“Zynismus pur”, weil Christen dürfen und Muslime nicht?
31. März 2009 von Jaspis
So ist das also in Bayern. Da bekommen irakische Flüchtlinge nur deshalb eine befristete Aufenthaltserlaubnis, weil sie Christen sind, und Muslimen wird sie verwehrt, sie sind nur geduldet, weil sie Muslime sind? Christen werden also in Bayern bzw. europaweit wegen ihrer Religion bevorzugt?
So liest sich jedenfalls Varinia Bernaus Artikel über die Begrüßung der ersten christlichen Flüchtlinge aus dem Irak, in dem sie eine Benachteiligung muslimischer Asylbewerber auf Grund deren Religionszugehörigkeit unterstellt. Die Christen bekommen eine auf drei Jahre Befristete Aufenthaltserlaubnis, die Muslime sind “nur geduldet”. [1]
Warum ist das so? Nach § 25 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (AufenthG) ist “einem Ausländer (…) eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er unanfechtbar als Asylberechtigter anerkannt ist.” Und dann erhält er eine Aufenthaltserlaubnis nach § 7 AufenthG.
Ob jemand Asylberechtigter, Flüchtling, im Sinne des Asylverfahrensgesetzes ist, bestimmt sich nach § 60 Absatz 1 AufenthG: Wenn “sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist”.
Das trifft auf Christen im Irak zu:
Ständig werden Christen Opfer gezielten Terrors: Sie werden bedroht, verschleppt, gequält und ermordet. Auch wenn verzweifelte Angehörige Lösegeld zahlen, bekommen sie ihr Familienmitglied sehr oft nicht mehr lebend zurück. Immer wieder werden Leichen Entführter bestialisch verstümmelt aufgefunden.
Ob Mann oder Frau, Kind oder Greis, Priester oder Nonne - Angehörige der christlichen Minderheit, der Assyro-Chaldäer, sind im mittleren und südlichen Irak nirgendwo mehr sicher. Christen werden auf dem Weg zur Arbeit oder zur Schule angegriffen, in ihren Wohnungen oder Läden überfallen. Hunderte wurden schon verschleppt, Mädchen und Frauen – sogar Nonnen – vergewaltigt.
Selbst islamische Geistliche schüren die Hetzjagd gegen Christen und fordern sie öffentlich zum Verlassen des Landes auf. So verlangte Imam Hatim Al Razak am 17. Mai 2007 von den Assyro-Chaldäern in Dora, einem Stadtteil von Bagdad, sie sollten zum Islam übertreten oder sofort gehen. Zuvor waren innerhalb von nur drei Wochen schon mindestens 150 assyro-chaldäische Familien geflüchtet, weil sie mit dem Tod bedroht worden waren.
Sprengstoffanschläge und Selbstmordattentate fordern fast täglich viele Opfer im Irak. Sie gehören allen Volksgruppen an. Für die Christen bedeutet der systematische Terror jedoch das Ende ihrer fast 2000-jährigen Geschichte in weiten Teilen des heutigen Irak. Von den früher rund 650.000 Assyro-Chaldäern wurden schon drei Viertel aus ihrer Heimat vertrieben. Voller Panik haben viele ihr Hab und Gut zurücklassen müssen. Geblieben sind nur diejenigen, die alt, krank oder schwach sind, kein Auto und oder kein Geld für die Flucht haben.
Jeder christliche Geistliche muss ständig um sein Leben fürchten. Priester werden entführt, gefoltert und ermordet wie der syrisch-orthodoxe Pfarrer Paulos Iskandar von der Mar-Afram-Kirche in Mosul. Er wurde am 09. Oktober 2006 verschleppt. Verzweifelt versuchte seine Familie, sein Leben zu retten und erfüllte alle Forderungen der Entführer. Es gelang seinen Angehörigen sogar, das hohe Lösegeld zu sammeln. Und trotzdem wurde Pater Paulos 48 Stunden später enthauptet und seine Leiche grässlich verstümmelt. Arme und Beine waren vom Rumpf abgetrennt. [2]
Muslime hingegen werden im Irak nicht wegen ihrer Religion verfolgt, im Gegenteil. Muslimische Flüchtlinge aus dem Irak müssen daher einen anderen Grund als die Verfolgung wegen ihrer Religion vortragen. Dass ihr Leben dort aktuell bedroht ist, wird niemand bezweifeln. Doch liegt der Grund dafür nicht in der Verfolgung wegen “seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung”, wie es das Gesetz - und auch das Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vorsieht. Vermutlich aus diesem Grund - und nicht, wie unterstellt, weil die Asylbewerber Muslime sind - werden die erwähnten weiteren Asylanträge abgewiesen. Die Folge wäre daher die Abschiebung. Dass sie dennoch nicht erfolgt, liegt an § 60a Absatz 1 AufenthG. Danach kann eine Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung) u.a. aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen angeordnet werden, was ja unbestritten auch erfolgt. Natürlich bietet das keine dauerhaften Perspektiven. Man darf nicht vergessen, dass ein Grund für eine längerfristige Aufenthaltserlaubnis ja gerade nicht festgestellt wurde. Die Duldung ist, wie der Name schon sagt, nur eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung, die im übrigen zu erfolgen hat, sobald die völkerrechtlichen oder humanitären Gründe nicht mehr vorliegen.
Um also zur Ausgangsfrage zurück zu kommen: Nein, Christen werden nicht Bayern bzw. europaweit wegen ihrer Religion bevorzugt, sondern sie werden im Irak wegen ihrer Religion verfolgt und genießen aus diesem Grund in Bayern bzw. europaweit Asyl.
Jaspis
[1] http://www.sueddeutsche.de/muenchen/883/463491/text/
[2] http://www.gfbv.de/inhaltsDok.php?id=1058
http://www.gesetze-im-internet.de/aufenthg_2004/index.html
http://www.gesetze-im-internet.de/asylvfg_1992/index.html