Nicht ganz dicht
26. September 2010 von Jaspis
Das Prantl-ismus-Virus scheint nun auch weitere Teile der Redaktion befallen zu haben. Es bewirkt, dass derjenige, den es erwischt hat, meint, einmal erworbene Befähigungen, etwa Studienabschluss, Promotion und zahlreiche Auszeichnungen, wären ausreichend Befähigung dafür, auswendig über ein Thema zu schreiben, von dem er aber im Grunde keine Ahnung hat.
Nun hat es also auch Werner Bartens erwischt, Dr. Werner Bartens, Mediziner und Leitender Redakteur im Wissenschaftsressort der Süddeutschen Zeitung.
Seine Kolumne “Medizin und Wahnsinn” zeigt, nicht ohne ein gewisses Augenzwinkern, die Auswirkungen medizinischen Wahns auf und damit auch den der unbedarften Patienten, die lieber vermeintlich klugen Ratschlägen in vermeintlich kompetenten Presseerzeugnissen vertrauen als ihrem Arzt oder womöglich ihrem gesunden Menschenverstand - soweit vorhanden.
Eine nette Kolumne. Unterhaltsam. Hilfreich wäre sie dann, wenn sie wirkliche Irrtümer aufzeigen würde. Dann hätte sie nämlich auch Informationsgehalt und nicht im Wesentlichen Unterhaltungswert.
Dieses Wochenende versuchte sich Werner Bartens am Thema Babyschwimmen, von dem er ganz offensichtlich nun gar keine Ahnung hat.[1]
Diese immense Verantwortung, die junge Eltern haben! Jeden Tag bilden sich bei Säuglingen und Kleinkindern Zehntausende Synapsen neu. Was man da alles stimulieren, anregen, erwecken und fördern kann, um die umhereilenden Transmitter und die sprießenden Nervenbahnen in die richtigen Bahnen zu lenken. (…) In Kreisen der Besserverstehenden ist bei jungen Eltern eine Methode beliebt, um die Motorik, die Wahrnehmung und die Spielfreude ihres Nachwuchses früh zu fördern - das Säuglingsschwimmen. Die Industrie bietet bereits windelverstärkte Badehosen und Schwimmflügel in XXXS an. Ein authentischeres Gefühl und die natürliche Aufgehobenheit im Wasser stellen sich aber leichter ein, wenn die Babys nackig sind. Manche Mütter hoffen sogar, bei den Kleinkindern im Chlorwasser das Geborgenheitsgefühl im Fruchtwasser simulieren zu können und sie auf diese Weise stark, sicher und selbstbewusst für den Rest des Lebens zu machen.
meint er und weil er eben nicht mehr dazu weiß, hat er “einen befreundeten Kinderarzt” gefragt, der “es auf den Punkt gebracht” habe:
Man kann es zwar Säuglingsschwimmen nennen, schwimmen können die Säuglinge trotzdem nicht. Im Wasser allein gelassen, würden sie so schnell untergehen wie diese Bernsteinketten, die Babys gegen Schmerzen beim Zahnen umgehängt werden. Ein zweiter wichtiger Punkt: ,,Die sind ja nicht ganz dicht”, wobei der Kinderarzt offenließ, ob er damit nur die Kinder oder auch die Mütter - Väter gehen viel seltener zum Säuglingsschwimmen - meinte.
Welch erstaunliche Erkenntnisse, für die man zweifellos einen echten Fachmann braucht:
1. Beim Babyschwimmen lernen die Babys gar nicht schwimmen.
2. Die Babys pinkeln dabei gelegentlich ins gechlorte Wasser.
3. (Und das scheinen die Herren Doctores nun ganz genau zu wissen): Die Mütter, die das mit ihren Säuglingen machen, sind zu dämlich, um 1. und 2. zu verstehen und das ganze ist sowieso Mist, genauso wie das, was Bartens als Vergleichsfall aufbringt, nämlich das Welpenschwimmen für Waldis Nachwuchs.
Da nun also festgestellt ist, dass a) Patienten im Allgemeinen und b) junge Mütter im Besonderen stockdämlich sind, muss sich Dr. Bartens natürlich auch nicht mehr weiter mit dem Thema befassen. Zum Beispiel mit Anbietern. Das wäre gar nicht so schwer. Schon unter dem Naheliegensten, www.babyschwimmen.de wäre er fündig geworden. Und schon auf der Homepage hätte er gefunden: [2]
Die Babys lernen nicht wirklich Schwimmen, sondern es kommt auf gymnastische Übungen/Bewegungen im Wasser an.
Um das Schwimmenlernen geht es also gar nicht, schau an.
Spaß im Wasser und die Förderung der Bewegung stehen immer im Vordergrund des Babyschwimmens. Die Eltern erlernen wichtige und vor allem sichere Griffe und Haltetechniken. Sie sehen, wie Ihr Baby die große Bewegungsmöglichkeit im Wasser ausnutzt. Durch das gemeinsame Erleben und dem intensiven Körperkontakt wird die innige Beziehung zwischen Baby und Eltern gefördert.
Wer einmal seinen vor Vergnügen juchzenden Säugling durchs Wasser gezogen hat, weiß, wovon die Rede ist.
Fotos: www.H2OFoto.de
Ob und inwieweit messbarer medizinischer Nutzen neben dem Spaß an sich, einer Förderung der Eltern-Kind-Beziehung und sichereren Handgriffen im Wasser gezogen werden kann, steht auf einem anderen Blatt.
Die Mütter aber deswegen als potentiell nicht ganz dicht hinzustellen, zeugt von einer Arroganz, die den Ahnungslosen Möchtegernkenner offenbart und nicht die seriöse Zeitung, die mithilfe hauseigener Experten kompetentes Wissen vermittelt.
So ein Gehirn benötigt man ja meistens ein Leben lang, auch wenn manche Benutzer offenbar glauben, durch sparsamen Gebrauch Abnutzungserscheinungen vermeiden zu können.
sagt der SZ-Redakteur. Er muss es ja wissen.
Jaspis
[1] http://www.sueddeutsche.de/leben/medizin-und-wahnsinn-folge-sind-die-noch-ganz-dicht-1.1004237
immen.de/red4net/pub_content.asp?content=1&id=2&menu=02000000″>[2] http://www.babyschwimmen.de/red4net/pub_content.asp?content=1&id=2&menu=02000000
1 Reaktion zu “Nicht ganz dicht”
Paff, das war ein Schuss zwischen die Augen, verehrter Jaspis