Sommervogel: Honduras allein gegen den Rest der Welt
2. Juli 2009 von Gast
Mit Verwunderung verfolge ich die Medienberichte zur Absetzung des honduranischen Präsidenten. Als „Putsch zurück in die Vergangenheit” läßt sich die Festnahme des Herrn Zelaya nur schwer bewerten. Betrachtet man nicht nur die Vorgänge des vergangenen Sonntags, sondern die Entwicklung der vergangenen Wochen, so kann auch von „Wildwestmethode” keine Rede sein. Die Unterschiede zu militärischen Staatsstreichen der Vergangenheit sind erheblich.
Übernahm nach einem Putsch früher in der Regel das Militär die Macht, so hat es das in Honduras am Sonntag mitnichten getan. Nur wenige Stunden, nachdem Herr Zelaya ausgeflogen worden war, wurde der Vorsitzende des Kongresses Roberto Micheletti als Interimspräsident eingeschworen. Er ist es, der nach der Verfassung an zweiter Stelle steht. Und er hat auch unverzüglich darauf hingewiesen, dass die im November regulär angesetzten Präsidentschaftswahlen stattfinden werden.
Auch hat das Militär nicht, wie es ein Putsch voraussetzt, eigenmächtig gehandelt. Bereits vor Wochen hatte der Kongress sich gegen die Volksbefragung gestellt und das oberste Gerichtshof hatte sie für verfassungswidrig erklärt.
Da das Militär in Honduras üblicherweise bei der Durchführung der Wahlen behilflich ist, befand es sich nun in einer Zwickmühle. Sollte es dem Präsidenten als ihrem obersten Feldherren gehorchen und damit gesetzeswidrig handeln? Oder fühlte es sich der Verfassung verpflichtet? Die Generäle entschieden sich für die Verfassungstreue und lehnten jedwede Unterstützung der Befragung ab. Daraufhin entließ der Präsident den obersten Heeresführer Romero Vásquez Velásquez. Das oberste Gericht allerdings erklärte diese Absetzung umgehend für illegal und setzte ihn wieder in sein Amt ein.
Am Sonntag morgen dann griff das Militär, ebenfalls auf der Grundlage eines Beschlusses des obersten Gerichts, ein und nahm Herrn Zelaya fest.
Der Präsident war zweifelsohne auf dem Weg, die derzeitige Verfassung abzuschaffen, und das nicht nur, um sich eine zweite Amtszeit zu verschaffen. Er sprach offen aus, dass er eine andere Wirtschafts-und Gesellschaftsordnung anstrebe. Die Honduraner wollten aber offensichtlich kein zweites Venezuela oder Nicaragua werden, lehnten den „Chávismus” ab.
Nun kennt die honduranische Verfassung kein Verfahren zur Absetzung des Präsidenten. In den USA gibt es das sog. „impeachment”-Verfahren, unser Grundgesetz kennt das Misstrauensvotum oder auch die Vertrauensfrage. Welche andere Möglichkeit also hatte das Militär?
Zugegeben: es wäre vielleicht die bessere Lösung gewesen, wenn die Staatsanwaltschaft und Polizei zur Tat geschritten wären und den Präsidenten verhaftet und im Lande gelassen hätten anstatt ihn unverzüglich auszufliegen. Die Beteiligten fürchteten allerdings, dass es beim Verbleib des Mannes im Lande zu großen Unruhen kommen würde.
Nun hat die internationale Gemeinschaft die Absetzung des Präsidenten scharf verurteilt, eine Resolution der UN verlangt seine Wiedereinsetzung ins Amt. Das ist eine Ohrfeige für das honduranische Volk, das mit großer Mehrheit seine Verfassung und damit das demokratische Fundament ihres Landes verteidigt. Für eine junge Demokratie ist das eine bemerkenswerte Leistung.
Eine zweite Ohrfeige erhält das honduranische Volk durch die Medien, die mit großer Mehrheit kritiklos der einmütigen Reaktionen der internationalen Gemeinschaft folgen. Wo ist der qualitative Journalismus, der Hintergründe erforscht und ausleuchtet, wo sind die Journalisten vor Ort?
Nicht zu unterschätzen ist auch die Wirkung der so einmütigen Verurteilung der Militäraktionen in Honduras. Die Herren Chavez, Ortega, Morales und Castro dürfen sich freuen und in ihrem Kurs, der alles andere als rechtsstaatlich geprägt ist, bestärkt fühlen.
Die demokratischen Kräfte in Honduras läßt man damit allerdings allein im Regen stehen.
Verkehrte Welt!
gez. Sommervogel
Anmerkung:
Sommervogel betreibt den Blog “Geschichten aus Honduras”, in dem sie regelmäßig und lesenswert aus Alltag, Politik und Kultur des mittelamerikanischen Staates berichtet. Erreichbar ist der Blog über unsere Blogroll oder direkt über
http://honduras-stories.blogspot.com/
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Ihr suedwatch.de Team