Professor Benz, Benjamin Netanjahu und die Judennase
25. Juli 2014 von moritatensaenger
Es ist gerade einmal ein Jahr her, da präsentierte uns die Süddeutsche Zeitung ungeniert ein vampirsgebissiges und ergo blutsaugendes Juden-Monster, mit gewetztem Messer und gezückter Gabel im Bett liegend, und einer Frau im Vordergrund, die dem Ungeheuer ein reich gedecktes Frühstückstablett servierte. Bildunterschrift dazu…
“Deutschland serviert. Seit Jahrzehnten wird Israel, teils umsonst, mit Waffen versorgt. Israels Feinde halten das Land für einen gefräßigen Moloch.
Kollegin Jaspis hat das damals, im Juli 2013, in einem sorgfältig recherchierten Artikel aufs Korn genommen, der auch den Künstler, der das Werk geschaffen hatte, mit einem erstaunlichen Bekenntnis zu Wort kommen ließ. Und es wurde auch Franziska Augstein - die mutmaßliche Verursacherin - zitiert, die den tiefen Griff ins antsemitische Klo in ungetrübter Selbstüberschätzung verharmloste…
Ein blutsaugendes Monster hat also, selbst wenn es Israel darstellen soll, angeblich nichts mit antisemitischen Klischees zu tun. Wer nun in seiner Allgemeinbildung wühlt und sich darauf verwundert am Kopf kratzt, wie ein geradezu klassisches antisemitisches Klischee plötzlich nix mehr mit Antisemitismus zu tun haben kann und wie die EntscheiderInnen in der Reaktion zu diesem Geistesblitz kamen, der kann heute (Donnerstag, 24.07.2014) im Münchner Boulevardblatt tz (Printausgabe) vielleicht auf eine Spur zu Lösung des Rätsels stoßen. Ich sag es gleich - Achtung: Spekulation - vorweg:
Ich bin fast der Überzeugung, dass sich die seinerzeit über die Entscheidung zur Veröffentlichung entzweite Süddeutsche-Redaktion…
Manche meinten, das sei geschmacklos, antiisraelisch. Andere fanden daran nichts auszusetzen.
….bei Antisemitismus-”Forscher” Professor Wolfgang Benz Rat geholt hatte. Und dass der, als gelegentlicher SZ-Autor im Hause geschätzt, dem Kunstwerk zusammen mit der Bildunterschrift den Persilschein gab. Weil:
Der damals im Blatt abgebildete Blutsauger hatte keine Judennase!
Sie lesen richtig: Denn das, eine “riesige Hakennase”, ist offensichtlich nach des Professors Erkenntnis das entscheidende “antisemitische Attribut”, das aus einer geschmacklosen Karikatur eine antisemitische Darstellung zu machen in der Lage ist.
Und wie komme ich nun darauf, dass ein Antisemitismus-Forscher so denkt? Da sind wir wieder bei der tz. Das Münchner Blattl, dass sich sonst - journalistisch gehoben - von den Pickeln am Arsch eines Models bis zum vermissten Michlingshünchen “Charly” um das besonders gewichtige Spektrum dessen kümmert, was die Welt bewegt, wollte offensichtlich auch seinen Senf zu den Übergriffen auf Juden in Deutschland in den letzten Tagen beitragen, weshalb es sich jenen Professor Wolfgang Benz, Antisemitismus-Forscher, zum Interview lud. Und Benz brillierte darin derart, dass suedwatch.de das seinen Lesern nicht vorenthalten möchte (zumal ja ein gewisser Zusammenhang zur Süddeutschen besteht):
(Anklicken des Bildes führt zu einem Abbild in hoher Auflösung und Größe beim suedwatch.de-Account bei directupload)
Frage tz (Klaus Rimpel):
…Auf einer Demonstration wurde eine Fotomontage mit Benjamin Netanjahu als blutsaugender Vampir gezeigt: Antisemitismus oder Kritik am israelischen Premier?
Antwort Benz:
Wenn Netanjahu hier mit eindeutig antisemitischen Attributen wie einer riesigen Hakennase gezeigt wird, ist das nicht nur Kritik an Netanjahu, sondern auch oder vor allem Antisemitismus. Aber: Den israelischen Premier für Handlungen zu kritisieren, die er gemacht hat, das ist der Sache nach nicht antisemitisch.
Bevor ich ihnen, liebe Leser, die Ungeheuerlichkeit dieses Statements von Benz nochmal ganz langsam zu Gemüte führe, hier zunächst die angesprochene Fotomontage:
Und nun nochmal die Essenz aus des Antisemitismus-Forschers Professor Wolfgang Benz Behauptung:
Der (kinder-)blutsaugende israelische Ministerpräsident, hervorgehoben eindeutig als Jude durch den Davidstern auf der Stirn (also nicht als Israeli, ansonsten man die Fahne verwendet hätte) stellt…
1. KEIN antisemitisches Stereotyp dar. Das wäre nur der Fall, hätte man Netanjahu auch noch eine “riesige Hakennase” verpasst.
2. Es ist dies, also der Jude Netanjahu, Kinder aussaugend/fressend, kein Antisemitismus, weil es “den israelischen Premier für Handlungen … kritisier[t], die er gemacht hat”.
Netanjahu saugt in des Antisemitismusforschers Augen also palästinensischen Kindern das Blut aus!!!
Und nein, das sagt keiner von der NPD oder von den Grüne/LINKEN, das sagt er: Professor Wolfgang Benz, der 21 [!] Jahre lang, von 1990 bis 2011, das Zentrum für Antisemitismusforschung (ZfA) der Technischen Universität Berlin leitete. Einundzwanzig Jahre, in denen mit ziemlicher Sicherheit Millionen von Steuergeldern in diese “Forschung” flossen. Und das Ergebnis ist, dass ein landesweit als Experte offensichtlich vollkommen überschätzter Altlinker mit der Narrenweisheit glänzen kann, die Darstellung eines Juden als Kinderblut saugendes Monster, sei nicht antisemitische, sondern in der Sache einfache Kritik, weil……der Abgebildete auf der genannten Fotomontage keine “riesige Hakennase” trage! DAS nämlich wäre das entscheidende - und hier fehlende - antisemitische Attribut.
Dass Juden nicht erst seit Simon von Trient des Kindermordes und des Trinkens von Kinderblut bezichtigt werden, dass seit Jahrhunderten kolportiert wird, sie verwendeten (überwiegend Kinder-)Blut für ihre Rituale und die Bereitung des Matze-Brotes, das belegen unzählige Dokumente und Werke, vom genannten Simon von Trient in der Schedelschen Weltchronik (Blatt 255) über den Kindlifresser in Bern, eine Brunnenfigur mit einem Judenhut…
…bis hin zu den, absolut mit der Fotomontage Netanjahus übereinstimmenden, Werken aus dem Hause Streicher (vor ‘45) …
..und palästinensischer Gegenwartskunst….
Alles das kennt man unzweifelhaft und zum Teil seit Jahrhunderten als Ausdruck puren Antisemitismus. Allein unser ehrenwerter Professor vermag - nach über zwanzig Jahren Forschung in der Materie - in der Darstellung Netanjahus auf einer Demo von überwiegend Muslimen in Deutschland keinen Judenhass zu erkennen. Weshalb er - unter anderem einen nicht genannten jüdischen Funktionär - auch davor warnt, den “in tiefstem Schrecken über die Vorgänge in Gaza” heute auf die Straße gehenden Pöbel mit dem zu vergleichen, der 1938 auf unseren Straßen Juden jagte.
Ganz ehrlich: Wenn so schon die Antisemitismus-Forscher denken und argumentieren, dann möchte man am liebsten garnicht wissen, was ihren Forschungsobjekten, den Antisemiten alles im Kopf rum schwirrt.
Peter Zangerl alias Moritatensaenger