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Die SZ und die Pogromnacht - 2010

9. November 2010 von Jaspis

Dass Heribert Prantl oft ganz offensichtlich überhaupt nicht weiß, wovon er schreibt, hat er nicht nur einmal bewiesen. Auch dass er Urteile, die er kommentiert, offenbar nicht liest, sondern allenfalls Schlagworte dazu nutzt, seine Standpunkte als angeblichen Richterspruch unterzujubeln, ist nichts Neues.  [1]

Dass er sich in dieser ideologiegesteuerten Ignoranz nun am Gedenken an die Reichspogromnacht an den Juden vergreift, ist so widerwärtig, dass es mir fast die Sprache verschlägt. [2]



heuchler-prantl


Heuchelei beim Gedenken an die Pogromnacht: Muslime werden im Namen christlich-jüdischer Tradition ausgegrenzt. Doch was Politiker gerne beschwören, gibt es so nicht.

So innig wie heute war die Beziehung zwischen Christen und Juden in Deutschland noch nie. Die neue Innigkeit ist nicht von Theologen und Pastoralklerikern ausgerufen worden, sondern von Politikern. Im Jahr 72 nach der Reichspogromnacht haben sie etwas entdeckt, was es nicht gibt: eine christlich-jüdische Tradition, eine gemeinsame Kultur.

Und weil es diese Tradition ja überhaupt gar nicht gibt, hat sie jemand erfunden, Prantl weiß natürlich auch wer: Rechtspopulisten waren das, Geert Wilders und Thilo Sarrazin natürlich, und die CDU.

Die deutsche Politik drückt die alte, früher stigmatisierte Minderheit der Juden an die Brust, um die neue Minderheit, die Muslime, zu stigmatisieren. Die Juden werden missbraucht, um die Muslime als unverträglich zu kennzeichnen.

Und die machen dabei auch noch mit:

Diese Sortierung wird nicht dadurch besser, dass muslimische Milieus oft sehr antisemitisch sind. Weil aber dieser Antisemitismus von der deutschen Mehrheitsgesellschaft lange kaum beachtet wurde, gibt es in jüdischen Gemeinden Sympathien für die gesellschaftliche Ausgrenzung deutscher Muslime.

Dabei müsste der Jude doch nur eines endlich begreifen:

Juden sind in jüngerer Zeit immer wieder genötigt worden, Selbstverständliches einzuräumen: Dass man, ohne als Antisemit zu gelten, Israel kritisieren dürfe.

- Wie diese “Israelkritik” in der Vorstellung der SZ-Redakteure aussieht, müssen wir immer wieder feststellen. [3]

Zusammengefasst:

1. Eine jüdisch-christliche Tradition gibt es nicht.

2. Wer das trotzdem behauptet, ist ein Rechtspopulist.

Als erstes wird Heribert Prantl mit dieser Erkenntnis vermutlich daran gehen, die Aufhebung der Ladenöffnungszeiten an Sonntagen zu fordern, denn die basieren schließlich auf etwas, das es gar nicht gibt.

Jedoch:

Soweit Art. 139 WRV an den Sonntag und an die staatlich anerkannten religiösen Feiertage in ihrer überkommenen christlichen Bedeutung als arbeitsfreie Ruhetage anknüpft, deckt er sich im lebenspraktischen Ergebnis in seinen Wirkungen weitgehend mit der sozialen Bedeutung der Sonn- und Feiertagsgarantie. Er hat insoweit seine Wurzeln im jüdischen Sabbat (Samstag). Das jüdische Verständnis des Sabbats als heiliger Ruhetag wurde später auf den Sonntag übertragen (vgl. Bergholz, in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. XXXI, 2000, Artikel Sonntag, S. 451 ff.).
In der neuzeitlichen Interpretation durch die großen öffentlichrechtlich verfassten christlichen Religionsgemeinschaften kommt dem Sonntag und den religiös-christlichen Feiertagen auch die Aufgabe zu, Schutz vor einer weitgehenden Ökonomisierung des Menschen zu bieten. So heißt es etwa im Katechismus der Katholischen Kirche (Rn. 2172), der Sonntag unterbreche den Arbeitsalltag und gewähre eine Ruhepause; er sei ein Tag des Protestes gegen die „Fron der Arbeit“ und die „Vergötzung des Geldes“. Das Leben der Menschen erhalte durch die Arbeit und die Ruhe seinen Rhythmus (Rn. 2184). Im Evangelischen Erwachsenenkatechismus (6. Aufl. 2000) wird hervorgehoben, der Mensch und die Gesellschaft brauchten den Sonntag, um zu erfahren, dass Produktion und Rentabilität nicht den Sinn des Lebens ausmachten. Nach diesem Verständnis ist der „Rhythmus von Arbeit und Ruhe” ein „zentraler Rhythmus der christlich-jüdischen Kultur“ (S. 424 f., S. 457). [Hervorhebungen Jaspis]

Da behauptet doch tatsächlich jemand, die hierzulande geltende Wocheneinteilung mit arbeitsfreiem Sonntag sei ein „zentraler Rhythmus der christlich-jüdischen Kultur“. Das kann per Definitionem Prantliensis nur ein Rechtspopulist sein, der die Juden missbraucht, um Muslime auszugrenzen, denn wir haben ja gelernt: Eine christlich-jüdischen Kultur gibt es überhaupt nicht.

Nun, tatsächlich entstammen diese Feststellungen dem auch von Prantl selbst bejubelten (aber jedenfalls anscheinend nicht zur Kenntnis genommenen) [4] Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Dezember 2009. [5]

Man wird in Karlsruhe interessiert zur Kenntnis nehmen, was ein Journalist, der immerhin auch einmal Jura studiert hat, von den Verfassungshütern hält.



Das, was Prantl & Kollegen nicht begreifen wollen und was auch Bundespräsident Christian Wulff entweder nicht verstanden oder zumindest mehr als missverständlich ausgedrückt hat, ist: Judentum und Christentum haben unsere Gesellschaft und unser Leben geprägt. Das mag zum Missfallen mancher oder auch vieler geschehen sein, aber es lässt sich nicht hinwegdiskutieren.

Diese Prägung erfolgte in vielen Jahrhunderten. Sie hat die Entwicklung der Gesellschaft geformt. Der Islam hat das nicht getan. Dazu hatte er noch gar nicht ausreichend Gelegenheit. Dass die Religion Islam in Deutschland ihre Daseinsberechtigung hat, ergibt sich aus dem Grundgesetz. Dass es in Deutschland eine nicht unbedeutende Zahl an Gläubigen des Islam gibt, ist eine Tatsache. Insofern “gehört” der Islam zu Deutschland wie z.B. auch der Buddhismus oder der Hinduismus.

Das bedeutet aber nicht, dass all den Religionen, die zu Deutschland “gehören”, weil sie eben die Religion der hier lebenden Menschen sind, auch den gleichen Stellenwert und den gleichen Einfluss auf die hiesige Kultur haben wie die hier gewachsenen Religionen Judentum und Christentum. Letztere haben unser Leben geprägt, andere nicht. Wenn große Teile der Bevölkerung nicht wollen, dass Kulturen, die sie für sich selbst ablehnen, Einfluss auf die hiesige Kultur nehmen, dann heißt das noch lange nicht, dass deshalb die Menschen, um deren Kulturen es sich dabei handelt, ausgegrenzt werden sollen.

Genau das aber ist den Juden passiert. Die Menschen wurden ausgegrenzt, verfolgt und ermordet. Es ging nicht um das, was sie getan haben oder das, was sie wollten. Sie wurden allein wegen der Tatsache verfolgt, dass sie Juden waren. Und sie werden es auch heute noch.

Am 9. November wird daran erinnert. Es ist der Gedenktag für verfolgte Juden.

Schlimm genug, dass sich die Besinnung auf die Vergangenheit beschränkt und hochaktuellen Judenhass ganz einfach ausblendet.

Heribert Prantl hat die Chuzpe, den Juden auch diesen Tag noch zu nehmen.





Jaspis





[1] http://www.suedwatch.de/blog/?cat=4
[2] http://www.sueddeutsche.de/politik/gedenktag-november-der-missbrauch-der-juden-durch-die-politik-1.1021220
[3] http://www.suedwatch.de/blog/?cat=7
[4] http://www.suedwatch.de/blog/?p=2153
[5] http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20091201_1bvr285707.html

Geschrieben in Antisemitismus, Prantl-ismus | Kommentar

1 Reaktion zu “Die SZ und die Pogromnacht - 2010”

  1. am 21 Sep 2011 um 22:481suedwatch.de » Blog Archiv » “Die Ablehnung der Papstrede ist legitim, aber falsch”

    [...] entdeckt, was es nicht gibt: eine christlich-jüdische Tradition, eine gemeinsame Kultur.”) [2] als “Rechtspopulist” geoutet hat. Da sind wohl ein paar Drähte des SZ-Computers [...]

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Übersetzung von Fabian Künzel