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Feminismus - Neu entdeckt, nur bei SZ

15. November 2010 von Jaspis

In der letzten Woche hielt Alice Schwarzer in der Frankfurter Paulskirche eine Laudatio zu Ehren von Necla Kelek, die in diesem Jahr den „Friedenspreis“ der Naumann-Stiftung erhielt. Der in vielerlei Hinsicht durchaus lesenswerte Text ist auf Alice Schwarzers Homepage vollständig nachzulesen. [1]

Aber nicht nur, dass die Ehrung Necla Keleks wie bereits im letzten Jahr, als sie den Hildegard-von-Bingen-Preis für Publizistik erhielt, der Süddeutschen kein Wort der Erwähnung wert war, auch Alice Schwarzers Laudatio interessierte keinen. Was sie zu sagen hat, interessiert allenfalls dann, wenn man ihre Worte einer noch unbeliebteren Frau um die Ohren schlagen kann: Kristina Schröder. Und so gab es also kein Wort zu Necla Kelek oder Alice Schwarzer zu Necla Kelek, dafür aber:



schwarzer-giftet



Oliver Das Gupta scheint also schon ein Leser Schwarzers zu sein, denn noch am Tag der Veröffentlichung von Alice Schwarzers Offenen Brief an Kristina Schröder [2] hatte er bereits einen Artikel dazu verfasst.  [3] Mit Wonne scheint er Schwarzers Verbalattacken gegen Schröder wiederzugeben.

Im letzten Absatz des offenen Briefes setzt Schwarzer zur finalen Polemik an. Sie spricht der jungen Ministerin jegliche Kompetenz ab, Irrtum ausgeschlossen: “Ich halte Sie für einen hoffnungslosen Fall. Schlicht ungeeignet.”
Eine Job-Empfehlung gibt die Feministin der Politikerin, die bereits im Backfischalter für Helmut Kohl schwärmte, noch mit auf den Weg: “Vielleicht sollten Sie Pressesprecherin werden”, schreibt Schwarzer, “Pressesprecherin der neuen, alten, so medienwirksam agierenden, rechtskonservativen Männerbünde und ihrer Sympathisanten”.
Bild-Gerichtsreporterin Alice Schwarzer (Fall Kachelmann) hilft Kristina Schröder bei einem Jobwechsel sicher gerne weiter.

Doch zeigt Oliver Das Gupta ebenso wie übrigens auch Alice Schwarzer, dass er das SPIEGEL-Interview zwar zur Hand hatte, es aber allenfalls oberflächlich gelesen haben kann. Oder mit einer Schablone, die nur das durchlässt, was genehm scheint.

Ein näheres Hinsehen hätte indes durchaus gelohnt. Die Ministerin sah sich zwei männlichen Interviewern, René Pfister und Markus Feldenkirchen, gegenüber [4], die es - anders als manch ihrer Kollegen bei der SZ - geschafft haben, durchaus kritische Fragen zu stellen, Informationen zu bekommen und dennoch ein unübersehbares Augenzwinkern zu hinterlassen. Etwa beim Thema “Jungenförderung”:

SPIEGEL: Eine Ihrer ersten Amtshandlungen war ja, ein Referat für die Opfer des Feminismus einzurichten.
Schröder: Tut mir leid, aber ein Referat mit solch einem Namen gibt es im Bundesfamilienministerium nicht.
SPIEGEL: Ein Referat für Jungs. Wer hat Sie auf diese komische Idee gebracht?

Dass Jungen gefördert werden sollen, scheint den Interviewern ebensowenig einzuleuchten wie Alice Schwarzer. Die Ausführungen der Ministerin waren aber durchaus stringent.

Schröder: Fest steht: Jungs sind schlechter in der Schule als Mädchen, sie gehen häufiger auf die Hauptschule, sie bleiben häufiger sitzen. Und keiner kann mir erzählen, dass Jungs dümmer sind als Mädchen.
SPIEGEL: Das ist ja nett von Ihnen.
Schröder: So bin ich eben.
SPIEGEL: Wir hatten, offen gesagt, den Eindruck, dass wir Männer bislang ganz gut ohne Ihre Hilfe klarkamen: Von den 185 Dax-Vorständen in Deutschland sind immerhin 181 männlich.
Schröder: Ich fände es aber ganz mies, den Jungs zu sagen: weil die Männer die vergangenen Jahrtausende unbestritten die Vorherrschaft besaßen, werden ihr jetzt in der Schule nicht vernünftig gefördert.

Ein solcher Interview-Stil mag am Interviewer Oliver Das Gupta genagt haben, wer weiß. Was er davon transportiert, ist jedenfalls lediglich

Die Reporter forschten bei der Frauenministerin gegen Ende des Gesprächs auch indirekt nach, ob sie die Polit-Karriere ihrem Traum von Kindern opfern wolle - schließlich sei sie 33 und noch ohne Nachwuchs. “Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich darauf antwortete”, erwiderte die Ministerin. Der Ton dürfte frostig gewesen sein.

Das Foto aus dem Spiegel-Artikel gibt recht deutlich wieder, wie “frostig”:



frostiger-ton



Dabei ist Oliver Das Gupta nicht der Einzige, der Kristina Schröder Haltungen andichtet, die in dem Interview nicht wirklich zu finden sind. Cathrin Kahlweit steht ihm da in nichts nach. [5] Auch sie nimmt Bezug auf das SPIEGEL-Interview und behauptet

Schröder denkt und argumentiert wie viele Frauen ihres Alters, die gut ausgebildet und chancenreich in ihr Berufsleben gestartet sind. Frauenförderung ist für sie ein antiquiertes und unnötiges Instrument, Feminismus eine Ideologie des vergangenen Jahrhunderts und Gehalt eine Sache selbstbewussten Verhandelns.
Ihr Credo: Der Feminismus alter Schule hat sich selbst überlebt, weil schon so viel erreicht ist.

Das ist allerdings nichts als eine blanke Unterstellung und in dem Interview an keiner Stelle zu finden, auch zwischen den Zeilen nicht.

Es ist eine schöne neue Welt, die Welt der Bundesfrauenministerin. Gewiss, diese Welt gibt es - auch. Es ist eine Welt, in der nur die Qualifikation zählt, und in der Frauen und Männer gemeinsam Verantwortung übernehmen für Unternehmenserfolge und Familienglück. Es ist eine Welt neuer Männer, verblassender Rollenbilder, familienfreundlicher Arbeitsstrukturen. Die demographische Entwicklung und der Arbeitskräftemangel werden dafür sorgen, dass sich eines Tages immer mehr gut ausgebildete, zielstrebige Frauen da bewegen werden, wo Frau Schröder sich selbst und ihre Klientel schon angekommen sieht.

polemisiert Kahlweit. Aber bezogen auf Kristina Schröder und ihr Interview mit dem SPIEGEL schießt sie vollends daneben. Darin hätte sie etwa lesen können:

Schröder: (…) die Wahrheit sieht doch so aus: Viele Frauen studieren gern Germanistik und Geisteswissenschaften, Männer dagegen Elektrotechnik - und das hat dann eben auch Konsequenzen beim Gehalt. Wir können den Unternehmen nicht verbieten, Elektrotechniker besser zu bezahlen als Germanisten.
SPIEGEL: Die Frauen sind also selbst schuld, wenn sie weniger verdienen?
Schröder: Zumindest müssen sie sich darüber bewusst sein, dass mit bestimmten Berufswünschen gewisse Einkommensperspektiven verbunden sind.
SPIEGEL: Es gibt gar keine echte Benachteiligung der Frauen bei der Bezahlung?
Schröder: Natürlich, in mehrfacher Hinsicht sogar. Erstens wird Frauen oft noch jahrelang nachgetragen, wenn sie für die Familie eine berufliche Auszeit genommen haben. Zweitens bekommen Frauen, die Teilzeit arbeiten, dafür im Schnitt rund 6,5 Prozent weniger Lohn als Männer. Hinzu kommt, dass viele Frauen auch einfach schlecht verhandeln. Viele sind froh, wenn ihnen der Wiedereinstieg ins Berufsleben gelingt - Hauptsache, das Job ist einigermaßen kompatibel mit der Familie. Genau das ist falsch! Wir Frauen glauben oft, wir müssten uns damit beliebt machen, dass wir bescheiden sind. Die Personalchefs denken aber: Wer sich so günstig hergibt, kann auch nicht besonders gut sein. In diesem Punkt müssen Frauen sehr, sehr viel selbstbewusster und tougher werden.

SPIEGEL: Teilen Sie die Meinung Ihrer Vorgängerin Ursula von der Leyen, dass die Gleichberechtigung erst dann erreicht ist, wenn durchschnittliche Frauen in Führungspositionen sitzen?
Schröder: Das ist ein guter Punkt. Es ist ja schon so, dass Frauen im Job oft sehr viel besser sein müssen als Männer, um den Wunschposten zu bekommen.

Nach der “schönen neuen Welt”, die Kahlweit der Ministerin unterstellt, hört sich das wahrlich nicht an.



feminismus-light



Aber was kann es denn dann noch sein, was Kristina Schröder so unbotmäßig von sich gegeben hat?

Allerdings müsste es die Ministerin irritieren, dass jenes scheinbar antiquierte Instrument der Quote, das sie als “Kapitulation der Politik” bezeichnet, in letzter Zeit wieder äußerst populär geworden ist.

Das ist es also: Die Quote. Schröder hat sich gegen die Frauenquote geäußert.

SPIEGEL: Warum haben Sie nicht längst eine Quote für Frauen in Führungspositionen verlangt?
Schröder: Weil eine Quote immer auch Kapitulation der Politik ist.

Für Cathrin Kahlweit ist das Bekenntnis zur Frauenquote offenbar gleichbedeutend mit dem Bekenntnis zum Feminismus. Wer sie ablehnt, wie Kristina Schröder, gehört für sie zu den

jungen, hoffnungsfrohen Mädchen, die heute gern betonen, sie seien um Himmels willen keine Feministinnen, setzen stattdessen darauf, dass die Chancengleichheit in dem Maße wächst, wie Männer freiwillig und einsichtig ihre Machtpositionen räumen.

Dabei übersieht Kahlweit allerdings, dass auch gestandene Feministinnen bisweilen gar nichts von der Quote halten. Susanne Baer, etwa, die auf Vorschlag der Grünen in der letzten Woche zum Bundesverfassungsgericht berufen wurde, einst Dozentin für “Feministische Rechtswissenschaft” an der Humboldt-Universität, und die sich selbst als radikale Feministin bezeichnete, meinte seinerzeit [6]

Quotenregelungen, so Baer, das seien Notlösungen. “Es sind Gesetze, die Ungleichheit festschreiben, um Ungleichheit zu beenden.” Auch für die Frauenbewegung liege darin ein Dilemma: “Einerseits sollen die Regelungen der Emanzipation dienen, andererseits machen sie aus der Frau ein Opfer, dem man helfen müsse - und das dient der Emanzipation nun nicht gerade.”

Beide Standpunkte haben durchaus ihre Berechtigung. Cathrin Kahlweit sei ihre Meinung auch unbenommen. Daraus aber Rückschlüsse auf Ministerin Schröders Haltung zum Feminismus zu ziehen, ist schlicht unredlich.



Insgesamt ist es ein jämmerliches Bild, das die SZ in Bezug auf Kristina Schröder und den Feminismus abgibt: Hier Oliver Das Gupta, der sich hinter Alice Schwarzers Rockzipfel versteckt, und dort Cathrin Kahlweit, die Kristina Schröder falsche Thesen in den Mund legt, beides um die Ministerin zu kritisieren.

Liebe SZ-Redakteure, ist Ihnen das nicht ein bisschen zu billig? Kritisieren Sie, gerne, aber dann doch bitte mit Argumenten und Tatsachen. Und wenn Sie schon Ihr Faible für den Feminismus entdeckt haben: Dann wenden Sie ihn doch bitte da an, wo er dringend gefragt ist.





Jaspis





[1] http://www.aliceschwarzer.de/publikationen/aliceschwarzer-artikel-essays/ueber-islamismus-integration-schamtuecher/
[2] http://www.aliceschwarzer.de/publikationen/blog/?tx_t3blog_pi1[blogList][showUid]=54&tx_t3blog_pi1[blogList][year]=2010&tx_t3blog_pi1[blogList][month]=11&tx_t3blog_pi1[blogList][day]=08&cHash=69bb339dd9
[3] http://www.sueddeutsche.de/politik/feminismus-schwarzer-keilt-gegen-schroeder-sie-sind-ein-hoffnungsloser-fall-1.1021221
[4] SPIEGEL 45/2010, S. 54 ff
[5] http://www.sueddeutsche.de/kultur/kristina-schroeder-und-der-feminismus-schoene-neue-welt-1.1022739
[6] http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/gesundheit/die-rechtstheoretikerin-susanne-baer-sucht-nach-juristischen-wegen-zur-gleichberechtigung/86800.html

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