Neues aus Annettes Nähkästchen
7. Februar 2014 von Jaspis
Dass Sachverständige, die regelmäßig für einen bestimmten Auftraggeber, etwa für eine Versicherung, Gutachten erstellen, die den regelmäßigen Auftraggeber angeblich begünstigen, ist ein häufiger Vorwurf, der ebenso häufig von den Sachverständigen zurückgewiesen wird. Annette Ramelsberger greift heute diesen Vorwurf auf und behauptet: [1]
Doch handelt es sich dabei nicht etwa um den Vorwurf, diese “befangenen” Gutachter würden durch ihr Gutachten eine der Streitparteien begünstigen, um einen für sie möglichst günstigen Prozessausgang zu ermöglichen. Ich nehme an, auf diese Schlagzeile hin gab es einen wahren Ansturm an Zuschriften von Sachverständigen, die diesen Vorwurf zu Recht empört zurückweisen. Inzwischen heißt die Schlagzeile nicht mehr so, sondern
Gerichte signalisieren den Gutachtern häufig, welche Ergebnisse die Richter sich wünschen.
Das behauptet Annette Ramelsberger jedenfalls, und sie beruft sich dabei auf das Deutsche Ärzteblatt, das wiederum die Ergebnisse der Befragung von 252 Ärzten im Rahmen einer Doktorarbeit wiedergibt.[2]
Insgesamt gaben 24,7 Prozent (n = 54) an, bei Gutachten, die von einem Gericht in Auftrag gegeben wurden, entweder in Einzelfällen oder häufig eine Tendenz signalisiert bekommen zu haben
heißt es darin, doch weder die Doktoranden, noch Annette Ramelsberger klären die Frage, was man sich unter diesem “Signalisieren von Tendenzen” denn eigentlich vorzustellen hat. Und vor allem, welches Ziel die Unparteiischen denn damit verfolgen sollen.
Interessant, was die Befragten selbst zur Misere des Gutachterwesens sagten. So gab einer an, dass Gerichte gerne Gutachter benennen, die einfache Schwarz-Weiß-Beurteilungen abgeben.
Das ist keine Misere, sondern eine Notwendigkeit: Ein Gericht kann mit einem Wischiwaschi-Gutachten nichts anfangen. Wenn die Frage etwa lautet, ob der Angeklagte schuldfähig ist oder nicht, dann muss das Gutachten sagen, ja er ist es, oder nein, er ist es nicht. Was sollte das Gericht mit einem teuren Gutachten, das letztlich kein Ergebnis liefert?
Dass das, was Ramelsberger als “wissenschaftlichen Beleg” präsentiert, nichts weiter ist als das Ergebnis einer Befragung nach subjektiven Empfindungen, macht für die SZ-Schreiberin keinen Unterschied. Und so schließt sie mit:
Und es gibt natürlich Stammgutachter, die von Gerichten immer wieder eingesetzt werden, weil sie gut sind. Manchmal aber auch nur, weil sie bequem sind. Denn wenn sie Widerworte geben, kann es ihnen ergehen wie Norbert Nedopil, der Koryphäe unter den deutschen Psychiatern. Weil er dem Münchner Schwurgericht zu häufig Gutachten vorlegte, in denen er statt zu Haft zur Psychiatrie riet, wurde er nicht mehr beauftragt - Koryphäe hin oder her.
Das ist nun der schlagende “Beweis” der Expertin Ramelsberger für ihre These. Dass Norbert Nedopil, mittlerweile 66 Jahre alt [3] (zum Vergleich: Richter werden mit 65 Jahren zwangspensioniert), möglicherweise - aber nur ganz vielleicht - schon aus Altersgründen nicht mehr oder nicht mehr so oft beauftragt wird, erwähnt Ramelsberger natürlich nicht. Auch nicht, dass Nedopil jedenfalls noch bis vor einem Jahr so rege tätig war, dass er von Süddeutsche.de in einem laufenden Verfahren als Gerichtsgutachter zitiert werden konnte.[4] Und natürlich auch nicht, dass Norbert Nedopil bei Süddeutsche.de übrigens ein eigenes Thema hat in dem sich zahlreiche Artikel wiederfinden, in denen er nicht nur als Sachverständiger eines Gerichtsverfahrens zitiert, sondern auch gelegentlich interviewt wird [5][6] - vermutlich gegen Entgelt.
In der Denklogik der Frau Ramelsberger sind die Gutachter, die häufig von den Gerichten beauftragt werden, diesen quasi hörig, um nicht weiterer Aufträge verlustig zu gehen. Es sei problematisch, dass durch die Häufigkeit der Beauftragung eine wirtschaftliche Abhängigkeit bestehe. Was Annette Ramelsberger ganz offensichtlich noch nicht einmal weiß: In Bayern gibt es auch noch Landgerichtsärzte.[7] Das sind Ärzte, die so wirtschaftlich abhängig sind, dass das Gericht ihr Dienstherr ist.
Doch stellt sich die Frage, was daran zu beanstanden sein soll. Anders als eine Prozesspartei sind Richter unparteiisch. Sie verfolgen keine eigenen Interessen, denn:
Richter sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen (Art. 97 I GG),
wohingegen die Süddeutsche Zeitung … aber lassen wir das.
Jaspis
[1] http://www.sueddeutsche.de/panorama/gerichtsverfahren-viele-gutachter-sind-befangen-1.1881878
[2] http://www.aerzteblatt.de/archiv/154014/Gerichtsgutachten-Oft-wird-die-Tendenz-vorgegeben?s=sachverst%E4ndige
[3] http://de.wikipedia.org/wiki/Norbert_Nedopil
[4] http://www.sueddeutsche.de/muenchen/erding/prozess-um-doppelmord-von-notzing-ich-dachte-nicht-dass-ich-zu-so-etwas-faehig-bin-1.1585962
[5] http://www.sueddeutsche.de/muenchen/interview-mit-psychiater-nedopil-der-mann-wollte-alles-vernichten-1.280668
[6] http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/38067
[7] http://www.gesetze-bayern.de/jportal/portal/page/bsbayprod.psml?showdoccase=1&doc.id=jlr-GesDGAVBYpP4