Da hat der Sarrazin wohl zu viel Süddeutsche gelesen.
31. August 2010 von moritatensaenger
Die Macher der Süddeutschen, als eherne Verteidiger der Juden und des Judentums weltbekannt, verschärfen die Empörung über Thilo Sarrazin und seinen Satz von den Juden und deren gemeinsamem Gen. Das klingt dann so:
“Nach seinen Äußerungen zu muslimischen Zuwanderern und dem Erbgut von Juden werden die Rufe nach einer Ablösung von Thilo Sarrazin als Bundesbankvorstand lauter. [...] Ungeachtet der heftigen Kritik an seinen Äußerungen hat Bundesbank-Vorstandsmitglied Thilo Sarrazin am Samstag nachgelegt. Der Welt am Sonntag sagte er, muslimische Migranten integrierten sich überall in Europa schlechter als andere Einwanderer- gruppen. Zudem sprach er davon, dass alle Juden ein bestimmtes Gen teilten. [...] Nach seinen jüngsten Aussagen über Muslime und Juden greift die Bundesregierung Sarrazin scharf an. Der Zentralrat der Juden ist entsetzt: Der Bundesbanker stütze sich mit seinen Behauptungen auf Rassentheorien der Nationalsozialisten. [...] In der Welt am Sonntag hatte er nicht nur erneut muslimische Einwanderer kritisiert. Für Empörung sorgte vor allem seine Äußerung: ‘Alle Juden teilen ein bestimmtes Gen.’ [...] Andrea Nahles kündigte an, dass sich das Präsidium mit dem Thema auseinandersetzen werde. ‘Seine Auffassungen sind weit abgedriftet von den Werten der Sozialdemokratie und dem Konsens unserer Demokratie’, sagte die SPD-Politikerin und stellte klar: ‘Sarrazins genetische Definition der Juden ist absolut inakzeptabel, unabhängig davon, welche Attribute er ihnen zuschreibt.’ [...] Der Generalsekretär des Zentralrates der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, hielt Sarrazin in … Rassenwahn vor. [...] Besonders seine Behauptung, alle Juden teilten ein bestimmtes Gen, stieß auf breite Ablehnung und Kritik - die Sarrazin eigenen Angaben zufolge jedoch nicht nachvollziehen kann.” [1]
Dabei kommt es den eigentlich der Wahrhaftigkeit verpflichteten Journalisten in München natürlich nicht in den Sinn, jenen Teil des Die Welt- Interviews umfangreicher zu zitieren, aus dem Sarrazins fatale Äußerung herausseziert wurde. Das holt suedwatch.de deshalb gerne nach:
“Sarrazin: Die Identität eines Volkes oder einer Gesellschaft ist ja nichts Statisches, dennoch gibt es sie. Es gibt eine französische, deutsche, holländische Identität. Wenn es richtig läuft, wachsen Zuwanderer in solche Identitäten hinein, sie lösen sich aber irgendwann in dieser Identität auf, das Bild vom Melting Pot ist ja nicht falsch. Völker ändern im Laufe der Zeit ihr Gesicht, aber sie tun dies aus der kontinuierlichen Fortentwicklung ihrer Identität heraus. Es gibt über mehr als 1000 Jahre ein kulturelles Kontinuum der Entwicklung aus dem westfränkischen Reich in das heutige Frankreich und aus dem ostfränkischen Reich in das heutige Deutschland. Die kulturelle Eigenart der Völker ist keine Legende, sondern bestimmt die Wirklichkeit Europas.
WELT ONLINE: Gibt es auch eine genetische Identität?
Sarrazin: Alle Juden teilen ein bestimmtes Gen, Basken haben bestimmte Gene, die sie von anderen unterscheiden.
WELT ONLINE: Wir haben also andere Gene als die Menschen hier im türkischen Café?
Sarrazin: Sie bringen mich nicht aus der Ruhe. Ich sage meine Dinge. Bis vor wenigen Jahrzehnten spielte Einwanderung für den Genpool der europäischen Bevölkerung nur eine geringe Rolle und vollzog sich überdies sehr langsam. Drei Viertel der Ahnen der heutigen Iren und Briten waren bereits vor 7500 Jahren auf den Britischen Inseln. Es ist nämlich falsch, dass es Einwanderungsbewegungen des Ausmaßes, wie wir sie heute haben, schon immer in Europa gegeben hätte. Seit der Völkerwanderung gab es solche Verschiebungen nicht mehr. In meinem Buch rede ich zudem nicht von Türken oder Arabern, sondern von muslimischen Migranten. Diese integrieren sich überall in Europa deutlich schlechter als andere Gruppen von Migranten. Die Ursachen dafür sind nicht ethnisch, sondern liegen offenbar in der Kultur des Islam. Dies wird besonders deutlich, wenn man die Integrationserfolge von Pakistani und Indern in Großbritannien vergleicht.” [2] (Unterstreichung: Moritatensaenger)
Aber die Jungs und Mädels bei der SZ “vergaßen” nicht nur den Zusammenhang darzustellen, in dem der Satz fiel, es scheint ihnen auch entfallen zu sein, dass sie selbst vor nicht einmal drei Monaten einen Artikel mit folgender Headline veröffentlichten:
[3]
Hintergrund des Artikels: Unter Federführung des Direktors Human Genetics Program des zur New York University gehörenden Langone Medical Center [4], Professor Dr. Harry Ostrer [5], hat ein Forscherteam [6] die genetische Verwandtschaft der Juden bestätigt. Zitat Süddeutsche.de:
“Die Genanalyse ergab, dass Aschkenasen, Sepharden und Mizrachim tatsächlich so viele gemeinsame genetische Merkmale aufweisen, dass man sie als eigenständige Gruppe von der übrigen Weltbevölkerung unterscheiden kann.” (Verlinkungen: Moritatensaenger)
Und dazu jetzt nochmal der “eine Grenze überschreitende” Satz von Sarrazin:
“Alle Juden teilen ein bestimmtes Gen”
Grauenvoll, diese Grenzüberschreitung, finden Sie nicht? Im Ernst: Richtig grauenvoll ist, dass im Unterschied zu den meisten Medien, die wertfrei und neutral über das im angesehenen American Journal of Human Genetics [7] und im Wissenschaftsjournal Nature [8] veröffentlichte Forschungsergebnis berichteten (z.B. der Tagesspiegel [9] oder die New York Times [10]) , der Artikel in der Süddeutschen dem Forschungsergebnis mehr unterstellt, denn bloßen Erkenntnisgewinn über Geschichte, Abstammung und genetische Zusammen- hänge:
“Nirgendwo kann Wissenschaft so politisch und patriotisch sein wie in Israel. Jeder Spatenstich der Archäologen wird dort auch danach beäugt, ob er den Gründungsmythos des Landes bestätigt. [...] Die neuen Erkenntnisse sind nicht nur von historischem Interesse, sondern dienen auch als handfestes politisches Argument. Denn unter anderem aus der Idee der gemeinsamen Abstammung leiten die Nachfahren der vertriebenen Juden das Recht ab, den Staat Israel auf dem Gebiet des ehemaligen Heiligen Landes zu gründen.”
Da haben wir es: Die Forschung als Vehikel zur Durchsetzung kalter politischer Machtinteressen. Aber so ist er halt, der Jud, …
…. verschlagen, falsch und immer auf den eigenen Vorteil bedacht. Selbst in der Wissenschaft. Naja, zumindest in dem Bild, das die Süddeutsche von den Juden entwirft, weshalb -damit verglichen- die zwar etwas naiv [11] aber belegbar ohne negative Konnotation hingeworfene Bemerkung von Thilo Sarrazin direkt eine Wohltat ist. Der zum Abschuss freigegebene Bundesbankökonom scheint wohl doch eher den Tagesspiegel als die Süddeutsche gelesen und verinnerlicht zu haben.
Ergänzung: Selbstverständlich versucht der Moritatensaenger -und wird es weiter versuchen- Thilo Sarrazins umstrittenes Buch zu erlangen, um sich selbst ein Bild über die angeblich kruden Thesen des Sozialdemokraten zu machen. Bedauerlicherweise nur muss auch ich mich im Buchladen momentan noch mit der Auskunft begnügen: “Leider vergriffen, wir rufen Sie aber an wenn wir die nächste Auflage im Haus haben.”
Mit tönendem Gruß
Ihr Moritatensaenger
[1] http://www.sueddeutsche.de/politik/thilo-sarrazin-alle-sind-empoert-ausser-roland-koch-1.993352
http://www.sueddeutsche.de/politik/wegen-umstrittener-thesen-spd-will-sarrazin-loswerden-1.993796
[2] http://www.welt.de/regionales/berlin/article9258118/Thilo-Sarrazin-Ich-bin-kein-Rassist.html
[3] http://www.sueddeutsche.de/wissen/genforschung-ahnen-aus-judaea-1.953790
[4] http://en.wikipedia.org/wiki/NYU_Langone_Medical_Center
[5] http://www.med.nyu.edu/contacts/ostreh01.html
[6] -Gil Atzmon, Albert Einstein College of Medicine, Bronx, NY;
http://www.einstein.yu.edu/home/faculty/profile.asp?id=8649
-Li Hao, New York University School of Medicine, New York, NY;
-Itsik Pe’er, Columbia University, New York, NY;
-Christopher Velez, New York University School of Medicine, New York, NY;
-Alexander Pearlman, New York University School of Medicine, New York, NY;
-Pier Francesco Palamara, Columbia University, New York, NY;
-Bernice Morrow, Albert Einstein College of Medicine, Bronx, NY;
-Eitan Friedman, Tel-Aviv University, Tel-Aviv, Israel;
-Carole Oddoux, New York University School of Medicine, New York, NY;
-Edward Burns, Albert Einstein College of Medicine, Bronx, NY;
[7] http://www.cell.com/AJHG/archive/issue?pii=S0002-9297%2810%29X0006-4
[8] http://www.nature.com/nature/journal/v466/n7303/full/nature09103.html
[9] http://www.tagesspiegel.de/wissen/abrahams-kinder/1860976.html
[10] http://www.nytimes.com/2010/06/10/science/10jews.html?_r=1&scp=2&sq=Dr.%20Harry%20Ostrer&st=cse
[11] Natürlich trägt nicht “jeder” Jude ein identifizierbar jüdisches Genmaterial, weshalb sich wohl auch Stephan Kramer, Generalsekretär des Zentralrates der Juden in Deutschland, so über Sarrazin aufgeregt hat: Der Funktionär, ein Konvertit, ist erst vor wenigen Jahren zum jüdischen Glauben übergetreten -weshalb ihm wohl entsprechende Gene fehlen- und dürfte sich also durch die von Sarrazin wiedergegebene wissenschaftliche Erkenntnis etwas ausgeschlossen gefühlt haben.