Besser spät als nie
15. Januar 2011 von Wolpertinger
Dankbar registriert man, dass wenigstens Christian Wernicke die unisono Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung zum Attentat in Tucson teilweise korrigiert in seinem Artikel: „Gegenangriff mit gebrochenem Herzen“ vom 13.1.2011 [1]
In der Präsentation zum Video Sarah Palin Shares her Condolences on the Tucson Arizona Shooting schreibt er klipp und klar:
Bis heute gibt es keinerlei Hinweis, dass der Mörder Jared Loughner je Palins Karte [Anm. des Wolpertingers: mit den Fadenkreuzmarkierungen] gesehen hat. Oder dass er je deren Slogan vernahm, die Rechte möge “nicht zurückziehen, sondern nachladen”. Auch Tucsons Sheriff Clarence Dupnik, der noch am Abend des Mordtages Washingtons oft martialische Streitkultur mitverantwortlich gemacht hatte dafür, “dass unausgeglichene Gemüter irgendwann ausrasten”, kennt keine solchen Indizien.
Ehrenwert, dass Herr Wernicke eine späte Berichtigung vornimmt. Allerdings: Das hätte die SZ in ihrer Berichterstattung auch schon drei Tage früher – am Montag dieser Woche – in ihre Bewertungen einfließen lassen können, war in der New York Times doch bereits am 10.1.2011 die Kolumne des hochangesehenen, wie immer besonnenen David Brooks zu lesen (erklärtermaßen alles andere als ein Palin-Sympathisant), unter dem Titel „The Politicized Mind“. [2]
David Brooks sprang nicht auf den von den linksliberalen Medien (und so auch von der SZ) bestiegenen Zug auf, sondern beschrieb in seiner Kolumne zunächst ausführlich, dass Jared Loughner alle Symptome eines an Schizophrenie leidenden Amokläufers hatte. Obwohl alle Indizien dafür bereits sehr früh von den Medien hätten zur Kenntnis genommen werden können, wurden diese Indizien nach Brooks’ Worten unterdrückt (Hervorhebung des Wolpertingers), um stattdessen die Tea Party, die Bewegung gegen illegale Einwanderung und Sarah Palin dafür verantwortlich zu machen:
Yet the early coverage and commentary of the Tucson massacre suppressed this evidence. The coverage and commentary shifted to an entirely different explanation: Loughner unleashed his rampage because he was incited by the violent rhetoric of the Tea Party, the anti-immigrant movement and Sarah Palin.
Als Hauptschreier identifizierte er die Huffington Post, Keith Olbermann vom Sender MSNBC und den Gründer des linksliberalen Blogs Daily Kos, Markos Moulitsas Zúniga.
Im Wortlaut von David Brooks:
Mainstream news organizations linked the attack to an offensive target map issued by Sarah Palin’s political action committee. The Huffington Post erupted, with former Senator Gary Hart flatly stating that the killings were the result of angry political rhetoric. Keith Olbermann demanded a Palin repudiation and the founder of the Daily Kos wrote on Twitter: “Mission Accomplished, Sarah Palin.” Others argued that the killing was fostered by a political climate of hate.”
[Anm. des Wolpertingers: Gemeint war wohl auch der New-York -Times-Kollege Paul Krugman, der am 9.1.2011 seine Kolumne mit dem bezeichnenden Titel „The climate of hate“ überschrieb]. [3]
David Brooks nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er dann seine Bewertung von Journalismus dieser Art abliefert:
These accusations — that political actors contributed to the murder of 6 people, including a 9-year-old girl — are extremely grave. They were made despite the fact that there was, and is, no evidence that Loughner was part of these movements or a consumer of their literature. [Hervorhebung des Wolpertingers] They were made despite the fact that the link between political rhetoric and actual violence is extremely murky. They were vicious charges made by people who claimed to be criticizing viciousness. [Hervorhebung des Wolpertingers]
Dies sei auch ganz dick der Süddeutschen Zeitung ins Stammbuch geschrieben, in der Übersetzung des Wortlauts von David Brooks:
Das waren bösartige Anschuldigungen von Leuten, die für sich beanspruchten, Bösartigkeit zu kritisieren.
Die Lektüre des ganzen Artikels wird empfohlen, vor allem der SZ-Redaktion.
Der Wolpertinger
[1] http://www.sueddeutsche.de/politik/videobotschaft-von-sarah-palin-gegenangriff-mit-gebrochenem-herzen-1.1045846
[2] http://www.nytimes.com/2011/01/11/opinion/11brooks.html?scp=1&sq=Sarah%20Palin%20and%20the%20media&st=cse
[3] http://www.nytimes.com/2011/01/10/opinion/10krugman.html?_r=1&scp=4&sq=paul%20krugman%20column&st=cse
2 Reaktionen zu “Besser spät als nie”
Was wäre wohl jetzt los, wäre der Täter tatsächlich der Tea Party nahe gestanden (oder hätte dies zumindest behauptet) und hätte der Täter behauptet, von “rhetorischen Vitriol” der Rechten aufgehetzt worden zu sein.
Die Verteidigungshaltung der amerikanischen Rechten ist unbegründet und sogar gefährlich! Sie bringen sich damit selbst in eine Lage, in der die eh schon von den Linken dank überwältigendem Medienübergewicht erfolgreich zu ihren Gunsten polarisierte Öffentlichkeit immer absurdere Meßlatten an Rechte legt, während sie Linken alle Sünden nachsieht.
Mir scheint, daß die Republikaner ähnlich wie die deutschen “Rechten”, also CDU und Co. in einem erbärmlichen Zustand sind. Und dieser Zustand scheint mir der Hauptgrund für die Entstehung der Tea Party Bewegung zu sein. Die Reps haben keine echten Typen mehr aufzuweisen, die den Mumm haben sich ohne Respekt frontal gegen die Medien zu stellen (wie z.B. noch GW Bush). McCain ist Opfer. Palin ist Opfer. Ron Paul ist zu vergeistigt und weltfremd um Kämpfer zu sein.
Darf ich Ihren sehr treffenden Kommentar mit den Worten eines britischen Autors ergänzen, der die Furcht von Konservativen vor der Konfrontation mit den “Linken” so erklärt:
„Part of the Left’s huge popular appeal, I’m sure, is that it requires no deep thought, no analysis. Vote Blair, vote Obama and your work is done:you have said all that needs to be said about the person you are. Nice. Well-meaning. One of the gang. However, vote McCain, vote Bush, vote for anyone on the right and you automatically place yourself in a position where you are expected to justify yourself. “Look, you may think I did this because I am a selfish bastard. But …” It’s one of the things that goes with the territory of being on the right. We are always having to fight our corner.(…)
Even more wearing than this right-wing entertainment act is the knowledge that you’re so widely hated. Perhaps the greatest of all the victories the Left has won itself is to have persuaded the world that to be right-wing is not so much a political affiliation as proof of moral deficiency. We right-wingers aren’t just misguided: we’re repellent and evil. (…) God knows none of us chose to be conservative for the easy ride, did we?It’s hard being a conservative, much harder than being a lefty.”
James Delingpole in “Welcome to Obamaland”, 2009.