Peter Burghardt war IHM nahe: El Presidente!!!
25. Juli 2009 von moritatensaenger
Endlich ist es auch für Peter Burghardt so weit, er ist IHM nahe, lässt sich mitreißen von der ungeheuren Atmosphäre, wirft den Arm zum Triumph in die Höhe und brüllt und lässt seinem Glücksgefühl freien Lauf. Und er lässt uns teilhaben [1]:
Manuel Zelaya trug Cowboyhut und schwarze Weste zum weißen Hemd … angereist war [er] in einem weißen Jeep … der entmachtete Staatschef wartete auf nicaraguanischem Gebiet, dann bewegte er sich langsamen Schrittes Richtung Heimat … es öffnete sich ein Korridor zwischen Journalisten und Sympathisanten. Gegenüber auf der honduranischen Seite hatten sich Einheiten von Honduras’ Militär aufgebaut. Zelaya hob eine Absperrkette, die aufgespannt worden war, und betrat Honduras. Niemand hielt ihn auf
Mein Gott, wär ich da gern dabei gewesen: Irgendwo an der Grenze zwischen Nicaragua und Honduras wurde Geschichte geschrieben. Die Geschichte eines starken Führers, dem sein Volk über alles geht, und der bereit ist, sich selbst zu opfern. Und die seines treuen Reporters, der ihm mit glühender Seele folgt. Und ich sitze hier am Schreibtisch und kann nur ahnen, was Peter Burghardt, der treue Reporter, empfunden hat, als er an diesen Augenblicken leibhaftig teilhaben durfte. Wer weiß, vielleicht hat er El Presidente kurz zu gerufen und der hat ihn erkannt und ihn mit seinen Blicken für einen Moment in der Menge fixiert; schließlich hatten sie ja erst kürzlich telefoniert, er, Burghardt und ER, El Presidente. Und es ward ein magisches Band mit diesen Blicken geknüpft und beide wussten: Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss!
Ganz im Ernst, lieber Leser: Bei manchem Artikel - und damit sind nicht nur die von Burghardt geschriebenen gemeint - den ich in der letzten Zeit in der SZ lesen musste, dachte ich, dass es peinlicher nicht mehr geht. Satte Falschmeldungen, verdrehte Tatsachen, schlampige Recherchen, dümmliche Kommentare. Aber Burghardt zeigt, dass dieses Niveau bei weitem noch zu unterbieten ist.
Da kommt ein erwachsener Mensch, über vierzig Jahre alt, mit Studium in Politikwissenschaft, Soziologie und Hispanistik, Korrespondent einer hunderttausendfach gelesenen Tageszeitung, und lässt sich in einem Zeitungsartikel, statt seinen Verpflichtungen zu gewissenhafter journalistischer Arbeit nachzukommen, zu eine wahren Ode auf einen Menschenverführer hinreißen.
Natürlich, das ist doch gar keine Frage, mag eine zackige Marschmusik bei dem einen oder anderen eine Gänsehaut hervorrufen; mag die Gemeinsamkeit im vollen Fußballstadion die Begeisterung für die eigene Mannschaft ins Unermessliche steigen lassen; mag die stille nächtliche Demonstration mit tausenden brennenden Kerzen die Tränen laufen lassen; so sind wir Menschen nunmal gestrickt. Emotion haben die Fähigkeit, das rationale Denken nicht nur einzuschränken, sondern förmlich außer Kraft zu setzen. Aber schon immer auch haben die Meister der emotionalen Intelligenz, die gnadenlosen Manipulatoren, die Menschenverführer es verstanden, diese - doch eigentlich wunderbare - menschliche Schwäche zu mißbrauchen, haben es geschafft, Situationen, Atmosphären und Szenerien zu schaffen, die unsere Fähigkeit zu klarem Denken in die Tonne beförderten. Mit manchmal katastrophalen Folgen.
Und nun kommt also, im Jahr 2009, ein naiver Schreiber, dem es irgendeine Fügung ermöglicht hat, an eine Position zu gelangen, wo er schreiben darf was Tausende lesen, und dieser Schreiber lässt sich von einem Verführer par exellence an ein ganz bewusst inszeniertes Theaterstück fesseln, lässt sich hineinzerren in ein Schauspiel, das der Verführer kontrolliert und über das der Verführte die Kontrolle längst verloren hat.
Und in seiner Begeisterung zitiert Peter Burghardt tatsächlich den “weißen Jeep”, in dem ihm der idolisierte Verführer wie der legendäre “weiße Ritter” erscheint. Das Weiß in seiner klassischen Bedeutung und Betonung der Unschuld und der Unsterblichkeit auf Hemd, Hut und sogar Auto. Und die Menschenmenge, die sich teilt, um dem Helden Spalier zu stehen, der sich langsamen Schrittes durch sie hindurch bewegt.
“Und die Sonne geht unter, da steht er am Tor,
Und sieht das Kreuz schon erhöhet,
Das die Menge gaffend umstehet;
An dem Seile schon zieht man den Freund empor,
Da zertrennt er gewaltig den dichten Chor:
‘Mich, Henker’, ruft er, ‘erwürget!
Da bin ich, für den er gebürget!’”
(aus “Die Bürgschaft”)
Das hätte selbst Schiller nicht besser inszenieren können. Und Burghardt fällt drauf rein und will nun sogar uns, die Leser, mit seinem Virus anstecken. So bemüht ist er um nutzbare Assoziationen, dass er das Wort vom “Showdown” benutzt und den Cowboyhut-Träger zum US-amerikanischen Revolver-Helden erhebt, dem er, Gipfel der Geschmacklosigkeit, einen “Helden”kumpan an die Seite stellt, der Mitglied in einer Guerilla war (bevor er sie -auch wieder mit Waffengewalt - bekämpfte), der vieltausendfache Menschenrechtsverletzungen und unzählige Morde vorgeworfen werden:
Eskortiert wurde er von einem Konvoi mit unter anderem … Nicaraguas Sandinisten-Legende Edén Pastora, genannt Comandante Cero”
Und während er des Rühmens und Verklärens seiner Idole nicht mehr müde wird, findet er für diejenigen, die ihm als Journalisten eigentlich bestenfalls der andere Teil eines politischen Prozesses sein sollten, den er möglichst an Fakten orientiert darzustellen hat, findet er also für die Gegner Zelayas nur desavouierende Worte
obwohl ihm die Putschisten seine sofortige Verhaftung angekündigt hatten [...] die Umstürzler ließen die Piste versperren und auf unbewaffnete Demonstranten schießen [...] die isolierte Putschregierung von Roberto Micheletti [...] die weltweit geächtete Micheletti-Riege mit dem gewohnten Impuls [...] brechen die Verschwörer seit Wochen selbst das Recht [...] Ihn erschossen Soldaten hinterrücks, als sich Zelaya dem Flughafen näherte”
Eine Ansammlung von unüberprüfbaren Behauptungen und hasserfüllten Abwertungen, die zusammen mit dem Rest des Pamphlets nur ein Urteil zu lassen:
Das ist kein Journalismus mehr, sondern bestenfalls noch rückgratlose Hofberichterstattung.
Mit tönendem Gruß
Ihr Moritatensaenger
1 Reaktion zu “Peter Burghardt war IHM nahe: El Presidente!!!”
Lieber Moritatensaenger,
ich bin so froh, endlich einen klar denkenden Menschen in Deutschland gefunden zu haben, der meine Meinung teilt.
Seit Tagen ärgere ich mich über die Berichterstattung von P. Burghardt. Seine Artikel über Honduras sind unglaublich schlecht recherchiert und einseitig dargestellt. Soetwas ist im deutschen Journalismus nicht tragbar.
Gerade habe ich seine Adresse gesucht, um ihm zu schreiben, als ich ihren Artikel gefunden habe. Da Sie ja nun schon mehrere Artikel von P. Burghardt analysiert haben, haben Sie vielleicht auch schon eine persönliche Erfahrung mit ihm gemacht. Daher bitte ich Sie um Ihre Meinung: Glauben Sie es würde überhaupt etwas bringen Herrn Burghardt fundierte Informationen über Honduras zukommen zu lassen? Würde er diese berücksichtigen, oder ist er so voreingenommen, dass er sie sowieso nicht liest?
Vielen Dank für Ihre Einschätzung.
Mit freundlichen Grüßen
Sandra Ramirez-Wulff