Die Sorgfalt in kleinen Dingen
19. Oktober 2010 von Jaspis
Es ist ein kurioser Fall, der einen erschaudern lässt: Ein reichlich verzweifelter 26jähriger beschließt, seinem Leben ein Ende zu setzen. Zu diesem Zweck löst er einen Gutschein für einen Rundflug von Augsburg über München ein und versucht während des Rückfluges nach Augsburg, den Piloten mit einem Messer dazu zu zwingen, das Flugzeug zum Absturz zu bringen. Nicht auszudenken, wie viele Tote es gegeben hätte, wenn der Pilot dem nachgegeben hätte und die Maschine dabei in die zur Allianz-Arena strömenden Fußballfans gestürzt wäre. Doch statt dessen wehrte der Pilot, ein sehr erfahrener ehemaliger Bundeswehrsoldat, geradezu heldenhaft die Messerattacken ab, bei denen er am Arm und am Kinn verletzt wurde und schaffte es, gleichzeitig mit der anderen Hand die Cessna 172 zu halten und den Flug fortzusetzen. Der Lebensmüde sprang daraufhin aus dem Flugzeug und landete aus 500 Metern Höhe in dem Stüberl eines Reiterhofes, in dem glücklicherweise gerade niemand saß. Der 26jährige hatte schwere Drogenprobleme. Er hat einen Abschiedsbrief hinterlassen, in dem er seinen Selbstmord angekündigt hat.
Wolfgang Eitler berichtete davon für die Süddeutsche in einem recht ordentlichen Artikel am 17.10.2010. [1]
Das hätte man nun einfach so stehen lassen können. Aber das war wohl zu wenig. Und zu sachlich. Vielleicht musste deshalb am 18.10.2010 noch ein weiterer Artikel her. [2] Mangels wirklich neuer Erkenntnisse mussten eben die alten noch einmal herhalten, nur mit etwas mehr Sensationsgeist.
Plötzlich “weiß” Wolfgang Eitler, was am Vortag nur Vermutung war und was auch allenfalls die erst angeordnete Obduktion ergeben kann, dass nämlich die Drogensucht zu dem Todessprung geführt hat,
Drogensucht führt zu Sprung aus Flugzeug
Und weiter
Inzwischen wurde ein Abschiedsbrief gefunden.
Der war aber am Vortag schon gefunden worden und nicht “inzwischen”. Wolfgang Eitler hatte selbst darüber berichtet:
Außerdem fand die Augsburger Polizei in der Wohnung des Manns einen Abschiedsbrief, in dem die Tat angekündigt wurde. Zum weiteren Inhalt des Briefes will sich Polizeisprecher Kammerer nicht äußern. Er sagt nur: “Es handelt sich eindeutig um Selbstmord.” Auch sei 26-Jährige drogenabhängig gewesen.
Welchen Sinn und Zweck dieser weitere Artikel haben soll, der bereits Bekanntes wiederkäut und an Stelle von Neuigkeiten die Meldung selbst verändert bis verfälscht, erschließt sich nicht. Aber er hinterlässt neben dem Schauder über die Meldung selbst noch einen weiteren: Zu dem Umgang mit Meldungen.
Manchmal würden der SZ-Redaktion auch Bibelkenntnisse nicht schaden:
Wer im Geringsten treu ist, der ist auch im Großen treu; und wer im Geringsten ungerecht ist, der ist auch im Großen ungerecht. (Lk 16,10)
Wer es schon nicht schafft, bei einem so kleinen Artikel sorgfältig zu arbeiten, wie will der es dann nur bei den großen schaffen?
Jaspis
[1] http://www.sueddeutsche.de/muenchen/dachau/vermischtes/rundflug-ueber-muenchen-sprung-aus-flugzeug-in-den-tod-1.1012933
[2] http://www.sueddeutsche.de/muenchen/dachau/vermischtes/landkreis-dachau-drogensucht-fuehrt-zu-sprung-aus-flugzeug-1.1013238