“Das Kanzleramt ist keine Festhütte”
25. August 2009 von moritatensaenger
Nun gibt sich die Süddeutsche Zeitung -da kann ihr keiner was vorwerfen- wirklich redlich Mühe, mit regelmäßiger und ausgiebiger Recherche in der BILD-Zeitung am Puls der Zeit zu sein. Ja, sie zitiert das Blatt sogar wo sie nur kann und wo ihr selbst einschlägige Informationen fehlen. Suedwatch.de berichtete bereits über dieses Phänomen:
[1]
Einzig am 16. Januar 2009 schien keiner der Redakteure in dem informativen Blatt gestöbert zu haben, auch Thorsten Denkler nicht, dem hier bei suedwatch.de eine eigene Kategorie gewidmet ist. Bereits an diesem Tag stand dort nämlich -wie der Bayer sagt- brettlbroad (”breit wie ein Brett”) zu lesen:
[2]
Es ist also durchaus etwas seltsam, wenn Denkler heute, sieben Monate später, in seinem Interview “Das Kanzleramt ist keine Festhütte” glaubt entdeckt zu haben:
[3]
Nicht dass wir hier nicht auch der Meinung sind, dass das “Kanzleramt keine Festhütte” ist, wie das Denklers Interviewpartner Dr. Martin Morlock formuliert. Es stellt sich nur die Frage, warum die SZ erst heute auf ein anderthalb Jahre zurückliegendes Ereignis reagiert, dessen Umstände im Übrigen schon damals bekannt waren, und es stellt sich die Frage, ob die Süddeutsche dieses Ereignis auch tatsächlich in den richtigen Rahmen und Zusammenhang stellt. Dass das Blatt aus München mit dem Geburtstag Ackermanns so seine Schwierigkeiten hat, das hat es bereits am 8. Februar 2008 erkennen lassen, als Ulrich Schäfer einen Artikel zu dem möglichen Ort der -wirklichen- Geburtstagsfeier Ackermanns schrieb, aus dem einen förmlich der Frust darüber ansprang, dass Journalisten ihre Geburtstagsfeiern wohl in bescheidenerem Rahmen abhalten müssen, als die Ackermänner unter uns:
“Der Blaue Saal der Orangerie in Ansbach etwa, geeignet für einen Stehempfang mit bis zu 700 Gästen, ist schon für 700 Euro Miete zu haben. Wer es gediegener mag, bittet zum Bankett ins Schloss Dachau; den Festsaal mit Vestibül vermietet der Freistaat Bayern, dem die Schlösserverwaltung gehört, für 1900 Euro. Wem aber nur das Beste gut genug ist, lädt in die Münchner Residenz, in den Vierschimmelsaal etwa, oder in den Herkulessaal, oder in beide zusammen. 19.000 Euro muss der Gastgeber dafür hinblättern, was angesichts der Nebenkosten fürs Catering von Käfer, Dallmayr oder Schuhbeck nicht weiter ins Gewicht fallen dürfte” [4]
Wir werden jedenfalls sehen, was der härteste “Spürhund” der SZ noch an sensationellen Fakten auf den Tisch bringt. Bis er soweit ist führen wir kurz auf, was er bis jetzt unter den Tisch fallen lassen hat. Beispielsweise Auszüge aus der Gästeliste….
-Jürgen Hambrecht (BASF)
-Werner Wenning (Bayer)
-Matthias Döpfner (Springer-Verlag)
-Roland Berger
-Gerhard Cromme (Siemens)
-Tessen von Heydebreck (Ex-Deutsche Bank)
-Michael Hilti (Hilti)
-Berthold Leibinger (Trumpf)
-Arend Oetker
-Friedrich von Metzler (Bankhaus Metzler)
-Maria-Elisabeth Schaeffler
-Friede Springer
-Annette Schavan (CDU)
-Petra Roth (CDU)
-Howard Davis (London School of Economics)
-Lars-Hendrik Röller (European School of Management)
-Wolfgang Schürer (Professor für Internationale Handelsdiplomatie, Georgetown University)
-Frank Elstner (TV-Moderator)
-Klaus-Dieter Lehmann (Präsident Goethe Institut) [alle Rheinische Post, Onlineausgabe; siehe 4]
….und ein Zitat aus der FAZ:
“Das Kanzleramt hat die Vorwürfe bereits zurückgewiesen. Die Bundeskanzlerin habe das Jubiläum zum Anlass genommen, Ende April ein Abendessen mit Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft auszurichten. Die Kosten seien aus Haushaltsmitteln des Kanzleramtes finanziert worden, die für derartige Zwecke zur Verfügung stehen. Ackermann hat im Februar Geburtstag.
Kampeter sagte weiter, ein regelmäßiger Austausch mit Verantwortlichen aus Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft und Politik auch im Rahmen eines solchen Abendessens - sei ’selbstverständlich und notwendig’. Auch alle parlamentarischen Kritiker seien regelmäßig bei der Kanzlerin, beim Bundespräsidenten und Ministern auf Steuerzahlerkosten eingeladen. ‘Es ist eine bodenlose Frechheit, dass die Kritiker Einladungen, die sie selbst erhalten und in der Regel auch wahrgenommen haben, bei anderen als steuerfinanziertes Privileg verurteilen.’ [...]
Der Steuerzahlerbund hält die Kritik an dem Essen für unbegründet. Der Vorwurf der Steuerverschwendung stehe ‘auf sehr wackeligen Beinen, weil die Veranstaltung im Kanzleramt keinen privaten Charakter hatte’, sagte Verbandsgeschäftsführer Reiner Holznagel der Onlineausgabe des ‘Handelsblatts’” [5]
Und weil wir schon bei der FAZ sind, als Ergänzung ein sowohl amüsantes wie aufschlußreiches Bekenntnis von Frank Schirrmacher, der ebenfalls an der verrufenen Veranstaltung teilgenommen hatte:
[6]
Bleibt zum Schluß ein Gruß an unseren wackeren Kämpfer, Thorsten Denkler, in der vagen Hoffnung, er möge künftig mehr in anderen Zeitungen lesen, als selbst in einer zu schreiben. Es muss ja nicht immer die BILD sein (in der er liest).
Mit tönendem Gruß
Ihr Moritatensaenger
[1] http://www.suedwatch.de/blog/?p=180
[2] http://www.bild.de/BILD/news/wirtschaft/2009/01/16/ackermann/gesicht-der-deustchen-wirtschaft.html
[3] http://www.sueddeutsche.de/politik/919/485346/text/
Update:
Es gibt sie noch, die seriösen Stimmen in der SZ. Zum Ackermann-”Skandal” ein lesenswerter Beitrag von Nico Fried, dem Leiter des Hauptstadbüros der SZ:
1 Reaktion zu ““Das Kanzleramt ist keine Festhütte””
Der Artikel von Nico Fried hat es tatsächlich verdient, mit dem Interview von Denkler vergleichen zu werden. Denn er zeigt gut die Unterschiede zwischen Hofberichterstattung und kritischem Journalismus. Wer die Geburtstagsfeier nur als höheren Small-Talk interessanter Leute abtut, erkennt nicht, dass auf der Geburtstagsfeier zwar nur über Gott und die Welt geredet worden sein mag, aber damit das Fundament gefestigt wurde für spätere, wirklich wichtige Gespräche über das Thema, das die Gäste wirklich interessiert: Geld - und zwar das eigene Geld und wie man das eigene Geld zusammen hält und mehrt. Das ganze soll dann am besten auf Kosten des Steuerzahlers geschehen, der nicht nur die Peanuts einer Geburtstagsfeier eines Mulitmillionärs bezahlen darf, sondern auch die große Zeche, wenn die Damen und Herren Industriellen Schutzschirme von ihren neuen bzw. alten Freunden in der Regierung erbitten und tatsächlich erhalten.
Es ist nicht Aufgabe der Politik, die Wirtschaft zu hofieren, sondern sie zu kontrollieren, zu bändigen und ihr Schranken zu weisen.
Ackermanns Geburtstagsfeier ist ein Symbol für die Degeneration der politischen Kaste, die sich als Handlanger der Reichen sieht in der Ausbeutung der übrigen Bevölkerung. Diese übrige Bevölkerung erhält dann Kündigungen, wenn sie gefundene Pfandbons einlöst. Nicht auszuschießen, dass dieser kuriose Fall als nette Episode vor dem Nachtisch erzählt wurde und große Heiterkeit der anwesenden Leistungsträger ausgelöst hat.