“Wir wollen ein Miteinander in der Bevölkerung und nicht ein Nebeneinander oder gar Gegeneinander.”
16. Oktober 2010 von Jaspis
Horst Seehofer hat das Unfassbare getan: Er hat sich zur Integrationsdebatte geäußert und er hat das in einer Weise getan, die in etwa der Behauptung, die Erde sei eine Kugel, gleichkommt, zu einer Zeit, als man noch wusste, dass die Erde eine Scheibe ist.
“Wir wollen ein Miteinander in der Bevölkerung und nicht ein Nebeneinander oder gar Gegeneinander.”
sagte er dem Focus [1]. Und auf die Frage, was das konkret heiße, antwortete er mit 400 Schulklassen, die in Bayern beispielsweise dort neu gegründet worden seien, wo Migrantenkinder zahlenmäßig überwiegen, damit die Integration dieser Kinder besonders nachhaltig erfolgen könne. Es werde dem Prinzip “Keine Einschulung ohne Deutschkenntnisse” gefolgt.
“Und wir fordern eine klare Wertorientierung an unserer christlichen Tradition. Übersetzt bedeutet das: Ja zum Rechtsstaat und nein zur Selbstjustiz, keine Unterdrückung der Frauen, null Toleranz gegenüber Gewaltkriminalität, keine Bildung von Ghettos in Stadtvierteln. “
Trotz eines höheren Ausländeranteils in München, Nürnberg und Augsburg im Vergleich zu Berlin habe man in Bayern weniger Probleme. Und auf die darauf folgende Frage, ob das denn auch mit der Herkunft der Zuwanderer zusammenhänge, kam nun der Satz
“Es ist doch klar, dass sich Zuwanderer aus anderen Kulturkreisen, wie aus der Türkei und arabischen Ländern, insgesamt schwerer tun.”
Das ist nicht von der Hand zu weisen. Umgekehrt wäre es sicher nicht anders. (Ob das jemand ernsthaft will, steht allerdings auf einem anderen Blatt.)
Hierauf folgte die Frage, welche Schlüsse denn Seehofer daraus zöge, und darauf nun die Antwort:
“Daraus ziehe ich auf jeden Fall den Schluss, dass wir keine zusätzliche Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen brauchen.”
Wer daraus nun die Forderung nach einem Zuwanderungs-Stopp dichten möchte, sollte sich zum einen die allgemeine Tatsache vergegenwärtigen, dass sehr wohl, und auch von Seehofer unbestritten, Zuwanderer an sich gebraucht werden. Auch ein Blick auf die folgenden Sätze wäre recht hilfreich gewesen. Denn weiter geht es:
“Wir werden ohnehin ab Mai nächsten Jahres die EU-Freizügigkeit für Arbeitnehmer aus Osteuropa haben. Den Fachkräftemangel beheben wir nicht durch Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen: Erst einmal müssen wir das her vorhandene Potenzial ausschöpfen.”
Dass in der Vergangenheit gerade ungebildete Arbeitskräfte für ungelernte Tätigkeiten nach Deutschland geholt wurden, wird niemand ernsthaft bestreiten können, ebensowenig die Fehler im Umgang mit ihnen, die zu den aktuellen Problemen geführt haben, aber auch die gute Integration der überwiegenden Mehrheit. Dazu Seehofer:
“Wir müssen uns mit den Menschen beschäftigen, die bereits hier leben. 80 bis 90 Prozent sind ja gut integriert.”
“Wer in der Fremde wie ein Fremder leben will, dem mangelt es an Integrationswillen. Das ist genau das, was die Bürger zu recht einfordern: Dass die Maßstäbe die richtigen bleiben müssen, dass Regel und Ausnahme nicht vertauscht werden. Das gilt übrigens nicht nur für Zuwanderer.”
Es hätte durchaus Kritikwürdiges an diesem Interview Seehofers mit dem Focus gegeben. Gerade diese obigen Sätze aber, die nur aus dem Zusammenhang gerissen und erst mit Fehlinterpretationen und Unterstellungen beanstandet werden können, sind es dagegen nicht. Bloß kümmert das keinen, erst recht nicht bei der SZ, schließlich kämpft man für “den” Islam und gegen die CSU und da ist jedes Mittel recht. In einer Flut von über 15 Artikeln zum Thema innerhalb von nur zwei Tagen ging es Seehofer in bester Boulevard-Manier an den Kragen:
So…
CSU-Chef Seehofer fordert einen Zuzugsstopp für Muslime
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer hat einen Zuzugsstopp für Muslime gefordert [2]
…wird schon in den reinen “Tatsachen”-Artikeln falsch berichtet.
Seehofers Hinweis auf die Fehlinterpretationen gab allenfalls Anlass zur Häme: [3]
CSU-Chef Seehofer verbittet sich Kritik: Einen Zuwanderungsstopp für Türken und Araber will er nie gefordert haben. Seine umstrittenen Äußerungen beträfen nur den Fachkräftemangel in Deutschland. Im Original liest sich das jedoch anders.
Doch das ist genauso falsch wie
hatte sich in einem Interview für einen Zuwanderungsstopp von Menschen aus fremden Kulturkreisen ausgesprochen
Das Wort “Zuwanderungsstopp” hatte Seehofer tatsächlich nicht in den Mund genommen, im Interview hatte er aber unter anderem gesagt: “Es ist doch klar, dass sich Zuwanderer aus anderen Kulturkreisen wie aus der Türkei und arabischen Ländern insgesamt schwerer tun. Daraus ziehe ich auf jeden Fall den Schluss, dass wir keine zusätzliche Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen brauchen.” Er fügte hinzu: “Ich habe kein Verständnis für die Forderung nach weitergehender Zuwanderung aus fremden Kulturkreisen.”
Die restlichen Zitate werden eben schlicht unterschlagen, was für eine Tatsachenberichterstattung, die diesen Namen noch nicht einmal verdient, bereits ein Armutszeugnis ist.
Nicht viel besser läuft es bei den Kommentaren. Man kann und darf von Seehofer und seinen Äußerungen halten, was man will. Ihm aber bewusst Falsches zu unterstellen, um daraus gleich im Vorgriff für die Leser entsprechende Schlüsse zu ziehen, das ist keine Meinungsäußerung mehr, das ist Hetze. Denn wenn jemand wegen seiner Worte kritisiert werden soll, dann doch wohl wegen der Worte, die er auch gesagt hat, und nicht wegen derer, die man ihm hinzugedichtet hat.
Bei Roland Preuß ist es [4]
Im Grunde lebt Horst Seehofer bereits in einer Welt, die ihm gefallen müsste, nämlich in der Null-Zuwanderungs- Welt.
Unsinn ist diese Unterstellung. Seehofer wies selbst auf den demnächst durch die EU-Freizügigkeit zu erwartenden Zustrom aus Osteuropa hin, mit dem er (wie alle anderen auch) rechnet und gegen den er mit keiner Silbe etwas auszusetzen hatte.
Sichtbar wird dies an der Seehofer- Forderung, der Fachkräftemangel dürfe nicht durch Einwanderer aus anderen Kulturkreisen behoben werden.
Als Angehörige eines anderen Kulturkreises hat sie Seehofer nun dennoch zu unerwünschten Zuwanderern erklärt.
Auch das ist falsch. Nur weil man jemanden nicht braucht, heißt das noch lange nicht, dass er nicht kommen darf. Es heißt vielmehr, dass man ihn nicht ausdrücklich sucht. Und nur weil Seehofer feststellt, dass jemand, der eine gänzlich andere Kultur pflegt, sich schwerer damit tut, die hiesige anzuerkennen, heißt das noch nicht, dass alle Angehörigen dieser Kultur “unerwünschte Zuwanderer” wären.
[5]
Der bayerische Ministerpräsident attestiert Millionen Menschen, dass sie nicht nach Deutschland passen.
Horst Seehofer hat gesagt, dass Zuwanderer aus anderen Kulturkreisen wie der Türkei und arabischen Ländern, “sich insgesamt schwerer tun”, weshalb weitere Zuwanderer von dort unerwünscht seien.
Menschen, unter ihnen vielen deutschen Staatsbürgern, attestiert, dass sie kulturell nicht nach Deutschland passen.
Das ist schon mehr als Meinungsäußerung. Das ist schlichtweg frei erfunden: Es ist eine Unterstellung.
Kurt Kister steigert das ganze zum “Ludergeruch” [6]
es ist gefährlich, wie CSU-Chef Horst Seehofer über “fremde Kulturkreise” daherredet. In der Krise der einstigen Volkspartei CSU gibt er sich als leicht xenophober Bauernfänger.
Leider hat sein jüngster Versuch, die Konservativen für die CSU zu retten, Ludergeruch über das Land gebracht. Seehofer warnt in einem dieser, bewusst für jedes Missverständnis offen gelassenen Sätze vor “Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen”. Zwar behauptet er jetzt, er habe damit doch nur die Zuwanderung von Fachkräften gemeint.
Der Originaltext in Focus liest sich anders, aber das ist ja auch so gewollt.
Behauptet Kister. Das ist interessant. Noch interessanter wäre allerdings zu wissen, wie Kurt Kister denn so genau weiß, was Seehofer so gewollt und “bewusst” gemacht hat, zumal falls (und daran habe ich Zweifel) Kister tatsächlich auch mehr als nur Teilzitate des Interviews gelesen haben sollte. Andererseits muss er natürlich auch schwere Geschütze auffahren, wenn er schon so derbdreist tituliert.
Und schließlich noch einmal Roland Preuß [7]
Man stelle sich vor: Der Vorsitzende der spanischen Regierungspartei erklärt die vielen ausgewanderten Deutschen auf Mallorca zum Problem. Die Alemanes, sagt er, wollten nicht Spanisch lernen, lärmten besoffen durch die Straßen und trieben die Preise für Häuser und Lebensmittel auf der Insel in die Höhe. Da helfe nur ein Zuzugsstopp. Was Horst Seehofer dazu wohl sagen würde?
Ich nehme an, nach nur kurzem Nachdenken würde er darauf hinweisen, dass die, die besoffen durch die Straßen lärmen, wohl kaum die sind, die sich dauerhaft auf Mallorca niedergelassen haben (das wären dann die Zuwanderer) und dass ein “Zuzugsstopp” empfindliche Einbrüche für die Tourismus-Branche brächte, die mit entsprechenden Angeboten auch die dazu “passenden” Gäste anlockt.
Ein polemischer Vergleich, gewiss.
Wenigstens hat er das auch schon selber gemerkt.
Nach falschen Tatsachenberichten, Meinungsmache mit falschen Unterstellungen darf natürlich auch die Gruppe der betroffenen Opfer nicht fehlen.
Vural Öger wurde interviewt, von Melanie Ahlemeier. [8] Auf ihre Suggestiv-Frage
sueddeutsche.de: Herr Öger, die Republik diskutiert hitzig über das Thema Zuwanderung. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer redet sogar von einem Zuwanderungsstopp für Türken und Araber. Wie sehr leiden Sie als erfolgreicher türkischstämmiger Unternehmer bei dieser Debatte?
folgen Meinungsäußerungen Ögers, die ich als solche nicht kommentieren will. Durch derart lenkende Fragen kann aber auch kaum etwas anderes herauskommen als
Diese Art geistiger Brandstiftung ist sehr gefährlich, schürt Fremdenangst und grenzt an Volksverhetzung.
Er schließt jedoch mit
Was wir brauchen, ist eine groß angelegte und von der Politik und den Medien getragene Bildungsoffensive. Die Eingliederung der Menschen ausländischer Herkunft in Deutschland erfolgt über Bildung und den Arbeitsprozess.
Gerade diese Forderungen sind bemerkenswert. Erstaunlich, dass niemandem aufgefallen ist, dass Vural Öger da nichts anderes fordert als Thilo Sarrazin.
Auch ein türkischstämmiges CDU-Mitglied, Ertan Taskiran, kam in einem Interview mit Markus Christian Schulte von Drach zu Wort: [9]
sueddeutsche.de: (…) Ist die Integration von Türken und Arabern besonders schwierig?
Ertan Taskiran: Ich finde die Äußerungen von Herrn Seehofer schockierend. Man kann Menschen, die aus einem anderen Kulturkreis kommen oder eine andere Religion haben, nicht einfach unter einen Generalverdacht stellen.
Taskiran: (…) Auf der anderen Seite funktioniert das Zusammenleben eigentlich sehr gut. Denken Sie an das Fußballspiel zwischen Deutschland und der Türkei. Da haben mitten in Kreuzberg alle zusammen, Deutsche und Türken, auf einem deutsch-türkischen Sportfest das Spiel gemeinsam angeschaut und anschließend gemeinsam gefeiert. Und ein Türkischstämmiger traf für Deutschland.
schade, dass M.C. Schulte von Drach nicht sueddeutsche.de gelesen hat. Denn dann wäre er vielleicht auch auf Thomas Hummels Kommentar [10] zu dem von Ertan Taskiran präsentierten “Vorbild” gestoßen:
Die Pfiffe gegen Mesut Özil während des Spiels wollten so gar nicht passen zum verkündeten Fußballfest-Integrationsgipfel. Deutschland gegen die Türkei in Berlin - das war ja praktisch ein doppeltes Heimspiel. Wir gegen uns sozusagen. Doch während sich kein Deutscher daran störte, dass der Lüdenscheider Nuri Sahin, der Kasselaner Ömer Erdogan oder die Gelsenkirchener Zwillinge Altintop für die Türkei spielten, haben viele Türken dem 21-jährigen Özil die Entscheidung für den DFB offenbar nicht verziehen.
Doch weiter:
Taskiran: Es wäre gut, den Druck rauszunehmen und ich wünsche mir von ihm eine Klarstellung. Und ich möchte von ihm hören, welche konkreten Maßnahmen er zur Integration vorschlägt.
Zumindest lesen könnte Ertan Taskiran von diesen Maßnahmen, wenn er sich denn Seehofers Interview durchlesen würde (oder diesen suedwatch-Artikel, siehe oben), was er allem Anschein nach gar nicht getan hat. Vielleicht war das aber auch nicht so wichtig als Voraussetzung für das Interview zu einem konkreten Thema.
Wer dagegen von sueddeutsche.de nicht zitiert oder womöglich gar interviewt wurde, das waren die türkischen Parteikollegen Horst Seehofers aus der CSU, Aydin Findikci oder Nesrin Yilmaz. Von denen wusste der DonauKurier am 11.10.2010 zu berichten:
Aydin Findikci etwa ist Vorstandsmitglied im Münchner CSU-Ortsverband Olympiadorf, Realschullehrer und Universitätsdozent. Wer westliche Freiheitswerte nicht teile, der dürfe nicht ins Land kommen, sagt er. “So will ich Seehofers Äußerungen auch verstehen.” Wer sich hier niederlasse, müsse etwa die Emanzipation von Frauen akzeptieren - Recht und Gesetz sowieso. Zudem müssten Einwanderer Deutsch lernen und sich im ein gutes Verhältnis zu den Nachbarn bemühen. Muslime müssten sich vor allem vom Koranrecht “Scharia” distanzieren, sagt Findikci. Verbände seien dazu häufig nicht bereit. “Das behindert die Integration”, sagt der gebürtige Türke, der inzwischen Deutscher ist. In der CSU werde vieles ehrlicher diskutiert als anderswo, meint er. “Ich bin froh, dass wir nun Klartext sprechen.”
Auch die ehemalige Ingolstädter CSU-Stadträtin Nesrin Yilmaz nimmt Seehofer in Schutz. “Ich kenne ihn und weiß, dass er kein Ausländerfeind ist”, sagt sie. Es sei selbstverständlich, dass nur diejenigen, die die deutschen Werte akzeptierten, ins Land kommen dürften. Sie selbst habe schon vor Jahren gefordert, dass Einwanderer bereits vor ihrer Einreise etwas Deutsch können müssten.
Aydin Findikci äußerte sich bereits von knapp einem Jahr recht klar in einem sehr lesenswerten Gastbeitrag in WELT.de: [11]
Die Integration der in Deutschland lebenden Migranten gilt als entscheidende Herausforderung. Besonders problematisch ist das unterschiedliche Frauenbild bei Islamisten. Die Zahl von jährlich 30.000 islamistischen Zwangsverheiratungen in Deutschland ist für die Aufnahmegesellschaft ein Alarmzeichen.
Daher sind fast immer Menschen aus der Türkei und aus anderen islamisch geprägten Ländern gemeint, wenn von „Problemen und Schwierigkeiten der Integration von Migranten“ in Deutschland die Rede ist.
Weltweit leiden Hunderte von Millionen von Islamangehörigen unter dem politisierten Islam (Iran, Afghanistan, Pakistan, teilweise auch in der Türkei). Nicht der Islam und auch nicht der Koran selbst, sondern der politisierte Islam und die unzeitgemäße Koraninterpretation der Islamisten stellen die Hauptgefahr des Weltfriedens dar und gefährden die Integration der Islamangehörigen in die pluralistische Gesellschaften.
Alle Strömungen des Islams (Sunniten, Schiiten und Aleviten) interpretieren und leben den Koran (arab. Qur’an; wörtlich: Lesung) und den Islam ganz unterschiedlich. Für einen Islamangehörigen, der den Koran wortwörtlich übernimmt, ihn als ewig gültiges Wort des Allahs auslegt und ihn uninterpretierbar ansieht, ist es quasi nicht möglich, sich in eine westliche Gesellschaft zu integrieren, die Demokratie zu verinnerlichen, die rechtsstaatlichen Regelungen und die Herrschaft des Volkes zu akzeptieren. Eine andere Interpretation wird nicht geduldet und ist für sie ein Tabu.
Es ist jetzt von ausserordentlicher Wichtigkeit, dass die aufgeklärten Islamangehörigen ihre Stimme erheben und den Koran nicht alleine den Islamisten überlassen. Den Koran zeitgemäß zu interpretieren, sich von der Scharia zu distanzieren, ist die dringende Aufgabe aufgeklärter Islamangehöriger.
Solche Töne hört man anscheinend nicht so gerne bei sueddeutsche.de. Das mag daran liegen, dass Aydin Findikci CSU-Mitglied ist, was seinen Standpunkt offenbar schon von vornherein uninteressant macht. Es liegt vielleicht aber auch daran, dass er Dinge fordert, die nicht zu der ebenso gedanken- wie verantwortungslosen “Wir sind ja so tolerant”-Einstellung passt. Und weil er nicht in das so gerne gehegte Bild des laut klagenden Opfers der bösen Gesellschaft passt, für das man ach so viel Verständnis haben muss und an das keinesfalls Forderungen gerichtet werden dürfen.
Es hat lange - viel zu lange - gedauert, bis die deutsche Bevölkerung wenigstens größtenteils akzeptiert hat, dass nun auch Menschen mit fremd klingenden Namen, schwarzen Haaren und dunkler Haut zu ihrem Volk dazu gehören. Richtig dazu gehören. Weil sie es wollten und weil sie alles dazu getan haben, damit das so ist. Die Integration hat funktioniert. Kaum jemandem fällt mehr auf, dass es ein Arzt vietnamesischer Herkunft ist, der den Beinbruch operiert hat, eine Krankenpflegerin polnischer Herkunft, die bei der Genesung hilft, eine Anwältin türkischer Herkunft, die das Scheidungsverfahren durchzieht, ein IT-Fachmann indischer Herkunft, der das PC-Programm geschrieben hat, ein Schauspieler kroatischer Herkunft, der den Münchner Tatort beseelt - oder ein Politiker schottischer Herkunft, der nun Ministerpräsident in Niedersachsen ist. Sie alle sind es, ohne viel Geschrei und Aufhebens. Sie werden nicht extra erwähnt, weil sie integriert sind. Aufhebens gibt es nicht deshalb, weil Integration von Ausländern nicht funktioniert oder weil das deutsche Volk sie per se ablehnt. Aufhebens gibt es bei denjenigen, die sich eben gerade nicht integrieren wollen. Sie machen kaputt, was Generationen vor ihnen mühsam erarbeitet haben.
Nicht Seehofer ist es, der so tut, als kämen Massen von Muslimen aus der Türkei nach Deutschland, um sich da nicht integrieren zu wollen, und auch nicht Sarrazin oder Schwarzer. Es sind diejenigen, die in Wirklichkeit keine Integration wollen, die meinen, ihre teils menschenverachtenden Sitten und Gebräuche auch dann praktizieren zu müssen, wenn das der hiesigen Rechtsordnung und allen Moralvorstellungen widerspricht. Und die anderen, die meinen, es sei Zeichen von Toleranz und ausgeübter Religionsfreiheit, auch diese kruden Kulturen in Deutschland einführen zu lassen.
Wenn etwas schief läuft, muss das angeprangert werden dürfen. Wer das macht, darf nicht niedergebrüllt werden. Vor allem darf aber eines nicht passieren: Es dürfen keinem auch noch so ungeliebtem Politiker Aussagen in den Mund gelegt werden, die er nicht gemacht hat, allein zu dem Zweck, diesen Politiker zu diskreditieren und/oder die eigene Auflage zu steigern.
Das - und nicht mutwillig fehlinterpretierte Interviews und Bücher - ist der Populismus, der schadet und brandstiftet. Denn büßen müssen es alle: Die, die ihre Wurzeln immer schon hier hatten und die, die sie erst hier ausgeschlagen haben.
Jaspis
[1] Focus 41/10, S. 46 ff.
[2] http://www.sueddeutsche.de/politik/integrations-debatte-seehofer-provoziert-die-kanzlerin-1.1010384
[3] http://www.sueddeutsche.de/politik/zuwanderungs-kontroverse-seehofer-fuehlt-sich-falsch-verstanden-1.1010614
[4] http://www.sueddeutsche.de/politik/integrationsdebatte-unsinn-in-allen-schattierungen-1.1010888
[5] http://www.sueddeutsche.de/politik/integrationsdebatte-seehofers-gegenwelt-1.1010413
[6] http://www.sueddeutsche.de/politik/integrations-debatte-seehofer-bringt-ludergeruch-uebers-land-1.1010829
[7] http://www.sueddeutsche.de/politik/integrationsdebatte-was-seehofer-von-ankara-lernen-kann-1.1011271
[8] http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/integration-vural-oeger-diese-geistige-brandstiftung-ist-sehr-gefaehrlich-1.1011050
[9] http://www.sueddeutsche.de/politik/integrations-debatte-seehofer-schadet-dem-inneren-frieden-1.1010695
[10] http://www.sueddeutsche.de/sport/em-qualifikation-deutschland-tuerkei-falsche-pfiffe-1.1010159
[11] http://www.welt.de/politik/deutschland/article5665837/Veraltete-Koran-Auslegung-bremst-die-Integration.html