Im Glashaus
19. Mai 2010 von Jaspis
Die virtuelle Tinte des Artikels “Lucy Aharish, das Leid israelischer Araber….und der Geiger” [1] war noch nicht trocken, da beeilte sich die Süddeutsche, das unter Beweis zu stellen, was der Moritatensänger mit
(…) hätten nicht weite Teile der Medien und viele Mitmenschen unverrückbar verinnerlicht, was ihnen seit Generationen eingeflößt wird… Der Jud lügt, und das tut er besonders gern wenn er Israeli ist -und nicht gleichzeitig wenigstens einer israelkritischen NGO angehört- und ganz besonders gern lügt er, wenn er Angehöriger der IDF ist. Diesem Urteil folgend wird also seither die Story von den Nazi-gleichen Schergen der IDF und dem Holocaust-Juden-gleichen, armen palästinensischen Geiger mindestens unverdrossen wie unverändert weitererzählt, wenn nicht sogar in neuen Varianten als eigenes Erleben herbeiphantasiert.
anprangerte.
Stephan Kramer, der Geschäftsführer des Zentralrats der Juden, wird von der SZ zitiert [2] , der in einem Interview mit dem Focus den versteckten und offenen Antisemitismus in deutschen Medien monierte. Und zwar nicht nur da, wo ihn jeder weiß, bei den Rechtsextremen, sondern - huch - auch in der linken Presse.
In einem bemerkenswerten Interview mit dem Focus hat Stephan Kramer, Generalsekretär des Zentralrats der Juden, deutschen Medien Antisemitismus vorgeworfen; mal mehr, mal weniger. Und er nannte Namen, von linksaußen (Junge Welt, Neues Deutschland) und linksalternativ (taz) bis neurechts (Junge Freiheit) und rechtsextrem (National-Zeitung). Und mittendrin noch Titel wie taz, Tagesspiegel und auch FAZ.
Ein Beispiel wird genannt und verschiedene Reaktionen darauf. Und dass sich “Chefredakteure wehren”. Nur das, worum es eigentlich geht, worin nämlich dieser Antisemitismus nach Kramer besteht, das lässt Felix Serrao erstaunlicher- oder vielmehr bezeichnenderweise weg, obwohl es in dem leider sehr knapp gehaltenen Interview nur unschwer zu erkennen gewesen wäre [3]:
Der von rechts gerichtete Antisemitismus
kommt dort vor allem beim Thema Vergangenheitsbewältigung zum Ausdruck. Hier sind Juden die ewigen Störer einer unbeschwerten nationalen Identität, die allein schon durch ihre Anwesenheit den Traum mancher Vergangenheitsentsorger von einer geschönten und von allen nationalsozialistischen Verbrechen gereinigten deutschen Geschichte zerstören.
Und von links?
Es zeigt sich in der “Jungen Welt”, im “Neuen Deutschland” und teilweise auch bei der taz in einer einseitigen Berichterstattung zum Nahost-Konflikt und einer kompromisslosen Position. Israel wird dabei als rassisitischer und imperialistischer Kolonialstaat gezeichnet. Das Agieren der israelischen Armee wird unterschwellig in die Nähe der Wehrmacht gerückt, und es wird zu Boykotten israelischer Waren aufgerufen. Dabei verweisen linke Blätter gern auf jüdische Kronzeugen, die als Alibi-Juden den Antizionismus kaschieren sollen, der die Grenze zum Antisemitismus zuweilen deutlich überschreitet.
Erstaunlich, dass Felix Serrao gerade diesen Satz weglässt. Nicht, dass er irrelevant wäre. Das ist er nicht. Er ist eine der beiden Kernaussagen dieses Interviews, wenn nicht die Kernaussage. Denn was den rechten Antisemiten ausmacht, ist hinlänglich bekannt und vor allem anerkannt. Was den linken Antisemitismus ausmacht, wird hingegen gerne totgeschwiegen.
Aber tagtäglich praktiziert.
Auch in der Süddeutschen. In etlichen unserer Artikel, zu finden in den Rubriken “Antisemitismus” [4] und Israel/Nahost” [5] haben wir aufgezeigt und werden wir aufzeigen, dass die Süddeutsche durchaus ihren Platz in der Liste der zu kritisierenden Medien hat. Und hier kommen wir zu den Gründen, warum Serrao das wohl lieber nicht erwähnt.
“Israel wird dabei als rassisitischer und imperialistischer Kolonialstaat gezeichnet. Das Agieren der israelischen Armee wird unterschwellig in die Nähe der Wehrmacht gerückt, und es wird zu Boykotten israelischer Waren aufgerufen. Dabei verweisen linke Blätter gern auf jüdische Kronzeugen, die als Alibi-Juden den Antizionismus kaschieren sollen, der die Grenze zum Antisemitismus zuweilen deutlich überschreitet.”
trifft auf nicht wenige ihrer Artikel genauso zu. Es ist reiner Zufall, dass die Süddeutsche von Kramer nicht als Beispiel genannt wurde. - Auch wenn Felix Serrao das durch Weglassen dieses Schlüsselsatzes zu kaschieren versucht und statt dessen empörte Redakteure und einen in Israel geborenen und in München lehrenden Historiker (!) sprechen lässt. Der Leser muss das glauben, denn ein eigenes Bild kann er sich in Ermangelung der konkreten Vorwürfe Kramers, die ihm schlicht unterschlagen wurden, gar nicht machen.
Dabei sind es keineswegs nur “die anderen”, auf die Felix Serrao meint, aus seinem Glashaus heraus mit Steinen werfen zu können.
Jaspis
[1] http://www.suedwatch.de/blog/?p=3127
[2] http://www.sueddeutsche.de/medien/271/511378/text/
[3] Focus 20/2010, S. 129
[4] http://www.suedwatch.de/blog/?cat=48
[5] http://www.suedwatch.de/blog/?cat=7