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Der gelebte Humanismus der Süddeutschen Zeitung (alias Sueddeutsche.de)

27. Juni 2010 von moritatensaenger

In einer Mischung aus kopfschüttelnder Ungläubigkeit, entsetztem Erkennen menschlicher Dummheit und mitmenschlichem Bedauern durften wir kürzlich auf Sueddeutsche.de vom Schicksal des Frank-Michael Eberwein erfahren [1]. Der 49-jährige Magdeburger wurde im Jahr 2005 in der Dominikanischen Republik von den Behörden erwischt, als er für einen Bekannten ein Päckchen weißen Pulvers in einer dort residierenden deutschen Bäckerei abgab (oder abgeben wollte, so genau geht die SZ hier nicht ins nebensächliche Detail). Nun hat der seine Reise planende Mann in seiner mangelnden Sorgfalt offensichtlich außer Acht gelassen, dass rund um den Erdball jährlich Dutzende Deutsche mit Haftbefehlen konfrontiert werden, die auf dem Vorwurf des “Drogenschmug- gels” basieren (Die Welt berichtet über 34 Fälle z.B. allein im Jahr 2007), auch dürfte er kaum die Web-Site des Auswärtigen Amtes angesteuert haben, auf der regelmäßig auch vor unbewusstem Drogenschmuggel -auch nach Lateinamerika- gewarnt wird…

“in den Gefängnissen von Asunción sitzen auch Europäer wegen Drogenschmuggels ein. Die Haftbedingungen sind hart (Überbelegung der Haftanstalten, mangelnde Hygiene und Versorgung), die Prozesse langwierig” Zitat aus den Reise- und Sicherheitshinweisen des AA z.B. zu Paraguay.

…, noch hat er sich wohl darüber Gedanken gemacht, was in einem 100 Gramm Päckchen für eine Bäckerei im Ausland wohl anderes drin sein könnte, außer Backpulver.

Immerhin hat nun die SZ im Rahmen investigativer journalistischer Schwerst- arbeit nicht nur in Erfahrung gebracht, dass der bedauernswerte Frank-Michael Eberwein von seinen Bekannten in Magdeburg immer noch beim Spitznahmen genannt wird…

“Micha, wie ihn Bekannte in Magdeburg noch heute nennen”

…,sondern auch, dass jener früher treu seinen bürgerlichen Pflichten nachkam:

“Frank-Michael Eberwein, der 15 Jahre lang Werkzeug in einem Magdeburger Baumarkt verkauft hatte und stets pünktlich seine Steuern zahlte”

… Diese enorm hilfreichen Erkenntnisse wirft das Blatt nun zur Persönlichkeits- beschreibung und Verteidigung des Gebeutelten in den Ring. Der nämlich braucht nach Absitzen der Haftstrafe für den Drogenschmuggel offensichtlich dringend finanzielle Mittel für eine Heimkehr nach Deutschland und wirft der Botschaft vor, zu wenig für ihn zu tun. Auch ein Sündenbock für das Dilemma ist in der Auslandsvertretung schnell gefunden und er wird in BILDhafter Manier mit vollem Namen genannt. Es ist der deutsche Konsularbeamte Raimund Kallée, der von dem Boulevard-Schreiberling und Verfasser des Artikels der SZ, Christian Fuchs…

fuchs[2]

…(Absolvent der Henri-Nannen-Journalistenschule und nach eigenem Bekunden für seine Arbeit mehrfach ausgezeichnet), ins Visier genommen und dem Leser als hartherziger konsularischer Ebenezer Scrooge verkauft wird. Fakten, die ein Fehlverhalten des Botschaftsmitarbeiters belegen, liefert Autor Fuchs dabei nicht, ihm genügt zur Denunziantion des Diplomaten das Hörensagen, sprich das, was Frank-Michael Eberwein zur Sache behauptet. Eine Stellungnahme des persönlich angegriffenen Raimund Kallée findet sich nirgendwo im Artikel und die Auskunft des -dafür zuständigen- Auswärtigen Amtes in Berlin, von Eberwein liege überhaupt kein Antrag auf Hilfe vor, verschwindet unauffällig zwischen den Zeilen.

Ob das preiswürdiger Journalismus ist, den Christian Fuchs hier abliefert, kann bezweifelt werden, genau genommen entspricht diese Arbeit des Journalisten in mehr als einem Punkt nicht den Grundregeln des Pressekodex, der in seiner Ziffer 2 z.B. verlangt, dass “zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen“ [3] (Hervorhebung Moritatensaenger) sind und dass -Ziffer 1-vor allem “die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit” die obersten Gebote der Presse sein sollen. Eine Menschenwürde, die nicht nur für den gebeutelten Touristen Eberwein gilt, sondern auch für den Botschaftsmitarbeiter, mit dem der Henri-Nannen-Absolvent ohne Prozess, ohne die Möglichkeit einer Verteidigung oder Gegen- darstellung und auf jeden Fall ohne schlüssige Beweise kurzen Prozess macht. Auch bleibt die Persönlichkeit und eigene Verantwortlichkeit des Magdeburger Reisenden unreflektiert -von dem sich immerhin sowohl Bekannte als auch Familie so weit zu distanzieren scheinen, dass sie ihm selbst eine geringe finanzielle Unterstützung versagen- und dem Zweck der Verurteilung des zum Täter stilisierten Raimund Kallée untergeordnet. Und Überlegungen, wie eine deutsche diplomatische Vertretung in der Dominikanischen Republik, die sich allein im Jahr der Reise Eberweins, 2005, für 267.000 Deutsche [4] bereit halten musste (die nicht wenigen betreuungsaufwändigen Residents mit deutschem Pass nicht mitgerechnet), ohne konsequent gehandhabtem wie korrektem Handlungsrahmen arbeiten soll, fließen erst garnicht in das Konzept des Artikels von Herrn Fuchs ein.

Das alles ist bedauerlich und sorgt für fast mehr Kopfschütteln als das Schicksal eines naiven Touristen, der selbst nach 5 Jahren Haft in einem lateinamerika- nischen Land angeblich “nur wenig Spanisch” spricht. Viel wichtiger erscheint mir aber etwas, das angesichts der mit billigen Effekten aufpolierten Story schnell überlesen wird:

Zwei Parteien beschränken sich in diesem Rührstück um Frank-Michael Eberwein darauf, Geld mit dem Schicksal dieses Menschen zu verdienen: Der Süddeutsche Verlag (Süddeutsche Zeitung/Sueddeutsche.de), der diese Story gekauft hat und der u.a. mit solchen “Qualitätsprodukten” mehrere hundert Millionen Euro Umsatz im Jahr generiert, und der Autor Christian Fuchs, dessen Bankkonto an dem Verkauf dieser Story an die SZ partizipierte. Keiner der Beteiligten schien und scheint in der Lage und willens, wenigstens eine Bürgschaft für die ein paar hundert Euro betragenden Rückreisekosten von Frank-Michael Eberwein zu schultern. Eher gewinnt man, besonders bei Christian Fuchs und Sueddeutsche.de, den Eindruck, der Schreiber und der verantwortliche Redakteur kreisten bis zuletzt wie die Aasgeier über dem Opfer…

“Mittlerweile hat Eberwein nicht einmal mehr acht Euro für ein Busticket in die Hauptstadt Santo Domingo. Als sueddeutsche.de ihn vor einigen Tagen das letzte Mal telefonisch erreicht, hatte er starkes Fieber und Durchfall. Bevor die Leitung getrennt wurde, sagte er fast resigniert: ‘Ich lebe hier wie im Gefängnis, nur draußen.’”

…um auch dessen letzte Zuckungen noch gewinnbringend und zum eigenen Nutzen publizistisch verwerten zu können. Von Hilfe keine Spur, die sollen gefälligst andere übernehmen. So sehen gelebter Humanismus und praktiziertes linkes Weltbild bei der Süddeutschen aus. Und bei einem aufstrebenden linken Journalisten.



Mit tönendem Gruß



Ihr Moritatensaenger



[1] http://www.sueddeutsche.de/politik/dominikanische-republik-begrenztes-mitleid-1.965620

[2] http://www.n-fuchs.de/leben.htm

[3] http://www.presserat.info/inhalt/der-pressekodex/pressekodex.html

[4] http://de.wikipedia.org/wiki/Dominikanische_Republik#Tourismus



Geschrieben in Halbwahrheiten, SZ-Kritik Allgemein, VorBILD | 0 Kommentare

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