Es ist Demokratie - und Prantl hat nichts verstanden
26. Februar 2014 von Jaspis
Heute hat Heribert Prantl, der promovierte Jurist, einmal wieder ein Glanzstück seines demokratischen Nicht-Verständnisses und Unvermögens abgeliefert: Zum heutigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die Drei-Prozent-Hürde im Europarecht für verfassungswidrig erklärt hat [1] fabuliert Prantl selbstverliebt [2]
Karlsruhe mauert sich ein im schwarz-rot-goldenen Turm: Das Bundesverfassungsgericht kippt nach der Fünf-Prozent-Klausel nun auch eine Drei-Prozent-Hürde für die Europawahl. Es missachtet das Europaparlament und verhindert die gute Entwicklung der parlamentarischen Demokratie in Europa.
Hach, wie wär das schön - meint Prantl - wenn doch das Europaparlament eine Macht wäre, die noch viel mehr zu sagen hätte als sie es jetzt hat. Eine, so könnte man meinen, die die Länderparlamente am besten vollkommen außer Kraft setzt, so dass ganz Europa von diesem Europaparlament regiert wird. Doch das ist nicht die Realität, wie auch immer man zu dieser Realität stehen mag. Noch bestehen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht keine Verhältnisse, die denen auf nationaler Ebene vergleichbar wären. Sie mögen angestrebt werden, steckten aber jedenfalls noch in den Anfängen, so das Bundesverfassungsgericht:
Es ist nämlich bereits in tatsächlicher Hinsicht nicht konkret absehbar, dass die angestoßene politische Entwicklung ohne eine Sperrklausel im deutschen Europawahlrecht zu einer Funktionsbeeinträchtigung des Europäischen Parlaments führen könnte.
Entgegen Prantls Vorstellungen liegt die Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts nicht darin, diese politische Entwicklung zu fördern, nein, offenbar vollkommen neu für Prantl: Das Bundesverfassungsgericht ist Hüter der Verfassung - und damit der Demokratie. Doch solche Gedanken scheinen Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung vollkommen abwegig zu sein.
Karlsruhe könnte dem Parlament in Straßburg und Brüssel die Anerkennung zukommen lassen, die es dem Bundestag in Berlin zuteilwerden lässt. Aber Karlsruhe weigert sich. Karlsruhe wartet, bis dieses Europaparlament so ist, wie es sich ein gutes Parlament vorstellt. Doch Karlsruhe trägt nichts dazu bei, dass es einmal dazu kommt.
Für Prantl vollkommen abwegig befasst sich das Bundesverfassungsgericht mit der Demokratie - und nicht mit der Förderung von Prantls politischer Vorstellungen. Es führt aus:
Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit, der sich für die Wahl der deutschen Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus Art. 3 Abs. 1 GG ergibt, sichert die vom Demokratieprinzip vorausgesetzte Egalität der Bürger und ist eine der wesentlichen Grundlagen der Staatsordnung. Aus diesem Grundsatz folgt, dass die Stimme eines jeden Wahlberechtigten grundsätzlich den gleichen Zählwert und die gleiche rechtliche Erfolgschance haben muss.
Der aus Art. 21 Abs. 1 GG abzuleitende Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien verlangt, dass jeder Partei grundsätzlich die gleichen Möglichkeiten im gesamten Wahlverfahren und damit gleiche Chancen bei der Verteilung der Sitze eingeräumt werden.
Differenzierungen im Wahlrecht können nur durch Gründe gerechtfertigt werden, die durch die Verfassung legitimiert und von einem Gewicht sind, das der Wahlrechtsgleichheit die Waage halten kann. Hierzu zählt insbesondere die Sicherung der Funktionsfähigkeit der zu wählenden Volksvertretung.
Maßgeblich sind die aktuellen Verhältnisse. Der Gesetzgeber ist zwar nicht daran gehindert, auch konkret absehbare künftige Entwicklungen zu berücksichtigen. Maßgebliches Gewicht kann diesen jedoch nur dann zukommen, wenn die weitere Entwicklung aufgrund hinreichend belastbarer tatsächlicher Anhaltspunkte schon gegenwärtig verlässlich zu prognostizieren ist.
Zusammengefasst:
1. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit ist Teil des Demokratieprinzips.
2. Alle Parteien müssen bei einer Wahl die gleichen Chancen haben.
3. Eine Ausnahme davon gibt es nur, wenn die Verfassung das ermöglicht und die Gründe dafür genauso schwer wiegen wie die Wahlrechtsgleichheit. Zum Beispiel die Funktionsfähigkeit des Parlaments.
4. Maßgeblich sind die aktuellen Verhältnisse.
Weder ist die reine Zukunftmusik ein ausreichender Grund für eine Sperrklausel, noch sind die privaten Wünsche des Herrn Heribert P. aus M. für das Bundesverfassungsgericht so erheblich, dass sie die Wahlrechtsgleichheit aufwiegen würden, noch sind seine Wünsche überhaupt Bestandteil unserer Verfassung.
Karlsruher Urteile sind häufig ein Segen für Demokratie und Rechtsstaat. Dieses Urteil nicht. Es ist eine Katastrophe, eine Katastrophe für die parlamentarische Demokratie in Europa.
Sagt Prantl. Manchmal möchte man meinen, Prantl biegt sich Recht und Gesetz - und insbesondere die Verfassung so hin, wie es ihm gerade passt in seinen ideologisch geprägten Vorstellungen. Doch mehr und mehr kommt man zu dem Schluss, dass er die Demokratie schlicht nicht verstanden hat.
Jaspis
[1] http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg14-014.html
[2] http://www.sueddeutsche.de/politik/urteil-zur-drei-prozent-huerde-das-europaparlament-ein-rummelplatz-1.1898773