden nicht enttäuscht. Beispielhaft dafür ein Artikel, der sich mit der wundersamen Karriere Doris Schröder-Köpfs beschäftigt, die gerade eben von der Journalistin zur Aufsichtsrätin bei der Karstadt Warenhaus GmbH avancierte. Und weil Frau Schröder-Köpf auch gleichzeitig Gattin des ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder ist, der wiederum guter Bekannter des Karstadt Besitzers Nicolas Berggruen ist (und der nach seiner politischen Karriere - über jeden Verdacht erhaben - aufgrund besonderer Qualifikationen einen dollen Posten in der -russischen- Wirtschaft bekam [1]), könnten Fragen nach einem möglichen Beziehungs- geflecht entstehen. Die Süddeutsche klärt hier auf, beißt sich für uns an dem Fall fest und stellt die unverblümte Frage…
“Doris Schröder-Köpf zieht in das Kontrollgremium von Karstadt ein. Doch was hat ihr Mann Gerhard damit zu tun?”
Fragestellerin ist Susanne Höll, die mit dem Studium der Politikwissenschaften (und der Volkswirtschaft) im Gepäck im Jahr 2000 bei der Süddeutschen landete. Und ihre Antworten sind schonungslos. Zur Qualifikation von Frau Schröder-Köpf etwa schreibt sie:
“..daheim in Hannover managt sie seit Jahren ein nicht so ganz kleines Familienunternehmen, in dessen Mittelpunkt der Staatsmann, Weltreisende, Wirtschaftsvertreter und Rechtsanwalt Gerhard Schröder steht. Und man darf davon ausgehen, dass sie sich mit den Aufgaben und Pflichten einer Aufsichtsrätin in den vergangenen Wochen intensiv befasst hat. Wer in ihrer Position eine solche Aufgabe bekommt, wird sich als Seiteneinsteigerin keinerlei professionelle Blöße geben wollen.” (Hervorhebungen Moritatensaenger)
Aber auch für ihre Eingangsfrage, welche Rolle Ex-Kanzler Schröder wohl bei diesem Engagement gespielt hat, findet sie nach mühevoller Recherche eine Antwort:
“[Gerhard Schröder und Nicolas Berggruen] haben sich in den vergangenen Monaten mehrfach getroffen, mit dabei war Doris Schröder-Köpf. Sie fand, so jedenfalls ist zu hören, Bergruens Karstadt-Rettung faszinierend. Und sie dürfte, so wie man sie kennt, auch zum Thema Warenhäuser und deren Zukunft ihre ganz eigenen Gedanken gehabt und dem Investor nahegebracht haben. Berggruen, der Karstadt mitsamt dem Berliner Traditionshaus KaDeWe in eine neue Zukunft führen will, haben diese Gedanken offenkundig gefallen.” (Hervorhebungen Moritatensaenger)
Zu hart meinen Sie, liebe Leser? Zu respektlos? Nun, Frau Höll hat als hervorragende Journalistin und Mitarbeiterin der Süddeutschen Zeitung eine ganz besondere Einstellung zum Journalismus. Und auch zu jener anspruchsvollen journalistischen Recherche, die solche Artikel erst ermöglicht. Sie sagt dazu:
“Um erfolgreich zu recherchieren und lange Recherchen durchzuhalten, existiere leider kein Geheimrezept. Dennoch gebe es etwas, dass beim Recherchieren unentbehrlich sei und die Erfolgsaussichten steigere: ‘Die Grundvoraussetzung die man haben muss oder in sich selbst entdecken muss ist Neugier. Es gibt auch das Handwerk, aber wer nicht neugierig ist, wird sich schwer damit tun, zu recherchieren [...] Das sind die Herausforderungen. Niemand hat uns gesagt, dass unser Job nur schön und einfach ist, dass wir reich und berühmt werden. Das ist es nicht, das ist oft ganz beharrliche Arbeit. [...] Aber auch Härte in der Sache kann ein Erfolgsrezept sein’ [...] Wichtig für jede Art von Recherche ist außerdem, dass man einen grundlegenden Fehler vermeidet: ‘Ein Fehler ist, zu leichtfertig mit Informationen umzugehen, die nicht handfest und konkret aus einer bestimmten Quelle sind, dass man doch einer Einschätzung oder einem Gerücht aufsitzt und nicht sorgfältig genug prüft.’ Deswegen ist die wichtigste Regel bei der Recherche: ‘Erst einmal nichts glauben, sondern alles überprüfen.’” [3]
Ja. Gut so. Genau diese innere Haltung - so weit verbreitet in der SZ - ist es, die guten, kritischen Journalismus von peinlicher Gefallensschreiberei unterscheidet. Danke Frau Höll. Danke Süddeutsche Zeitung.
Mit ironisch tönendem Gruß
Ihr Moritatensaenger
[3] http://medienleben.uni-trier.de/leben/medienmenschen/nachgefragt-recherche/susanne-hoell/
4 Reaktionen zu “Harter, investigativer Journalismus. Ohne falsche Rücksichtnahme, ohne Pardon.”
Es ist davon auszugehen, dass Frau Schröder-Köpf ihre Aufgaben als Aufsichtsrat zumindest mit der Sorgfalt wahrnehmen wird, die auch die diversen Aufsichts- und Beiträte bei den Landesbanken angewandt haben. Auch kann vermutet werden, dass die Qualifikation von Frau Schröder-Köpf nicht wesentlich hinter derjenigen der Bank-Aufseher zurück bleiben wird.
Der große Unterschied ist lediglich, dass Frau Schröder-Köpf über Gelder eines Privat-Investors wacht, während bei den Landesbanken Staatsgelder verwaltet, äh, vernichtet worden sind.
Das Sahnehäubchen auf der Geschichte: SZ hat bei Hölls Artikel die Kommentarfunktion deaktiviert. Die Diskussion auf diese Weise zu unterbinden wäre eigentlich gar nicht nötig gewesen; denn der Artikel ist indiskutabel in des Wortes schillerndster Bedeutung, und die Sprache bleibt einem von selbst weg.
“Es ist davon auszugehen, dass…”
Was für eine bezeichnende Formulierung, lieber Beeblebrox. Sie arbeiten bei der SZ?

Moritatensaenger
Vielleicht der Neid auf eine Kollegin, die es noch weiter gebracht hat? Wo man doch ständig auf den Ruf wartet?
Da kann einem dann schon mal das Gift aus der Feder laufen.
Welches Frauenbild hat Frau Höll, daß hinter der ganzen Sache nur die Hilfe des Ehemanns stehen kann?