Ah! ça ira, ça ira, ça ira, Les aristocrates à la lanterne!
14. Dezember 2010 von moritatensaenger
Diese Headline hatten wir schon mal, als Heribert Prantl, oberster Moralist der SZ, im Februar diesen Jahres, in Zusammenhang mit dem Ankauf von Bankdaten auf CD aus der Schweiz, die Jagd auf die “schweren Steuerhinterzieher” frei gab. Seine zeitgemäße Ergänzung zum französischen Revolutionssong lautete damals…
“Es geht nicht um [Steuer]Sünden, sondern um Kriminalität, um schwere Steuerhinterziehung - bestraft mit Haft von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein schwerer Fall der Steuerhinterziehung liegt vor, wenn ‘in großem Ausmaß Steuern verkürzt werden’. So steht es im Gesetz. Nach den Regeln der Rechtsprechung wird ab 100.000 Euro hinterzogener Steuerschuld eine Freiheitsstrafe verhängt; ob die zur Bewährung ausgesetzt wird - das hängt von den Umständen ab.”
Mittlerweile weiß man, was sich der Otto-Normalsteuerverbrecher zu Schulden kommen lassen hat, den Prantl so gern im Schuldturm [1] sehen möchte: Das Bundesverfassungsgericht hat einem Ehepaar, dessen Daten auf einer angekauften CD gefunden wurden, beschieden, dass die bei ihm deshalb durchgeführte Hausdurchsuchung rechtens sei (was noch nichts darüber aussagt, ob die gestohlenen Daten grundsätzlich vor Gericht verwendet werden dürfen). Wie auch immer: die bemerkenswerte Steuerschuld des Paares, also die von Prantl so genannte kriminelle schwere Steuerhinterziehung, soll sich nach Behördenangaben auf 24.000,- € belaufen. Angehäuft in 5 Jahren, was einen jährlichen Steuerbetrug von immerhin 4.800,- Euro [2] bedeuten würde. Da lohnt sich doch das Spiel mit den Grundrechten.
Waren es im Februar Steuersünder Steuerkriminelle, denen die SZ auf den Leib rückte, so sind es heute zwei leibhaftige Adelige, die von der für ihr Augenmaß bekannten SZ-Redaktion an die Laterne geschieben werden: Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg nebst Gattin Stephanie Freifrau von und zu Guttenberg, geborene Gräfin von Bismarck-Schönhausen. Guttenberg hat in seiner Eigenschaft als Bundesminister der Verteidigung den “Fehler” begangen, die ihm unterstehenden Truppen dort zu besuchen, wo sie ihren gefährlichen Dienst ausüben müssen. Mehrmals. Und er hat versucht etwas aufzuziehen, das man innere psychologische Kriegführung oder im Volksmund einfach nur Truppenbetreuung nennt, was sogar “Die Zeit” erkannt und anerkannt hat. Man könnte also dem Vorgang durchaus positive Seiten abgewinnen, zumal sich wohl jeder verantwortungsbewusste Befehlshaber der Kriegsgeschichte, der seine Truppen motivieren wollte, tunlichst eher häufiger als seltener auch an der “Front” blicken ließ. Die für Häme zuständigen Nachwuchsschreiberlinge der SZ beurteilen solch kameradschaftliches wie fürsorgliches wie strategisch kluges Verhalten wohl auch mit Hinblick auf die eigene Karriere - Frau weiß ja was der Chef lesen will - naturgemäß etwas anders. Volontärin Lena Jakat…
…z.B. stellt in ihrem Texterl….
[3]
…süffisant fest…
“Wieder besucht Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg die deutschen Truppen in Afghanistan, man kennt das ja. Es ist schließlich bereits das siebte Mal seit seinem Amtsantritt, dass Guttenberg dorthin reist.”
…und hebt dann hervor…
“wieder gibt es diese Bilder von Deutschlands beliebtestem Politiker: Er ganz der professionelle Kriegsbesucher, vom dunklen Parka bis zur Lässigkeit, mit der er den Stahlhelm in der Hand trägt. [...] Ein gutaussehendes Ehepaar umringt von lachenden Soldaten statt Bomben und Selbstmordattentäter. “
Man spürt bei diesen Worten: Da ist schon jenes “journalistische” Potential vorhanden, wie es in der SZ gebraucht und geliebt wird. Kurt Kister, vom Bock zum Gärtner befördert und deshalb demnächst Chefredakteur des Blattes, hat es in solcherart journalistischer Arbeit natürlich zu höchsten Weihen gebracht. Was Guttenberg der Jakat zu chic ist, sind Kister andere Politiker zu unförmig. So unförmig jedenfalls, dass er sich von ihrem Konterfei auf Wahlplakaten belästigt fühlt. Der Moritatensaenger hat dazu im April 2009 einen Beitrag auf suedwatch.de geschrieben. Aber natürlich hat Kister auch im aktuellen “Fall” Guttenberg seinen Senf beigetragen, in seinem Kommentar…
[4]
…aber auch immerhin - wenn auch wohl unfreiwillig - einen einzigen wahren Satz untergebracht:
“…auch wenn es, wie stets, Leute gibt, die Schmähkritik üben.”
Der Meister der Schmähkritik, in einem Blatt, dem Schmähungen mehr Programm denn Ausrutscher sind, entdeckt andernorts schmähende Kritiker. Das entbehrt nicht einer gewissen Nähe zu biblischen Zitaten, etwa: “Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?” (Matthäus 7.3) Und auch Joungster Lena Jakat findet zu einem Satz…
“Politisches Handeln, dass allein auf die Wirkung von Symbolen - und Bildern - setzt. Das bietet sich vor allem dann an, wenn es gilt, über fehlende Erfolge hinwegzutäuschen.”
…, der ein wenig verändert sowohl für ihre als auch für Kisters als auch für weite Teile der Qualität der gegenwärtigen Süddeutschen steht:
Journalistische Arbeit, die allein auf die Wirkung von Symbolen - und Bildern - setzt. Die bietet sich vor allem dann an, wenn es gilt, über fehlende Inhalte hinwegzutäuschen.
Und weil’s so schön ist: im Abspann zu diesem Beitrag ein paar Beispiele dafür, wie kritisch und sachlich und seriös die SZ (-online) mit den Ego-Feldzügen und dem Schauspiel von Politiker(-gattinen) umgeht, die aus dem politisch genehmen Lager kommen. Und bitte: lassen Sie sich jede Headline langsam auf der Zunge zergehen…
…und last but not least…….
Wie lautete gleich nochmal der Slogan des TV-Spots der SZ im letzten Jahr? So:
Mit tönendem Gruß
Ihr Moritatensaenger
[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Schuldgef%C3%A4ngnis
[3] http://www.sueddeutsche.de/politik/guttenbergs-in-afghanistan-truppenbild-mit-dame-1.1035518
[4] http://www.sueddeutsche.de/politik/guttenberg-in-afghanistan-ego-feldzug-am-hindukusch-1.1035771
2 Reaktionen zu “Ah! ça ira, ça ira, ça ira, Les aristocrates à la lanterne!”
Haben wir nicht vor wenigen Tagen gelernt, man solle Äpfel nicht mit Birnen vergleichen und daher Israels Militärausgaben nicht mit den Ausgaben für Feuerschutz vergleichen?
Zugegeben, wir wollen nicht kleinlich sein, und es ist ein riesengroßer Unterschied, ob man Geld für eine Militärflugzeug oder ein Löschflugzeug ausgibt. Dagegen erschließt sich der Zusammenhang zwischen der Steuer-CD und dem Besuch des adlegen Ehepaars nur Ignoraten nicht, während für alle anderen der Zusammenhang derart offensichtlich ist, dass es nur folgerichtig ist, beide Themen in einem Blog-Beitrag zu vermischen.
Und es ist auch klar, dass diejenigen, die der Ehefrau des amerikanischen Präsidenten eine Sonderrolle zusprechen, diese Rolle auch der Ehefrau eines deutschen Kriegs- äh, Verteidigungsministers zusprechen müssen. Immerhin ist letztere sogar blond und adelig und hat daher viel höhere Qualitäten als irgendeine farbige Amerikanierin. Daher sollte es auch bejubelt werden, wenn die eifrige Ehefrau alles tut, um ihren Mann im besten Licht erscheinen zu lassen, denn in Wirklichkeit sorgt sie sich ja nur um das Leben unserer Jungs. Es ist wirklich bedauernswert, dass die SZ diese Zusammenhänge nicht erkennt und eine billige und peinliche PR-Aktion vermutet, wo es doch nur ein Schaulaufen des Hoffnungspaares der Zukunft war. Hoffentlich bleibt uns diese Zukunft jedoch erspart!
@Beeblebrox
Es geht nicht um das Bejubeln irgendwelcher Sonderrollen, sondern darum, dass die SZ sich nicht zu doof dafür ist, Persönlichkeiten des eigenen politischen Lagers im schleimigen Stil einer ‘Bunten’ oder ‘Gala’ zu hofieren, während man bei der Gegenseite stets den ‘kritischen’ und ‘investigativen’ Journalisten in sich entdeckt, der Dinge, denen man eben noch selber gefrönt hat, plötzlich als peinlich und unzumutbar empfindet.
Noch peinlicher ist eigentlich nur, dass man die Haut- oder Haarfarbe der jeweiligen Protagonistin mit in die Argumentation nehmen muss, wo dann Farbige immer edelmütig, gut und bewundernswert daherkommen, während Blonde stets die kalten, doofen und ‘arischen’ sind.
Rückschlüsse auf Charaktereigenschaften durch Analyse der Gene? Irgendwo habe ich vor Kurzem mal so etwas gelesen. Allerdings fand die SZ das überhaupt nicht lustig…