Verfälschungsjournalismus
21. September 2010 von Jaspis
Wie erreicht die Presse in unfreien Systemen, dass die Leser das glauben, was sie gefälligst glauben sollen und nicht womöglich, was tatsächlich ist? Richtig: Durch Verfälschen der Informationen durch bewusstes Weglassen und wegweisenden Ausschmückungen.
Und hier ist sie nun, die Süddeutsche mit ihren Idealen,
durch keine Zensur gefesselt, durch keinen Gewissenszwang geknebelt. (…) ein Sprachrohr für alle Deutschen, die einig sind in der Liebe zur Freiheit, im Hass gegen den totalen Staat. [1]
und zeigt, wie wenig davon übrig geblieben ist. Das “Meisterstück” vom heutigen Tag: [2]
Das Ziel:
Dem Leser muss klar sein, dass der “Kampf gegen das Kopftuch” falsch ist. Das kann nicht richtig sein und das darf nicht richtig sein. Denn wer gegen das Kopftuch ist, der muss auch islamophob und rassistisch sein.
Die Umsetzung:
Schritt Nr. 1, wegweisende Ausschmückung. Hier:
Alice Schwarzer beweist derzeit, dass sie ein Händchen für populär-provokative Themen und Thesen hat: Für die Bild-Zeitung kommentiert die 67-jährige Vorkämpferin der Frauenbewegung in Deutschland den Prozess gegen Wettermoderator Jörg Kachelmann. Und in einem Interview hat die Emma-Herausgeberin nun ein weiteres heißes Eisen angepackt. Sie fordert ein Kopftuchverbot für Schülerinnen in Deutschland.
Nicht, dass das etwas mit dem Thema dieses Artikels zu tun hätte: Aber es scheint “populär-provokativ” zu sein, den Kachelmann-Prozess zu kommentieren. Nun, das macht die Süddeutsche auch. Oder ist es, weil Schwarzer das für die BILD macht, deren populär-provokativer Berichterstattung die Süddeutsche gerade auch bei Kachelmann in nichts nachsteht? [3]
Oder aber soll der “Kampf gegen das Kopftuch” “populär-provokativ” sein? Das ist er jedenfalls bei Alice Schwarzer sicher nicht. Für sie ist das Kopftuch - oder besser: weniger das Kopftuch an sich als vielmehr die damit zum Ausdruck gebrachte Drangsalierung der Frauen - seit Jahrzehnten ein Thema.
Dieser im übrigen gehaltfreie Einleitungssatz dient nur einem Zweck, nämlich das, was an Aussagen Schwarzers im weiteren folgt, gleich von vornherein zu diskreditieren.
Schritt Nr. 2, Teilzitate
Teilzitate sind praktisch. Der Leser meint, das Wesentliche der Information präsentiert zu bekommen, während ihm aber in Wirklichkeit ein nicht unwesentlicher Teil vorenthalten wird. Hier:
in einem Interview hat die Emma-Herausgeberin nun ein weiteres heißes Eisen angepackt. Sie fordert ein Kopftuchverbot für Schülerinnen in Deutschland. Dies sei eine Chance für Mädchen aus orthodoxen oder gar islamistischen Familien, sich in der Schule frei bewegen zu können und nicht stigmatisiert zu werden, sagte Schwarzer der Online-Ausgabe des Focus.
Außerdem stehe das Kopftuch für die “Verhüllung der Frau als Sexualobjekt”, so Schwarzer, deren neues Buch Die große Verschleierung - Für Integration, gegen Islamismus in Kürze erscheint. Die Journalistin nannte es einen “Skandal, dass schon kleine Mädchen auf diese Art und Weise sexualisiert werden”.
Und das war es auch schon wieder, was sueddeutsche.de Frau Schwarzer sagen lässt. Im übrigen scheint es wichtiger zu sein, dass auch Markus Söder für ein Verbot religiöser Verschleierung ist, als das zu zitieren, was Schwarzer dem FOCUS anlässlich des Erscheinens ihres Buches “Die große Verschleierung – für Integration, gegen Islamismus” am Donnerstag gegeben hat. [4]
FOCUS Online: Sind Sie islamophob? Oder gar rassistisch?
Schwarzer: Nein. Ich vermute, auch Sarrazin hätte sich diesen Vorwurf nicht zugezogen, wenn er nicht gleichzeitig diese verschwurbelten Theorien über Gene und vererbbare Intelligenz verbreitet hätte. Ich stelle fest, dass diese Art von dumpfem Biologismus bezogen auf Türken helle Empörung hervorruft – jedoch bezogen auf Frauen, die ja angeblich anders denken und fühlen und einparken, kaum jemanden stört.
- Oder bezogen auf Männer, die laut Neurosychologen Thomas Elbert in SZ vom 28./29.08.2010 “genetisch” Lust am Töten haben.
[5]
FOCUS Online: Sie warnen vor der „Verschleierung der islamistischen Gefahr“ durch Kulturrelativisten in deutschen Medien und der Politik. Ist das Ihrer Ansicht nach gerade wieder geschehen?
Schwarzer: Gerade beim Fernsehen werden bis heute als „Gegenpart“ zu kritischen Nicht-Muslimen fast immer geschulte, dauerlächelnde Funktionärinnen und Funktionäre der Islam-Verbände eingeladen. Doch die sind häufig islamistisch. Einige wie Milli Görüs werden zu recht vom Verfassungsschutz beobachtet. Damit gibt man immer wieder der radikalen Minderheit eine Stimme, statt der aufgeklärten Mehrheit unter den Muslimen. Zu den Aufgeklärten zählen nach meiner Meinung nach zum Beispiel der zweite Vorsitzende der Alevitischen Gemeinde Deutschlands, Ali Ertan Toprak, die türkische Rechtsanwältin von nebenan – oder auch einfach ein Gläubiger aus der Nachbarschafts-Moschee. [Hervorhebungen Jaspis]
Ertappt. Das kann sueddeutsche.de natürlich erst recht nicht zitieren, denn damit würde sie (und nicht Söder) sich “outen”.
FOCUS Online: Sie kritisieren, dass deutsche Politiker und Intellektuelle Kopftücher oder Sonderbehandlungen für muslimische Mädchen zum Beispiel im Schwimmunterricht bis zur Selbstaufgabe verteidigen. Auch in der Rechtsprechung warnen Sie vor einer „naiven Toleranz“. Warum ist das Ihrer Ansicht nach falsch?
Schwarzer: Europa hat sich Demokratie und Gleichberechtigung blutig erkämpft. Die Menschenrechte sind unteilbar. Und auch nicht im Namen einer anderen Religion oder Kultur zu relativieren. Es ist ein enormer Fortschritt, dass heute bei uns Mädchen und Jungen zusammen und gleich erzogen werden. Dahinter möchte nicht nur ich nicht mehr zurückfallen.
Ich auch nicht. Bei den von Schwarzer erwähnten Kulturrelativisten, die den Rückschritt auch noch als Fortschritt bejubeln, scheint das eher peripher zu sein. Sie bezeichnen lieber die Gegner religiöser Verschleierung als islamophobe, rassistische Rechtspopulisten und das Kopftuch als beliebig wählbares modisches Kleinod. Das ist einfacher, man muss nicht so viel nachdenken. Zum Beispiel darüber:
FOCUS Online: In Ihrem Buch ist immer wieder von dem Kopftuch als politischem Zeichen die Rede. Was stört Sie so an diesem Stück Stoff?
Schwarzer: In den 1960er- und 1970er-Jahren trugen Türkinnen in Deutschland kein Kopftuch, höchstens alte Bäuerinnen aus Anatolien – so wie die Bäuerinnen im Hunsrück oder in Bayern. Das islamistische Kopftuch aber, das die Haare von Frauen vollständig als sündig verdeckt – weil Männer sich sonst wie Tiere auf diese Frauen stürzen würden – ist etwas ganz anderes. Es grassiert in Europa seit Mitte der 1980er-Jahre, seit der systematischen Agitation der Islamisten mitten unter uns. Diese Männer wurden im Iran oder in Pakistan ausgebildet, von den Öl-Dollars in Saudi-Arabien finanziert. Dieses Kopftuch war von Anfang an auch innerhalb der islamischen Länder nicht nur eine konkrete Behinderung für Frauen, sondern auch das Zeichen, die Flagge des Islamismus. Es hat also längst seine Unschuld verloren – sollte es sie jemals gehabt haben. Frauen, die in Demokratien für das Recht auf das Kopftuch kämpfen, gucken gleichzeitig weg bei dem blutigen Unrecht, das in islamistischen Ländern unterm Kopftuch passiert. [Hervorhebungen Jaspis]
Das Resultat:
Die Rechnung geht auf, Ziel erreicht.
Und der glaubt sicher auch den Rest. Nur: Wie soll dieser arme sueddeutsche.de-Leser auch zu anderen Schlüssen kommen, wenn ihm der wesentliche Anteil der Informationen vorenthalten wird?
Jaspis
[1] http://www.suedwatch.de/blog/?page_id=53
[2] http://www.sueddeutsche.de/politik/frauenrechtlerin-alice-schwarzer-kampf-dem-kopftuch-1.1003050
[3] http://www.suedwatch.de/blog/?p=2791
[4] http://www.focus.de/politik/deutschland/tid-19905/alice-schwarzer-wir-brauchen-ein-kopftuchverbot-an-schulen_aid_554120.html
[5] http://www.onleihe.de/static/content/sz/20100828/SZ20100828/vSZ20100828.pdf