“Und,…ich wünsch mir wirklich den Weltfrieden!”
20. November 2009 von Jaspis
Es ist ja immer schön, wenn man zu einem aktuellen Ereignis jemanden interviewen kann, der sich mit der Materie auskennt und deshalb Erhellendes zum Thema beitragen kann. Warum Johannes Kuhn zu den aktuellen Studentenprotesten für die SZ allerdings ausgerechnet Konstantin Wecker befragt hat[1], ist mir ein Rätsel.
Konstantin Wecker: Ich bin einfach hingegangen, um zu sehen, was los ist, um mich zu solidarisieren, denn das Positionspapier der Münchner Uni-Besetzer finde ich gut. Und ich wollte sehen, was der Unterschied zu den Uni-Besetzungen 1968 ist.
sueddeutsche.de: Was ist anders als Achtundsechzig?
Wecker: Der Umgangston zum Beispiel, es wird viel sachlicher argumentiert. Ich war anwesend, als der Direktor der Akademie für Bildende Künste zu den Besetzern gesprochen hat - wie da reagiert wurde, das war toll. Es gab eindeutigen Widerspruch, doch es ging nicht darum, um jeden Preis in der Debatte zu siegen, sondern die Studenten haben auch zugehört. Das war Achtundsechzig anders, denn damals waren im Gegensatz zu heute kaum Frauen an diesen Prozessen beteiligt. Das war eine ziemliche Macho-Veranstaltung seinerzeit, unter dem Umgangston habe ich sehr gelitten. Sie mögen lachen, aber ich glaube, wir brauchen einen zärtlichen Umgang miteinander, wenn es um eine gerechte Welt geht.
Ich denke, wir alle sehen, dass diese Welt ungerecht ist. Der Zyniker sagt: Das ist so. Utopisten sagen: Eine gerechtere Welt ist möglich. Deshalb setze ich so große Hoffnungen in die Studenten, denn die Ökonomisierung der Wissenschaft, die Beeinflussung der Universitäten durch die Wirtschaft sind ein Teil des Gesamtproblems.
sagt Konstantin Wecker, und:
Ich persönlich hoffe, dass das den Studenten nicht reicht, dass es weitergeht. Und wenn jetzt die Hochschuldirektoren fordern, dass die Debatte nicht ideologisch werden soll, sage ich: Sie muss ideologisch werden. Ich traue der Bildungsministerin keine Sekunde über den Weg, sie ist nicht in der Lage, die Forderungen der Studenten zu erfüllen.
(damit hat er zwar Recht. Allerdings liegt das weniger an der Bildungsministerin als an etlichen der Forderungen)
und auf die Frage
sueddeutsche.de: Wie würde Ihre ideale Universität aussehen?
Wecker: Ein Studium sollte unter weniger Leistungsdruck stattfinden. Meine Söhne werden in ein paar Jahren vielleicht studieren, ich würde mir sehr wünschen, dass sie nicht das Gefühl haben, sie kriegen keinen guten Beruf mehr, wenn sie nicht in ein paar Semestern sofort etwas erreichen. Ich würde mir wünschen, dass sie wie wir damals die Möglichkeit haben, sich in allen möglichen Studienfächern umzuschauen, ein Studium generale zu machen. Das war schon toll.
Nun fragt man sich, was dieses Interview denn eigentlich aussagen soll. Konkret Fassbares ist nicht darin enthalten, noch wird hier jemand befragt, der wirklich weiß, wovon er spricht. Ein wenig “Leistungsdruck” ist unumgänglich, sieht man das Studium nicht nur als netten Zeitvertreib, wie z.B. auch die Protestierenden, deren Papier (auf das der Artikel verlinkt) Wecker so gut findet und die u.a. fordern …
die Einführung eines Lernendengehalts, das Kredite und Stipendien hinfällig macht. Dieses soll ausreichen, damit die Lernenden nicht auf Lohnarbeit angewiesen sind und ihnen genügend Spielraum für soziales, politisches und gesellschaftliches Engagement, Weiterbildung über das Studium hinaus sowie sonstige Aktivitäten bleibt, und nicht nur den bloßen Grundbedarf sichern.
(eine interessante Forderung übrigens. Wie muss man sich denn dieses “genügend Spielraum für soziales, politisches und gesellschaftliches Engagement, Weiterbildung über das Studium hinaus sowie sonstige Aktivitäten bleibt” vorstellen, für das zum Beispiel diejenigen früheren Mitschüler eben dieser Studenten ihre Steuern geben sollen, die bereits seit ihrem 15. Lebensjahr täglich acht Stunden arbeiten und daneben wohl kaum Zeit haben für derlei Dinge: Umfasst dieses “Lernendengehalt” nur den regelmäßigen Besuch am Gardasee, wenn gerade einmal keine Flugblätter mit abstrusen Forderungen verteilt werden, oder dürfen die “Streber” unter den Studierenden, also solche, die an der Uni auch etwas lernen wollen, sich auch gelegentlich ihrem Studienfach widmen?)
… sondern primär zur Erlangung einer Ausbildung mit entsprechendem Abschluss, mit dem dann nach Möglichkeit ein entsprechender Beruf ergriffen werden kann. - Das allerdings, also ein Studienabschluss, ist etwas, womit Wecker nicht gerade glänzen kann: Bereits nach einem Jahr Musikstudium sattelte er um auf Philosophie und Psychologie - um auch das nach zwei Jahren wieder abzubrechen. Nichts dagegen, nicht jedem liegt das Studieren, zumal wenn seine Talente anderswo liegen. Ein wirklicher Kenner der Materie ist Wecker damit allerdings nicht. Das zeigt er auch mit seinem Schlusssatz
Ich würde mir wünschen, dass sie wie wir damals die Möglichkeit haben, sich in allen möglichen Studienfächern umzuschauen, ein Studium generale zu machen. Das war schon toll.
Sofern man ein Studium generale nicht nur als nichtssagende Grundlage für sein “soziales, politisches und gesellschaftliches Engagement, Weiterbildung über das Studium hinaus sowie sonstige Aktivitäten” sieht, neben denen man für ein konkretes Fach ohnehin keine Zeit hat, kommt man, z.B. an der Uni München durchaus auf seine Kosten: Das Studium generale gab und gibt es nach wie vor. Die 27-seitige Broschüre zum Wintersemester 2009/2010 nebst sämtlicher darin aufgelisteter Vorlesungen sei dabei zur Lektüre wärmstens empfohlen.[2]
Es stellt sich weiter die Frage, wogegen Konstantin Wecker im Jahr 1968 schon protestiert haben könnte. In diesem Jahr war er zwar gerade schon volljährig, also 21 Jahre alt. Abitur hatte er damals allerdings noch keines, das machte er erst im Jahr darauf und Student wurde er dementsprechend auch erst 1969.
[3]
Und dann musste er den Studienbetrieb auch erst kennenlernen, bevor er in der Lage war, ihn - oder auch den Protest und das, wogegen er sich richtete, beurteilen zu können. Falls er nicht einfach protestiert hat um des Protestierens Willen. - Was man ja wirklich niemandem, auch heute keinem, unterstellen wollte, nein. (Genauso wie auch nicht unterstellt wird, dass der wunschgemäß so sanfte Tonfall der Frauen das Einzige war, was dem einen oder anderen wegen der geringen Frauenquote der damaligen Proteste gefehlt haben könnte. [4])
Was also hat Johannes Kuhn dazu veranlasst, ausgerechnet Konstantin Wecker als Interview-Partner zu befragen, sofern es ihm auch um Informationen zum Thema geht - und nicht lediglich um unfundierte, von prominenter Seite unterstützte Lobhudelei und Stimmungmache, damit die Proteste nur ja nicht zu früh in einem wechselseitigen Konsens enden? Ein Konsens wohlgemerkt, der die tatsächlichen Missstände beseitigte und sich nicht im ideologischen Wirrwarr verfranzt.
Jaspis
[1] http://www.sueddeutsche.de/jobkarriere/262/494596/text/
[2] http://www.uni-muenchen.de/studium/studienangebot/lehrangebote/studium_generale/index.html
[3] http://www.br-online.de/bayerisches-fernsehen/abendschau/studiogast-couch-konstantin-wecker-ID1239018610006.xml
[4] http://www.wissen.de/wde/generator/substanzen/bilder/Ressorts/Geschichte/augenblicke/2008/60er___studentenbewegung___sexualitat_233,property=zoom.jpg