Schämen Sie sich, sueddeutsche.de !
26. Januar 2010 von Jaspis
Es ist ein Staatsbesuch: Der israelische Staatspräsident Schimon Peres ist gestern zu einem Staatsbesuch nach Deutschland gereist,
der dienstälteste Politiker dieses Landes, vielleicht der ganzen Welt. Seit fast sieben Jahrzehnten macht er Politik - in zwölf verschiedenen Regierungen. Manche Ministerien sollen extra für ihn geschaffen worden sein. Er war Minister für die Entwicklung der Wüstenregion, er war Außenminister, er war Premierminister. Er ist Friedensnobelpreisträger. [1]
Den Korrespondenten von ARD und ZDF gab er ein Interview.
“Das Hauptproblem heute ist der Iran”
sagte er darin und
“Der Iran finanziert die Hamas, trainiert sie und versorgt sie mit Waffen.” Teheran verhindere die Bildung eines palästinensischen Staats. “Der Iran unterstützt die Hisbollah, die den Libanon gespalten hat. Sie kauften 80.000 Raketen. Man muss sich auf die Quelle, auf das Herz des Problems beziehen.”
Peres verteidigt die Kriege, die Israel gegen die von Iran gesteuerte Hisbollah im Libanon und gegen die islamistische Hamas in Gaza führte. Er hebt hervor, Israel habe sich aus dem Gazastreifen zurückgezogen - und sei dennoch weiter von der Hamas beschossen worden.
Vor diesem Hintergrund erklärt Peres das Zögern Israels, auch aus dem Westjordanland abzuziehen. “Wir sagen den Palästinensern: Wir sind bereit, das Westjordanland zu verlassen, den größten Teil, aber wir wollen sicher sein, dass sie nicht anfangen, von dort auf uns zu schießen. Was uns zurückhält, ist nicht unser Verlangen, sondern die Notwendigkeit, zu versichern, dass das keine Abschussbasis wird: Das ist das Minimum.” [2]
und
“Ich sehe die Möglichkeit eines Palästinenser-Staats”
“Ich sehe die Möglichkeit genau jetzt, dass die Palästinenser ihren eigenen Staat aufbauen und nicht einfach nur darüber verhandeln.” Und er vergleicht das mit Israels Staatsgründung: “Ben Gurion hat auch einen Staat erschaffen und nicht nur darüber geredet.” [1]
Welt.online veröffentlichte einen Brief des Beraters von Staatspräsident Schimon Peres “an seine drei Cousins, die er nie kennenlernte. Sie wurden während des Holocausts ermordet” [3]
Lieber Poppel, lieber Bubi und lieber Yabuk,
Ihr kennt mich nicht, da Ihr starbt, bevor ich geboren wurde. Ich, Yoram Dori, bin seit vielen Jahren Berater des gegenwärtigen Präsidenten des jüdischen Staates - des Staates Israel. In den nächsten Tagen reise ich gemeinsam mit ihm nach Deutschland, als Teil der offiziellen Delegation während seines Staatsbesuchs zum internationalen Holocaust-Gedenktag. Das Datum ist der 27. Januar, der Tag, an dem das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau befreit wurde. Ein Tag, den zu erleben Euch nicht vergönnt war. Ich komme aufgewühlt nach Deutschland. Es ist das Land, dessen Sprache ich mit meinen Eltern gesprochen habe, obwohl ich in Israel geboren wurde. Mein Blick war schon immer in die Zukunft gerichtet, doch ich kann das Böse nicht vergessen. (…)
Heute wurde Peres von Bundespräsident Köhler und Bundeskanzlerin Merkel empfangen.
Merkel sagte, sie sei sich mit Peres einig, dass Iran völlig unangemessene Positionen vertrete. Wenn etwa dessen Präsident Mahmud Ahmadineschad das Existenzrecht Israels leugne, sei dies für eine deutsche Kanzlerin absolut inakzeptabel. Auf die Frage, ob Deutschland auch zur wirtschaftlichen Isolation Irans bereit sei, sagte Merkel, das Engagement vieler deutscher Firmen im Iran sei bereits zurückgefahren worden. Wirksam seien wirtschaftliche Sanktionen aber nur auf breiter Basis.
Der israelische Staatspräsident hält sich zu einem dreitägigen Staatsbesuchs in Deutschland auf. Im Anschluss an das Treffen mit Merkel war ein Gespräch mit israelischen und deutschen Jugendlichen gemeinsam mit Bundespräsident Horst Köhler geplant. Am Morgen wurde der 86-jährige Friedensnobelpreisträger von Köhler mit militärischen Ehren am Schloss Bellevue empfangen. Nach dem Eintrag ins Gästebuch besuchten beide Staatsoberhäupter das “Mahnmal Gleis 17″ im Grunewald. Die Station Grunewald war einer der Berliner Bahnhöfe, von dem aus während der Nazizeit Tausende Berliner Juden in Konzentrations- und Vernichtungslager im Osten Europas deportiert wurden. [4]
Und was liest man von diesen ersten beiden der drei Tage, die sich Peres in Deutschland aufhält, auf sueddeutsche.de, der world-wide-web-Präsentation der Süddeutschen? Eine kleine Meldung im durchlaufenden Newsticker und ein “Bild des Tages”, beide gerade einmal ganz kurz zu sehen, ersterer noch nicht einmal mit der Suchfunktion der Hauptseite zu finden.
Der dienstälteste Politiker Israels, vielleicht der ganzen Welt, Israels Staatspräsident besucht Deutschland und sueddeutsche.de versteckt die ohnehin nur spärlichen Meldungen dazu in der Besenkammer. Deutlicher kann man seine Verachtung für ein Land, dessen Staatspräsidenten und dessen Volk nicht zeigen.
Schämen Sie sich, sueddeutsche.de ! Schäme Dich, Süddeutsche!
Jaspis
[1] http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/8/0,3672,8017672,00.html
[2] http://www.tagesschau.de/inland/peres108.html
[3] http://www.welt.de/die-welt/debatte/article5969590/Von-Israel-will-ich-Euch-erzaehlen.html
[4] http://www.zeit.de/politik/ausland/2010-01/iran-atomstreit-merkel-peres
Update 27.01.2010 18:00 Uhr
Schadensbegrenzung betrieb sueddeutsche.de heute Nachmittag (dem dritten Tag des Staatsbesuchs) mit einem sehr taktvollen Bericht von Susanne Klaiber. [5]
Update 27.01.2010 18:30 Uhr
Die vollständige Rede von Schimon Peres ist hier nachzulesen:
http://newsletter.cti-newmedia.de/index.php?site=newsletter&id=626&sid=NA=#n1
15 Reaktionen zu “Schämen Sie sich, sueddeutsche.de !”
Klar Jaspis, und wenn die Süddeutsche etwas zu diesem Thema publiziert hätte- Ach dass hat sie ja sogar ich vergaß- dann hätten sie sie gescholten, weil sie viele Information wiederholt.
Das immanente Problem unserer multi.medien( = viele Medien) Gesellschaft, ist schlicht und ergreifend dass es nicht mehr für jede zeitung notwendig ist gewisse Themen bis in alle Ewigkeit stetig und ständig zu wiederholen. Irgendwann ist ein Thema “ausgelutscht”, dann will der Rezipient es nicht mehr in aller Ausführlichkeit und en detail lesen.
In diesem Moment ist es nur logisch von einer Redaktion die Ressourcen auf Themata zu lenken, welche noch neu und relativ wenig berichterstattungsgebeutelt sind.
Verstehen sie dass??
Wenn ja dann werden sie ja wohl einsehen dass dieser Kommentat ihrerseits mal wieder das Thema verfehlt.Schade aber auch…
Gruß das Alexikon
Sehr geehrtes Alexikon,
dass ein - neuer - Staatsbesuch des israelischen Staatspräsidenten und der Respekt vor dem Gast und dem Land, das er vertritt, ist für Sie ein “ausgelutschtes” Thema ist, habe ich zur Kenntnis genommen.
Nichtsdestotrotz, verehrtes Alexikon, ist es gerade auch die Bevormundung durch die Journalisten, die wir hier anprangern: Nicht sie haben zu entscheiden, was uns zu interessieren hat: Wir Leser haben das zu entscheiden. Und nicht die SZ hat zu entscheiden, über wessen Staatsbesuch ich etwas zu erfahren habe und über welchen nicht. Oder welche Information mir vorenthalten und statt dessen durch eine andere, konformere ersetzt wird.
Mit freundlichem Gruß
Japsis
hier steht zu 99 prozent schwachsinn. heute war das thema mit einer reihe von texten immer oben auf der homepage zu finden. aktuell ist es seitenaufmacher. selten ein blog gelesen, das so von selektiver wahrnehmung geprägt ist.
Sehr geehrter Jaspis,
ich möchte Sie auf folgende Artikel hinweisen:
http://www.sueddeutsche.de/,tt2m1/politik/163/501419/text/
http://www.sueddeutsche.de/,tt3m1/politik/164/501420/text/
Vielleicht überdenken Sie Ihre Kritik ja noch einmal.
Mit freundlichem Gruß,
M. Kaiser
Sehr geehrter Markus Kaiser,
danke für Ihre Links. Auf den einen Artikel habe ich soeben selbst in meinem Update verlinkt. Er betreibt ein wenig Schadensbegrenzung, macht aber m.E. den Affront der Vernachlässigung des Staatsbesuchs der letzten beiden Tage nicht wett.
Der zweite Artikel
”Frauen mit Brille? Ins Gas!”
mit den Schilderungen Lisa Mikovás betrifft den heutigen Gedenktag des Holocaust und die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz vor 65 Jahren. Er ist aber in jedem Fall und unbedingt lesenswert. Gegen das Vergessen.
Ein herzliches Danke daher auch für diesen Link an Sie und an die SZ für den Artikel.
Mit freundlichen Grüßen
Jaspis
ich hab auch noch einen:
http://www.sueddeutsche.de/,tt3m1/politik/228/501483/text/
und jetzt suedwatch? wie passt das in euer hier an die wand gemaltes schreckensbild von der sz?
Sehr geehrter Hans,
danke für Ihre freundlichen Beiträge und für diesen link. Ehrlichen Dank auch Paul-Anton Krüger für seinen Kommentar.
Auch dieser Artikel erschien allerdings erst heute, einen Tag nach meinem Artikel. Ich darf Ihr Augenmerk noch einmal auf meinen Artikel lenken, in dem ich schrieb:
“Und was liest man von diesen ersten beiden der drei Tage, die sich Peres in Deutschland aufhält, auf sueddeutsche.de, der world-wide-web-Präsentation der Süddeutschen? (…)” Ich habe die maßgebliche Passage für Sie fett hervorgehoben. Heute ist der dritte der drei Tage.
Es freut mich aufrichtig, dass ich sueddeutsche.de offensichtlich nun doch zu etwas mehr Engagement animieren konnte und bin nun zuversichtlich, dass sie beim nächsten Besuch von Staatspräsident Peres bereits vom ersten Tag auf der ersten Seite darüber berichten wird - so, wie sie das bei anderen Staatsbesuchen ja auch macht.
Mit freundlichem Gruß
Jaspis
dazu kann ich nur sagen: da schlägt die Illusion der eigenen Wirkungsmacht aber gewaltig durch.
und warum sich eine zeitung schämen sollte, weil sie nicht sofort berichtet, sondern wartet, um sich dann ein bild zu machen, das ist so unerklärlich, wie die völlig eindimensionale, scheuklappenmäßige wahrnehmung auf diesem blog hier. und warum der satz: “Deutlicher kann man seine Verachtung für ein Land, dessen Staatspräsidenten und dessen Volk nicht zeigen” trotz der berichterstattung heute stehen bleibt, ist schlicht peinlich für dieses blog. das wiederum ist nicht so überraschend…
Lieber Jaspis,
es ist immer wieder belebend für mich, Beiträge von Ihnen zu lesen. Ein Signal, dass ich mir eigene Beobachtungen nicht nur einbilde, sondern, dass sie wahrhaftig sind. ich rufe Bravo und Bravissimo!
Sie stehen als Eiche in einem System, in dem die Wenigsten noch erkennen können. Obige Kommentare beweisen dies.
Erschütternd ist es für mich täglich Zeuge zu sein, von einer 1933-Ächtungsmaschinerie. Nichts ist Vergangenheit. Nichts.
Die Köpfe sind verseucht von Irrsinn und Propaganda. Von Halb- und Nichtswissen. Die “Wahrheit!” wird verachtet, weil sie allein wahr ist.
Die Menschheit hat nicht hinzugelernt. Sie ist in Hobbes. Und wenn Sie sich wie ein Don Quixote de la Mancha fühlen, lassen Sie bitte Ihre geneigten Leser als Sancho Pansae dienen.
Lieber David Stern,
meinen wärmsten Dank für Ihre Nachricht. Wir haben noch viele Windmühlen vor uns. Schön, dass Sie dabei sind!
Herzliche Grüße
Jaspis
Doch es ist Vergangenheit, die defintiv nicht vergessen, aber nichtsdestotrotz als Vergangenheit behandelt werden muss!
Und Jaspis: Wenn sie GENERELLE Bevormunung anprangern, warum tragen sie diesen - sicherlich heroischen- Kampf niccht auf den Schultern aller sondern lediglich auf dem Rücken der SZ aus??
Es scheint mir doch eine gewisse Antipathie dahinter zu stecken.
Und diese Antpathie manifestiert sich in ihren zahlreichen Kommentaren, die teils von erschreckender Naivität und absolutem Destruktivismus geprägt sind.
Ach so: Mein “ausgelutscht” war, wie man nach aufmersamem Lesen dem Text durchaus entnehmen kann, hatte generellen Bezug.
Wenn sie dieses Wort in Korrelation zum folgenden text gesetzt hätten., wäre ihnen auch klar geworden dass es um die generelle Problematik der Selektion in Medien geht.
Es liegt aber in der Natur einer Zeitung dass Informationen selektiert werden müssen. Wenn dass zu Ihren Lsten geht. Pech gehabt. Dass http://www. schafft Abhilfe.
Insofern ist diese immerwährende Kritik, dies habe nicht in der Sz gestanden, dass auch nicht, jenes wiederum zu knapp; verfehlt
Gruß das Alexikon
Sehr geehrtes Alexikon,
Ihr “ausgelutscht” war genau so gemeint, wie aufgefasst, anderenfalls hätten Sie es kaum als Rechtfertigung für die Vernachlässigung des Staatsbesuches angebracht. Ihr Verweis auf die Vergangenheit, also auf den Holocaust in diesem Zusammenhang macht das nicht besser, im Gegenteil.
Was Sie aber letztendlich für “ausgelutscht” halten oder nicht, überlasse ich Ihnen. Ich persönlich finde es bemerkenswert, dass die Berichte über den Staatsbesuch heute Morgen bereits wieder von der Startseite verschwunden waren, während das offenbar weitaus “interessantere” Thema der mangelhaften Englisch-Kenntnisse eines Herrn Oettinger sich nun bereits seit zwei vollen Tagen auf der Startseite hält.
Gerade wenn die Vergangenheit sich zu wiederholen droht, ist umso dringender gegen das Vergessen anzukämpfen. Erst recht, wenn das Grundübel der Vergangenheit noch immer vorhanden ist.
Denn das ist die Gegenwart.
Mit freundlichem Gruß
Jaspis
Nein Jaspis, mein ausgelutscht bezog sich auf Medien generell.Ich mag auch nicht wenn sie trotz gegenteiliger Beteuerungn meinerseits weiterhin starr auf ihrer Interpretation beruhen.Man beruht nicht contra dem Autoren eines Textes über dessen intention…
Und Vergangenheit darf nicht als ewig währenden Damoklesschwert über den köpfen aller hängen.
Ich verstehe nur nicht warum sie all ihren (berechtigten??)Frust auf die Sz projezieren müssen…
Gruß
Alexander
Sehr richtig, Japis, die Vergangenheit droht sich zu wiederholen. Nur könnten es diesmal nicht die Juden sein, sondern die Anhänger des Islam. Und Ihre Beiträge, die davon ausgehen, dass die Anhänger des Islam hauptsächlich ehrenmordende Fanatiker sind, deren einziges Ziel die Weltherrschaft ist (auch das eine altbekannte Befürchtung), stellen ebenfalls kleine Wassertröpfchen dar, die das Fass des Hasses langsam auffüllen.
Wenn Sie also möchten, dass die Zukunft anders aussieht als die Vergangenheit, sollten auch Sie sich überlegen, wie sie zu Deeskalation und Verständnis beitragen können anstatt zum Religionshass weiter aufzustacheln!
Sehr geehrter Tellerwäscher,
posts wie der Ihre, auf dessen Inhalt ich schon wegen seiner Abwegigkeit gar nicht erst eingehe, verdeutlichen, wie wichtig Blogs wie der unsere sind.
Mit freundlichem Gruß
Jaspis