“Nur nicht provozieren! Die Irren könnten böse werden!”
2. Januar 2010 von moritatensaenger
Diesen Satz schrieb Henryk M. Broder am 15. September 2001, 4 Tage nach dem Mord an tausenden Menschen in den New Yorker Twin Towers durch muslimische Terroristen, in einem Artikel im Spiegel [1]. Und tatsächlich scheint das von Broder den Mainstream-Schreibern unterstellte Motto zur Süddeutschen zu passen wie die Faust auf’s Auge. Dort ist man nämlich durchaus mutig, solange z.B. eine Karikatur nur jene Gläubigen beleidigt, die darauf nicht mit Gewalt reagieren. So etwa, als die SZ im September 2006 mit süffisantem Grinsen über den “Aktionskünstler” Wolfram P. Kastner und den mal “Lektor” mal auch “Aktionskünstler” genannten Georg Ledig berichtete, die als Papst und Hitler verkleidet durch die Münchener Fußgängerzone marschierten. Selbstverständlich wurde der betreffende Artikel [2] damals mit einem Bild des als Papst verkleideten Kastner illustriert, das katholische Gläubige möglicherweise durchaus beleidigenden konnte:
Im Gegensatz dazu stand (und steht) die Berichterstattung der SZ betreffs der Mohammed-Karikaturen, auch und gerade, als der Streit damals mit den gewaltsamen Ausschreitungen der beleidigten - moslemischen - Gläubigen seinen Höhepunkt fand. Thierry Chervel, ehemaliger Redakteur und Kulturkorrespondent der Süddeutschen sowie Mitbegründer des Online-Kulturmagazins Perlentaucher, schrieb im März vergangenen Jahres [3] bei eben jenem Perlentaucher ein paar interessante Sätze zu dem Verhalten u.a. der Süddeutschen:
“Als die Zeitungen vor vier Wochen über die Fatwa gegen Salman Rushdie vor 20 Jahren und ihre Folgen bis heute nachdachten, kamen sie selbstverständlich auch auf den Karikaturenstreit vor drei Jahren zu sprechen.
‘Nein, man soll auch gläubigen Muslimen nicht die Begegnung mit der westlichen Kultur ersparen, alberne Karikaturen eingeschlossen’, konzediert zum Beispiel Thomas Steinfeld in seinem Artikel für die SZ zum Jahrestag der Fatwa am 14. Februar. Es ist auch ein Plädoyer für eine Mäßigung des Westens im Umgang mit anderen Kulturen. Der Westen solle sich klar machen, ‘wie totalitär selbst seine Glücksideale’ seien.
Wie ‘albern’ waren die Karikaturen denn? Mit dem Wörtchen wischt Steinfeld noch im Jahr 2009 das, worum es in dem Streit doch angeblich ging - die Karikaturen selbst - mit lässiger Bewegung aus dem Blick wie ein lästiges Stäubchen vom wohlgeordneten Redakteursschreibtisch. Das ‘albern’ ist ein Dekret, noch im Nachhinein, denn die Leser der SZ konnten sich auf dem Höhepunkt des Streits, soweit wir das nachrecherchieren konnten, und auch bis heute kein Bild von den Karikaturen machen. [...] als das Interesse des Publikums am größten war, verzichteten die meisten westlichen Zeitungen, so wie die SZ, darauf, die Zeichnungen zu dokumentieren. Das Zeitungspublikum war gezwungen, ins Netz zu gehen und die Karikaturen per Google zu suchen…”
Bei dieser Haltung des Blattes aus München war es nicht nur im Streit um die Mohammed-Karikaturen geblieben, auch als es im September 2007 über die muslimischen Reaktionen auf eine neue Mohammed-Karikatur berichtete [4] - diesmal veröffentlicht von der schwedischen Tageszeitung Nerikes Allehanda - war der Artikel zwar mit tobenden Muslimen illustriert, ein Abbild der aus- lösenden Karikatur wurde den Lesern allerdings vorenthalten:
Und auch heute, im Januar 2010, hat sich an der journalistischen wie charakter- lichen Bankrotterklärung der Verantwortlichen in der SZ nichts geändert. Nachdem am gestrigen Freitag von einem gläubigen Moslem ein Mordanschlag auf den dänischen Karikaturisten Kurt Westergaard verübt wurde, zeigt die Süddeutsche in ihrer Online-Ausgabe zwar ein Foto des Verfolgten…
…, erspart sich aber die Abbildung der Zeichnung, wegen der der Karikaturist von Muslimen auf der ganzen Welt mit dem Tode bedroht wird. Alles wohl getreu dem Motto: “Nur nicht provozieren! Die Irren könnten böse werden!”.
Weil Sie aber, lieber Leser, hier auf suedwatch.de zu sehen und zu lesen erwarten, was die Süddeutsche “anders darstellt” oder gar komplett vorenthält, stellen wir nachfolgend die betreffenden Karikaturen ein:
Nebenbei bemerkt und etwas abseits vom Thema, aber eigentlich doch auch deckungsgleich:
Vor einigen Tagen begleitete die Süddeutsche mit einem kritischen Artikel - kost’ ja nix - die geplante Seeligsprechung von Papst Pius dem XII. [6] (auf den es sich vielleicht lohnen würde, in suedwatch.de demnächst gesondert einzugehen). Wie auch immer: wesentlicher Kritikpunkt an der Person und der Amtszeit dieses Papstes ist allgemein - bei diversen “Aktionskünstlern” und selbstverständlich auch bei der SZ - , er sei zu still gewesen, zu wenig offensiv in seiner Kritik und seinem Verhalten gegenüber den Nazis, sowie zu sehr von amtskirchlichen Interessen gefangen gewesen. Kann man sich vorstellen - wenn man sich den Mut deutlich macht, mit dem die Süddeutsche inmitten sicherer rechtsstaatlicher Verhältnisse zu Themen der Meinungsfreiheit agiert - wie heldenhaft wohl dieses Blatt, in der momentanen redaktionellen Besetzung, in einem frühen Dritten Reich (vom späteren gar nicht zu reden) gegen die ersten Auswüchse der Einschränkungen von Grundrechten gekämpft hätte? Gegen die ersten Sanktionen und Repressionen gegen Juden?
Ich schon. Sie auch?
Mit tönendem Gruß
Ihr Moritatensaenger
[1] http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-20129238.html
[2] http://www.sueddeutsche.de/muenchen/165/364984/text/
[3] http://www.perlentaucher.de/blog/16_wie_albern_waren_die_mohammed-karikaturen%3F
[4] http://www.sueddeutsche.de/politik/273/417039/text/
2 Reaktionen zu ““Nur nicht provozieren! Die Irren könnten böse werden!””
ich finds gut dass mal jemand sich traut gegen die (schweine von EXTREMISTEN nicht alle moslems)einige karikaturen anzufertigen
[...] Dass der damalige Landtagsabgeordnete und Präsident des Regionalrates von Trentino-Südtirol, Pahl, eventuell persönlicheres im Sinn hatte als Wählerstimmen, war für den Karrieristen Liebs (bis 2001 einfacher Autor, danach Redakteur bei der SZ, ab 2010 Chefredakteur beim Kunstmagazin “Monopol” [8]) wohl keine Option. Tatsächlich bewies Franz Pahl aber Charakter zog sich unmittelbar nach der Affäre von allen seinen politischen Ämtern zurück. Ein respektabler menschlicher Zug, mit dem man im Hause SZ nicht besonders viel anfangen kann. Dort eher gefragt ist jenes Maulheldentum, das zwar einerseits für die Freiheit der Kunst (usw.usw.) eintritt, aber andererseits - siehe Mohammed-Karikaturen - vor der Gewalt - in diesem Fall fanatischer Muslime - zurückweicht. Und falls nun noch jemand wissen möchte, ob der heldenhafte Holger Liebs in einer vergleichbaren Weise, wie er sich über den (und die) Südtiroler ausließ, auch einmal über die, wegen der Karikaturen nicht nur in Hungerstreik tretenden, sondern eine Terrorspur hinter sich herziehenden, “Rechtsaußen” unter den Moslems hergezogen ist, kann er sich eigentlich die Antwort schon selbst denken. Nebenbei, der Moritatensaenger hat zu einem vergleichbaren Sachverhalt schon im Januar 2010 einen Artikel geschrieben. Titel damals ein Wort von Henryk M. Broder: “Nur nicht provozieren! Die Irren könnten böse werden!”. [...]