“Er war ein Türsteher und auch sonst von mäßigem Verstand”
16. Oktober 2009 von Jaspis
Ein Spruch, den Ludwig Thoma eigentlich für Juristen kreierte, muss offenbar sinngemäß herhalten, wenn es darum geht, den israelischen Außenminster zu diskreditieren. Der empörte sich nämlich über eine türkische Fernsehserie, in der israelische Soldaten als sadistische Kindsmörder dargestellt werden, in einer Darstellung obendrein, die sich weit außerhalb der Grenzen des guten Geschmacks bewegt.
Der israelische Außenminister Avigdor Lieberman hatte bereits am Mittwoch scharfe Kritik an der Serie geäußert, die das Leben einer fiktiven palästinensischen Familie in den besetzten Gebieten beschreibt. Das israelische Fernsehen zeigte am Mittwochabend Auszüge der Serie “Ayrilik” (Trennung), die in dieser Woche in der Türkei gezeigt wurde. Der Untertitel lautet “Palästina in Liebe und Krieg”.
In einer der Szenen nähert sich ein Soldat einem palästinensischen Mädchen, das in einer kleinen Gasse mit dem Rücken zur Wand steht. Der Schauspieler, der den Soldaten darstellt, hebt sein Gewehr, während das Mädchen unschuldig lächelt, und schießt ihm aus nächster Nähe in die Brust. In einer anderen Szene werde ein Baby an einem Kontrollpunkt getötet, hieß es im israelischen Fernsehen.
Ein israelisches Schießkommando feuert in einer anderen Szene auf unbewaffnete Palästinenser, die in einer Reihe aufgestellt sind. Es hat seit Beginn der Besatzung im Jahre 1967 nie Berichte darüber gegeben, dass die israelische Armee bei Konfrontationen mit Palästinensern Schießkommandos einsetzt.
Israels Außenminister Lieberman nannte die Serie “Hetze der schlimmsten Sorte, und dies mit Unterstützung der Regierung”. [1]
Nicht nur, dass man bei der SZ in der Formulierung ihrer Version des Artikels über diesen Vorfall den Konjunktiv plötzlich zelebriert wie sonst kaum (vgl. [2]), es wird auch geflissentlich darauf geachtet, die Empörung über diese Serie auf Avigdor Lieberman zu reduzieren. Für “Jerusalems Außenminister Avigdor Lieberman Hetze auf der “schlimmsten Stufe”", für sonst ja kaum jemanden. Zumindest nicht bei der SZ, wo man offenbar der Ansicht ist, es handle sich um eine Real-Dokumentationsserie.
Und dieser - in der Darstellung der SZ - einzige, einsame Kritiker der Serie, ist also Avigdor Lieberman:
Früher Türsteher, heute Außenminister: Avigdor Lieberman. Vor seinem Amtsantritt machte er mit rechtsextremen Aussagen von sich reden, er gilt daher als umstritten. [3]
Richtig, Avigdor Lieberman war mal Türsteher. Und was sagt das aus? Sind Türsteher dümmer als andere Menschen? Sind sie extremistischer? Empören sie sich über die falschen Dinge?
Dass Avigdor Lieberman umstritten ist, ist auch richtig. Dass er aber mit rechtsextremen Aussagen von sich reden gemacht haben soll, ist zumindest … interessant. Natürlich hat es eine SZ nicht nötig, auch zu erwähnen, wie diese “rechtsextremen Aussagen” denn aussahen, was Lieberman da konkret gesagt haben soll. Ihr genügt es, das einfach zu behaupten.
Ein Türsteher, von dem angeblich rechtsextreme Aussagen stammen, zwei in den Raum geworfene Informationen, von denen die eine zwar wahr ist, die andere aber eine reine Meinungsäußerung. Beide haben mit dem Sachverhalt nichts zu tun, sondern sie dienen nur einen Zweck: Dem Leser soll klar werden: Die Kritik von “so einem” ist ja ohnehin nichts wert, die kann man auch getrost übergehen.
Mit anderen Worten: Der Kritik Liebermans kann nichts entgegengehalten werden - weil er mehr als Recht hat. Also versucht man, ihn selbst unglaubwürdig darzustellen, damit auch seiner Kritik dasselbe passiert.
“Unwürdig” ist noch die freundlichste Vokabel, die mir zu dieser Art von Propaganda einfällt.
Jaspis
[1] http://www.n-tv.de/politik/Israel-empoert-ueber-TV-Serie-article547863.html
[2] http://www.suedwatch.de/blog/?p=203
[3] http://www.sueddeutsche.de/politik/683/491054/tex
1 Reaktion zu ““Er war ein Türsteher und auch sonst von mäßigem Verstand””
Anstatt sich über die Darstellung in irgendwelchen TV-Serien aufzuregen, sollte der Außenminister vielleicht lieber mal darauf drängen, dass die Vorwürfe des Goldstone-Reports untersucht werden. Vielleicht zeigt sich dann, dass Wahrheit und Fiktion gar nicht so weit auseinander sind.