Weder Targa noch Cabriolet
4. März 2009 von moritatensaenger
Lieber Automobil-Redakteur,
lieber Motor-Journalist,
lieber Namenlos,
uns beide hat es nun also getroffen, Sie und mich. Ich soll endlich meinen ersten Beitrag für suedwatch.de abliefern und Sie, den sowieso keiner gefragt hat, sind das bedauernswerte Opfer. Und das nur, weil Sie mit argloser Feder einen winzigen Artikel zum neuen, offenen Fiat 500 geschrieben haben. Wobei, und damit sind wir eigentlich schon mitten im Thema, Journalismus, dem ja unser Augenmerk gilt, auf suedwatch.de, nicht erst bei “Watergate” beginnt, sondern gerade eben im kleinen, leichten, Unscheinbaren. Soll heißen, kann, wer ein sowieso zu 90% aus den Pressemappen von Fiat abgeschriebenes Auto-Geschichtchen in seinen restlichen 10% nicht sorgfältig erarbeitet, jemals darauf hoffen ein -besserer- Woodward zu werden? Eher nicht, hm?!
Also sagte Hannibal Lecter “Bereit, wenn Sie es sind, Sergeant Pembrain!”, oder, wie der Bayer sagt, “Pack ma’s!”:
Am 17.02.09 titelten Sie die Vorstellung des neuen Fiat 500 C mit
“Targa statt Cabriolet” [1]
und im Text einer der -ich bitte um Entschuldigung- einfallslosen Bildunterschriften führten sie dann u.a. aus
“Allerdings ist der 500 C mehr Targa denn Cabriolet -ähnlich wie beim Vorbild aus den 50er Jahren” [2]
Bild: [2] Screenshot sueddeutsche.de
Beide Zitate aber widersprechen der Ankündigung, der Leser erführe von Ihnen die “ersten Fakten” zum neuen Modell. Fakten sind das nämlich keineswegs, die Sie da präsentieren. Warum? Ich werd’s ihnen gern erklären:
Ihre Verortung eines “Targa”-Daches am kleinen Fiat verbiegt -um nicht zu sagen vergewaltigt- nicht nur den unschuldigen Kleinwagen, sondern auch eine Konstruktion und ein eingetragenes Warenzeichen der (Dr.Ing.h.c.F.) Porsche AG. Und, weil wir gerade bei eingetragenen Marken sind, ebenso geschützt wie Porsches Marke ist, wenn auch nicht für den Sportwagenhersteller, die Mutter des Markennamens “Targa”, die “Targa Florio”, die für ein halsbrecherisch wildes, seit 1906 gefahrenes Straßenrennen in den Bergen Siziliens steht. Beides hängt -Sie werden sehen- zusammen.
Bild: [3] Beispielbild Targa Florio 1907. Der abgebildete Rennwagen wird unter dem Link allerdings fälschlicherweise als “Fiat 110 HP” bezeichnet, der Fahrer als Felice Nazarro. Beides ist falsch (auch so eine Automobil-Redakteurs-Falle; hätten Sie’s einfach abgeschrieben?). Tatsächlich zeigt das Bild einen französischen (aus Tours, der Stätte des Triumphs Karl Martells) “Rolland Pilain” und dessen Fahrer, Carlo Pizzagalli. Der erwähnte Felice Nazarro fuhr zwar die Targa in diesem Jahr, aber er pilotierte keinen “Fiat 110 HP”, sondern einen Fiat 28/40 HP. Den 110 HP gab es, aber er fuhr bereits zwei Jahre früher unter diversen Piloten (auch Nazarro) verschiedene Rennen in den USA und Europa. Außerdem unterschied er sich mit seiner Motorbauart (gigantische 16,3 Liter Hubraum, Ventile obenliegend, eine Nockenwelle im Zylinderblock seitlich) erheblich vom Typ 28/40 (”nur” 7,3 Liter Hubraum, Ventile links und rechts seitlich, zwei untenliegende Nockenwellen).
Die Targa Florio und Porsche -da ist der Zusammenhang- sind sich schon 1922 begegnet, als ein von Ferdinand Porsche konstruierter Austro Daimler wenn nicht siegreich, so doch mehr als ehrenvoll an der Targa teilnahm.
Bild: [4] Alfred Neubauer (der spätere, legendäre Mercedes-Benz-Rennleiter) auf einem von vier bei dieser Targa gemeldeten Austro Daimler “Sascha”-Prototypen (benannt nach dem Finanzier dieses Entwicklungs-projektes, Alexander “Sascha” Graf Kolowrat). Neubauer belegte mit seinem Rennwagen, angetrieben von einem vergleichsweise winzigen 1,1 Liter Motörchen, immerhin Platz 19 (während der auf einem der anderen Prototypen angetretene Graf ausschied).
Auch in den 50ern fegten Porsche siegreich durch Sizilien (1956 z.B. der Typ 550 Spyder, äußerlich vergleichbar dem, in dem James Dean in Californien starb), was lag also für Porsche näher, einem seiner Fahrzeuge den Namen “Targa” zu geben und ihn dadurch von einer ganzen Palette motorsportlich positiver Assoziationen begleiten zu lassen. Die ruhmreichen Verknüpfungen brauchten die Zuffenhausener damals auch, denn eigentlich waren die Targas kastrierte Cabriolets, die dem Unternehmen den Markt für offene Fahrzeuge in den USA sichern sollten, wo das U.S. Department of Transportation im Sicherheitswahn die Gattung der unbebügelten Cabriolets von der Zulassung verbannte.
Übrigens war der “Targa” nicht der erste Porsche, den der Namenszusatz eines berühmten Rennens adelte. Die Sportversion des 356 A hieß ab 1955 “Carrera”, benannt nach dem amerikanischen Pendant zur Targa Florio und zur Mille Miglia, der Carrera Panamericana.
Nicht korrekt, unabhängig vom Begriff “Targa”, ist auch, dass Sie das Vorbild für das Dachkonzept des offenen Fiat 500 in “den 50er Jahren” vermuten. Tatsache ist, dass der 500 von heute seine Wurzeln bis nach 1936 reckt. In diesem Jahr kam er nämlich als Modell A zur Welt bzw. auf den Markt, der erste Cinquecento, vom Volksmund -bis heute- “Topolino” genannt (wie Disneys Mickey Mouse in ihrer italienischen Variante), und er hatte neben einem verschweißten Blechdeckel bereits ein Dach zu bieten, das sich samt Glas-Heckscheibe zusammenfalten ließ (sagen Sie jetzt bloß nicht “Rolldach” dazu).
Bild: Fiat 500 A “Topolino”, Modell 1936

Bild: [6] Ein geöffneter 1967er Porsche Targa, noch mit herausgeknüpfter Kunststoff-Heckscheibe, die ab dem Modelljahr 1969 durch eine fest verbaute, beheizbare Scheibe aus Sicherheitsglas ersetzt wurde.
Ein “Targa” ist also, wenn Sie schon einen Gattungsbegriff daraus ableiten wollen (Sie haben es nun selbst gesehen), am ehesten ein offenes, zweitüriges Cabriolet (kein Roadster!), in dessen Karosseriestruktur ein Überrollbügel so integriert ist, dass daran die Verdecksegemente befestigt werden und der Bügel auch bei geschlossenem Dach sichtbar bleibt.
Abschließend: Dass, um Ihren Einwand vorweg zu nehmen, Porsche heute unter dem Namen “Targa” ein Modell im Verkaufsprogramm hat, welches mit der ursprünglichen Dachform nicht mehr das geringste zu tun hat, das ist wohl nur mit dem Privileg des Erfinders zu rechtfertigen. Dass allerdings Sie, mein lieber Schreiber vom Fach, eine Cabrio-Limousine mit dem geschützten Produktnamen eines anderen Herstellers -bezogen auf eine gänzlich andere Karosserieform- präsentieren, das ist durch keinerlei Privileg geschützt.
Trotzdem, trösten Sie sich, mein Lieber, es gibt in Ihrem Haus Kollegen, die sich nicht nur harmlos zwischen Karosserieformen und -bezeichnungen verirren, sondern zwischen den Begriffen und Ideen von Terroristen und Freiheitskämpfern, und da hört der Spaß wirklich auf. Darüber aber ein andermal.
Mit tönendem Gruß
Ihr Moritatensaenger
[1] http://www.sueddeutsche.de/automobil/971/458621/text/
[2] http://www.sueddeutsche.de/automobil/971/458621/bilder/?img=0.0
[3] http://www.topfoto.co.uk/gallery/1907/ppages/ppage123.htm
[4] http://www.seriouswheels.com/cars/top-Porsche-at-Targa-Florio.htm
[5] http://www.sueddeutsche.de/automobil/467/451182/zoom_0_0/
http://www.sueddeutsche.de/automobil/497/451212/bilder/?img=0.0
[6] Hersteller
2 Reaktionen zu “Weder Targa noch Cabriolet”
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