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Gutenachtgeschichte

27. Oktober 2010 von Jaspis

Heute Abend wurde ein interessanter Eye-Catcher auf der Starseite von seuddeutsche.de platziert:

startseite

“Jugendgewalt in Europa - Muslimische Jugendliche nicht gewalttätiger” [1]

Ach, schön, denke ich mir, und lese weiter:

Die Zugehörigkeit zum Islam führt einer EU-Studie zufolge bei Jugendlichen nicht zu einer höheren Gewaltbereitschaft. Vielmehr verleite das Gefühl, diskrimiert zu werden, junge Menschen zu Gewalt, heißt es in einer Studie der EU-Grundrechteagentur, die am Mittwoch in Wien vorgestellt wurde.
“Wenn die Faktoren Diskriminierung und soziale Ausgrenzung berücksichtigt werden, gibt es keinerlei Hinweis darauf, dass junge Muslime eher bereit sind, physische oder psychische Gewalt anzuwenden als junge Nicht-Muslime”, heißt es in der Studie, für die 3000 Jugendliche in Frankreich, Großbritannien und Spanien befragt wurden.

Dann ist also das Gefühl, diskriminiert und sozial ausgegrenzt zu werden, der Grund, gewalttätig zu werden, mit anderen Worten, wenn die Gesellschaft, die ja ohnehin die wahre Ursache für die Gewaltbereitschaft von Tätern ist, sich endlich einmal richtig verhält und keinen ausgrenzt, dann gibt es auch keine Gewalt mehr. Oder zumindest viel, viel weniger davon.

Nun bin ich allerdings ein wenig ratlos. Welche Schlüsse soll ich denn aus dieser Meldung ziehen? Dass z.B. rechtsradikale Baseballschläger-Schwinger, die Ausländer oder Obdachlose totprügeln, eigentlich ganz putzige Kerlchen wären, die keiner Fliege ein Bein krümmten, würde man sie nur nicht wegen ihrer menschenverachtenden Gesinnung sozial ausgrenzen? Oder soll ich mir zusammenreimen, dass die Aussage “Muslimische Jugendliche nicht gewalttätiger” zumindest auf Franzosen, Briten und Spanier zutrifft, aber jedenfalls nicht auf Deutsche. Wie ich darauf komme? Durch den Artikel von Roland Preuß, der vor wenigen Monaten erst erschienen ist[2] - und der übrigens sinnigerweise mit demselben Foto illustriert wurde wie der heutige:



die-faust-zum-gebet


jugendgewalt-in-europa



Auch in dem früheren Artikel wurde nämlich eine Studie vorgestellt. Eine des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen. Für diese Studie wurden in 61 deutschen Städten und Landkreisen 45.000 Jugendliche zwischen 14 und 16 Jahren befragt (zum Vergleich: Das waren fünfzehn Mal so viele Personen wie bei der EU-Studie, die diese 3.000 auch noch auf drei Länder verteilt befragte), unter ihnen gut 10.000 Migranten.

mit erschreckendem Ergebnis: Vor allem Jungs aus muslimischen Zuwanderer-Familien zeigten sich im Vergleich zu ihren Altersgenossen als besonders gewalttätig, das heißt, sie begingen nach eigenen Angaben (und nach Angaben der Opfer) häufiger Delikte wie Körperverletzung und Raub.

Die Kriminologen interessierte zudem der Zusammenhang mit der Religion, sie fragten die Schüler, wie gläubig sie sind - mit ebenfalls sehr bedenklichen Resultaten: Häufiges Beten und Moscheebesuche bremsen die Gewaltbereitschaft nicht: Wer besonders religiös lebt, das legt die Statistik nahe, schlägt sogar häufiger zu (siehe Grafik). Bei evangelischen und katholischen Jugendlichen zeigte sich eine gegenläufige Tendenz: Wer seinen Glauben lebt, begeht seltener jugendtypische Straftaten wie Raub, Sachbeschädigung oder Ladendiebstahl. Dies gilt gerade auch für christliche Zuwanderer, die meist aus Polen oder der ehemaligen Sowjetunion stammen.

Natürlich spielten auch soziale Ursachen hier eine große Rolle, weshalb auch untersucht wurde, welchen Schulabschluss die Jugendlichen anstreben, ob die Eltern arbeitslos sind oder Hartz IV beziehen und das Geschlecht.

“Doch selbst wenn man diese Faktoren herausrechnet, bleibt ein signifikanter Zusammenhang zwischen Religiosität und Gewaltbereitschaft”, sagt der federführende Autor, Christian Pfeiffer.

Und während muslimische Mädchen ebenso selten auffielen wie ihre Mitschülerinnen anderer Konfession, gebe es eine Schere zu Ungunsten muslimischer Jungen bei den schwerer wiegenden Gewalttaten, weshalb man auch nicht von einem direkten Zusammenhang zwischen muslimischem Glauben und Gewaltbereitschaft, sondern von einem indirekten spreche.

Vor allem das Bild vom starken Mann, der zuschlagen kann, war bei den muslimischen Jungen aus Zuwandererfamilien weit verbreitet: Sie stimmten mehr als doppelt so häufig Macho-Aussagen zu wie christliche Zuwanderer - am häufigsten die “sehr Religiösen” (22,3 Prozent). Auch beim Konsum von Gewaltspielen und bei der Zahl straffälliger Freunde schnitten sie am schlechtesten ab. Hinzu kommt, dass sich gläubige Muslime auch am wenigsten im Land integriert fühlen: Unter den sehr religiösen Türken, der größten Muslim-Gruppe, fühlen sich nur 14,5 Prozent als Deutsche, obwohl sie zu 88,5 Prozent im Land geboren sind.

Damit mich hier keiner falsch versteht: Der einzige Grund, diese Unterscheidung der Ursache der Gewaltbereitschaft vorzunehmen, darf die Prävention sein. Nur wenn man die Ursachen kennt, kann man an ihnen ansetzen.

Solche Ergebnisse bergen Sprengstoff in der Zuwanderer-Debatte, sie klingen nach Roland Kochs Kampagne gegen ausländische Kriminelle und Thilo Sarrazins Muslim-Schelte; Islamfeinde werden sie dankbar aufnehmen. Das ist Christian Pfeiffer bewusst, auch er findet die Ergebnisse schwierig, schließlich zählte er zu den scharfen Kritikern von Kochs Ausländer-Kampagne. Die Ergebnisse lägen vor, sagt er, doch die Politik könne die Lage ändern.

“Wir müssen verhindern, dass Integrationsbemühungen zunichte gemacht werden durch Imame, die türkische Heimatkunde und ein reaktionäres Männerbild predigen.”

Nun gut, das ist nun nicht mehr nötig, denn das hat sich ja jetzt durch diese sensationelle EU-Studie erübrigt. Allein - die Widersprüche zwischen den beiden Studien bestehen noch immer. Wie hilfreich wäre es da, wenn die heutige Meldung aus etwas mehr als nur ein paar Schlagworten bestünde und weitergehendere Informationen böte. Aber Fehlanzeige. Hilfreich wären auch weiterführende Links, vielleicht sogar auf die Studie selbst. Ein derartiger Link wäre allerdings - zugegeben - ein Novum für sueddeutsche.de. Die Links, die man in deren Texten findet, könnte sich die Redaktion auch sparen. In diesem Artikel sind genau drei Worte mit einem Link hinterlegt, einer nichtssagender als der andere. Es handelt sich um die Worte (das jeweilige Bild darunter zeigt das Ergebnis des Klicks auf den Link):

“Islam”



islam



“Frankreich”



frankreich



und “Religionszugehörigkeit”.

religionszugehorigkeit

Der innere Zusammenhang von “Thema: Clubs —Feiern in München” mit “Religionszugehörigkeit” (für die es trotz des Links offenbar kein eigenes Thema gibt, sondern die schlicht ein “aktuelles Thema” ist) ist in etwa gleich groß wie der Informationsgehalt der heutigen Meldung: Keiner. Aber der geneigte SZ-Leser kann sich bequem zurücklehnen. Denn wieder einmal ist ein Problem gelöst.





Jaspis





[1] http://www.sueddeutsche.de/politik/jugendgewalt-in-europa-eu-studie-islamische-jugendliche-nicht-gewalttaetiger-1.1016849
[2] http://www.sueddeutsche.de/politik/gewalt-unter-jugendlichen-die-faust-zum-gebet-1.954202

Geschrieben in SZ-Kritik Allgemein, SZchlamperei, VorBILD | Kommentar

1 Reaktion zu “Gutenachtgeschichte”

  1. am 11 Nov 2010 um 00:501Alrech

    NaJa, der Dr. Pfeiffer und das KfN.

    Nicht das ich was dagegen sagen würde.
    Dr. Pfeiffer, das KfN und sein Gründer, der ehemalige niedersächsische Innenminister Hans Dieter Schwind sind bei Kriminologen hoch angesehen.

    Und das obwohl Hans Dieter Schwind nach Zeitungsbrichten 1979 mitgeholfen hat den Sprengstoffanschlag auf die JVA Celle durchzuführen, in dem er den Leiter der Anstalt persönlich über den geplanten Anschlag informiert hat.

    Auch Herrn Doktor Pfeiffer hat es bislang nicht geschadet das er als Erstunterzeichner des “Kölner Aufrufs” der Bundeszentrale für politische Bildung vorwirft korrupt zu sein.

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Übersetzung von Fabian Künzel