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Die SZ und der Pressekodex - hier Ziffer 2, Satz 3

6. November 2009 von Jaspis

pressekodex



Wenn ein Journalist einen Bericht schreibt, seine Quellen aber unsicher sind, dann macht er das dadurch deutlich, dass er Worte wie “angeblich” und den Konjunktiv benutzt. So weiß der Leser: Das sind keine gesicherten Erkenntnisse, das, was er da liest, könnte auch falsch sein. Lässt der Journalist diese Stilmittel weg, dann vermittelt er seinem Leser den Eindruck, dass das wahr ist und auf gesicherten Erkenntnissen beruht, was er da schreibt.

Solches Vorgehen gebietet schon Ziffer 2 Satz 3 des Pressekodex [1]

Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen.

Ein Beispiel für einen Bericht, der aus Sicht des schreibenden Journalisten, hier Peter Münch, auf einer unsicheren Quelle beruht, ist

Waffen für die nächste Schlacht - Israel stoppt deutsches Schiff [2]

Im Mittelmeer hat ein israelisches Spezialkommando einen deutschen Frachter aufgebracht, auf dem Raketen und andere Waffen aus Iran versteckt gewesen sein sollen - mutmaßlich für die Hisbollah-Miliz im Libanon. Fast zeitgleich wurde die israelische Öffentlichkeit aufgeschreckt durch die Meldung, die Hamas habe eine neue Rakete im Arsenal, die 60 Kilometer weit fliegen, also erstmals auch Tel Aviv treffen könne. Auch hier soll die Lieferung aus Iran gekommen sein.

Anscheinend die einzige sichere Tatsache: “Im Mittelmeer hat ein israelisches Spezialkommando einen deutschen Frachter aufgebracht”. Bereits der Fund der Waffen wird als Mutmaßung dargestellt, ebenso wie die (und hier sind es wirklich welche) Annahmen hinsichtlich Herkunft und Zweckbestimmung.

Die “unsichere Quelle” des immerhin aus Tel Aviv berichtenden Peter Münch sind “israelische Berichte”. Die - und das scheint bereits zu genügen - von der Hisbollah als “Lügengeschichte” bezeichnet werden. Aber gut, wenn Peter Münch sich seiner Quellen nicht sicher war, ist es nachvollziehbar, das auch kenntlich zu machen. (Es stellt sich allerdings die Frage, wodurch dann ausgerechnet das Detail des Aufbringen des Schiffes an sich gesichert war.)



Werfen wir unter dem Eindruck der praktizierten Ziffer 2 Satz 3 des Pressekodex einen weiteren Blick auf SZ-Berichte. Da wurde beispielsweise vor einer Woche der NATO-Bericht zu dem Luftschlag der Bundeswehr vom 4. September vorgelegt. Während der Tenor in den allermeisten Medien lautete:

bundeswehr-sieht-sich-entlastet [3]

Die Bundeswehr sieht sich durch den Nato-Untersuchungsbericht jetzt entlastet. In Kenntnis des Berichts habe er keinen Grund daran zu zweifeln, dass die deutschen Soldaten angesichts der schwierigen Lage “in operativer Hinsicht” militärisch angemessen gehandelt hätten, sagte der Generalinspekteur. Klein habe die Lage richtig beurteilt und sogar davon ausgehen können, dass keine Unbeteiligten durch den Luftschlag zu Schaden kommen würden. “Ich kann es sehr gut nachvollziehen, dass es sich in der Nacht zum 4. September für Oberst Klein so darstellte, dass keine Unbeteiligten vor Ort waren.” [4]

Der Bericht bestätige nicht, dass unbeteiligte Personen umgekommen seien, sagte Schneiderhan. Der deutsche Kommandeur des Feldlagers Kundus hatte am 4. September den Luftangriff von amerikanischen Kampfflugzeugen auf die beiden von den radikal-islamischen Taliban gekaperten Tanklastzügen angeordnet. [5]

… wusste es die SZ, und dort Peter Blechschmidt, besser:

Der 575 Seiten dicke Nato-Bericht zum Bundeswehr-Luftangriff bei Kundus belastet Oberst Klein: Nach SZ-Informationen geht daraus hervor, dass Klein gegen die Einsatzregeln verstieß. [6]

Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan war eine der wenigen Personen, die den Bericht überhaupt zu Gesicht bekommen haben. Ein vielkritisierter Punkt, der jedoch nichts an der Frage ändert, woher denn die SZ ihre Informationenen hat, die in so krassem Widerspruch zu Schneiderhans Stellungnahme stehen - und, was noch viel wichtiger ist: Wie gesichert sie sind. Da beides nicht benannt wurde, möchte man schon meinen, dass ein Peter Blechschmidt die gleiche Sorgfalt, gerade in Bezug auf Ziffer 2 Satz 3 des Pressecodex, an den Tag legt wie sein Kollege Peter Münch. Dann allerdings hätte der Text etwa gelautet:

“Der 575 Seiten dicke Nato-Bericht zum Bundeswehr-Luftangriff bei Kundus soll Oberst Klein angeblich belasten: Nach SZ-Informationen gehe daraus hervor, dass Klein gegen die Einsatzregeln verstoßen haben soll.” Und dann hätte man sich vielleicht auch gewünscht, dass diese Informationsquelle sich auch dazu äußert, wie es denn zu diesen ganz erheblichen Abweichungen der Wahrnehmung des NATO-Berichtes kommen kann.



Ein noch besseres Beispiel für das Vermengen gesicherter Tatsachen mit reinen Vermutungen oder eigenen Wunschvorstellungen unter völliger Außerachtlassung von Ziffer 2 Satz 3 des Pressekodex ist “Guttenberg und der Krieg
Bundeswehr in Afghanistan”. [7] Darin heißt es:

“Ich verstehe jeden der sagt, in Afghanistan ist Krieg”: Verteidigungsminister Guttenberg bricht mit der Tradition seiner Vorgänger - und spricht im Zusammenhang mit dem Einsatz in Afghanistan erstmals von Krieg.

Nein, eben nicht. Die entsprechende Passage des Interviews lautete:

BILD: Werden Sie – wie Ihre Soldaten – „Krieg“ nennen, was sich in Afghanistan abspielt?

Guttenberg: Ich will ganz offen sein: In Teilen Afghanistans gibt es fraglos kriegsähnliche Zustände. Zwar ist das Völkerrecht eindeutig und sagt: Nein, ein Krieg kann nur zwischen Staaten stattfinden. Aber glauben Sie, auch nur ein Soldat hat Verständnis für notwendige juristische, akademische oder semantische Feinsinnigkeiten? Und: Manche herkömmliche Wortwahl passt für die Bedrohung von heute nicht mehr wirklich. Ich selbst verstehe jeden Soldaten, der sagt: „In Afghanistan ist Krieg, egal, ob ich nun von ausländischen Streitkräften oder von Taliban-Terroristen angegriffen, verwundet oder getötet werde.“ Der Einsatz in Afghanistan ist seit Jahren auch ein Kampfeinsatz. Wenigstens in der Empfindung nicht nur unserer Soldaten führen die Taliban einen Krieg gegen die Soldaten der internationalen Gemeinschaft. [8]

Wie geschickt es vom Verteidigungsminister war, sich so auszudrücken, gerade im Hinblick auf Klaus Naumanns Außenansicht “Krieg? Das hätten die Taliban gern” (vgl. [9]), mag dahinstehen.

Allerdings ist weder das Verständnis für das Unverständnis “für juristische, akademische oder semantische Feinsinnigkeiten”, noch die Rede von “kriegsähnlichen Zuständen” (jeder, der in einer “eheähnlichen Beziehung” lebt und versucht, die Vorteile einer Ehe wie Ehegattensplitting, Sorgerecht für sein nichteheliches Kind oder gesetzliches Erbrecht in Anspruch zu nehmen, weiß ein Lied davon zu singen, wie relevant eine solche sprachliche Unterscheidung auch in der Realität ist) auch tatsächlich die Bezeichnung des Einsatzes als “Krieg”, auch wenn sich das manch Redakteur noch so sehr wünschen möchte. Denn bei allem Verständnis zu Guttenbergs für das Empfinden seiner Soldaten: Der Minister weiß als promovierter Jurist haargenau, wie relevant juristische, akademische oder semantische Feinsinnigkeiten im Rechtsleben sind. Und er weiß auch ganz genau, warum er die Klare Frage “Werden Sie – wie Ihre Soldaten – „Krieg“ nennen, was sich in Afghanistan abspielt?” bewusst nicht bejaht hat.



Ihm dennoch dieses “ja” in den Mund zu legen, ist nicht nur schlechter journalistischer Stil. Es ist Realitätsverzerrung. Gerade die sollte aber durch die Ziffer 2 des Pressekodex verhindert werden. Diese Ziffer ist generell anzuwenden - und nicht nur dann, wenn die Meldung ohnehin gerade unbequem ist wie die des Waffenfundes der israelischen Armee.






Jaspis






[1] http://www.presserat.info/pressekodex.html
[2] http://www.sueddeutsche.de/politik/42/493389/text/
[3] http://www.zeit.de/politik/ausland/2009-10/bundeswehr-afghanistan-tanklaster-klein
[4] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,658086,00.html
[5] http://www.faz.net/s/Rub594835B672714A1DB1A121534F010EE1/Doc~E21F5449EE3594035BC89A976BA362300~ATpl~Ecommon~Sspezial.html
[6] http://www.sueddeutsche.de/politik/420/492774/text/
[7] http://www.sueddeutsche.de/politik/806/493156/text/
[8] http://www.bild.de/BILD/politik/2009/11/03/afghanistan/interview-mit-minister-guttenberg.html
[9] http://www.suedwatch.de/blog/?p=1491

Geschrieben in Halbwahrheiten, Israel/Nahost, Meinungsvorgabe, SZ-Kritik Allgemein | 0 Kommentare

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