Die gutsherrische Beschwichtigung des Heribert Prantl
16. November 2013 von Jaspis
Zum Prozessauftakt gegen Christian Wulff hätte es Heribert Prantl fast zerrissen.
22 Tage lang soll verhandelt werden wegen eines Betrags von derzeit sage und schreibe 753 Euro und 90 Cent
tobt er sich aus.[1]
753,90 Euro: Darin, nur darin, besteht der strafrechtliche Vorwurf, der gegen Christian Wulff erhoben wird.
Wegen eines solchen Betrags wird üblicherweise, wenn überhaupt, eine halbe Stunde vor dem Einzelrichter des Amtsgerichts verhandelt.
Das Verfahren ist ein Musterverfahren: ein Musterverfahren für Unverhältnismäßigkeit.
Verfolgungsgeilheit der Ermittler
Die Staatsanwaltschaft hat sich von einer medialen Hysterie antreiben lassen. [an so etwas würde sich die Süddeutsche Zeitung selbstredend niemals beteiligen, Anm. Jaspis]
Das Verfahren, so wie es bisher betrieben wurde, war ein Missbrauch der Justiz durch Justizorgane.
So sprudelte es schon am Mittwoch so emotional-vulgär wie substanzlos aus Prantl heraus und am Donnerstag legte er gleich noch nach [2]
Da belehrte Prantl seine aufmerksamen Leser, wann in seinen Augen “tatsächlich” Korruption bestehe: Im Fall Schreiber und nirgendwo anders.
Hätten sich die Ermittler auf den Fall Schreiber von Anfang an mit nur einem Bruchteil der Energie geworfen, mit dem sie sich auf Wulff gestürzt haben: es gäbe im Schreiber-Komplex die vielen weißen Flecken nicht mehr, die es 18 Jahre nach dem Beginn der Ermittlungen immer noch gibt.
“Die Ermittler”, die, das weiß auch nur Prantl, natürlich dieselben sein müssen wie im Fall Wulff. Und noch etwas ist Prantl bei der Gelegenheit noch eingefallen: Die angebliche Unverhältnismäßigkeit etwa im Fall der Kassierin Emmely. Die das Vertrauen ihres Arbeitgebers nicht nur dadurch zerstört hatte, dass sie in die Kasse gegriffen hat, sondern auch durch immer wieder falsche Angaben und schließlich auch noch die falsche Beschuldigung ihrer Kollegen. Doch das überging Prantl seinerzeit (nachzulesen auf suedwatch.de [3]) ebenso nonchchalant wie jetzt die vollständigen Tatsachen im Fall Wulff.
Just während der Amtszeit des Niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff beschloss die Niedersächsische Landesregierung, entschieden gegen Korruption vorzugehen. Die Richtlinie zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung in der Landesverwaltung (Antikorruptionsrichtlinie) wurde am 16.12.2008 beschlossen.[4]
Die Beamten erhielten und erhalten noch heute ein Faltblatt “Korruption - Prävention und Bekämpfung”
Darin werden den Beamten wichtige Hinweise gegeben:
und, wie für Herrn Wulff gemacht:
In der Verwaltungsvorschrift zum Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken [6] wird zudem ausgeführt:
Auf den Wert des Vorteils kommt es grundsätzlich nicht an. Dies gilt selbst dann, wenn im Einzelfall nach Art und Wert des Vorteils nicht anzunehmen ist, dass die Beamtin oder der Beamte dadurch in der Objektivität beeinträchtigt werden könnte, denn es muss schon der Anschein vermieden werden, im Rahmen der Amtsführung für persönliche Vorteile empfänglich zu sein.
Doch das alles scheint, jedenfalls in Prantls Augen für ein “hohes Tier” nicht zu gelten. Doch besagt der Verhaltenskodex der Anlage 1 der Antikorruptionsrichtlinie ausdrücklich das genaue Gegenteil:
Beim Fall “Emmely“[7] heuchelte Prantl noch
Es ist ein altes Vorurteil, dass die Justiz die Kleinen hängt und die Großen laufen lässt. Es ist auch ein altes Vorurteil, das die kleinen Leute weniger Recht kriegen.
Doch kaum geht es um dem von Prantl einst hofierten Ex-Bundespräsidenten, dem es, so Prantl “in seinem ersten Amtsjahr (…) gelungen [ist], sein Thema beharrlich zu vertreten: die Integration der Muslime in Deutschland.” [8] (für Prantl anscheinend das einzige Qualitätskriterium), schon ist es vorbei mit der Prantlschen Pseudosolidarität mit dem “Kleinen Mann”. Wo kämen wir auch hin, wenn für den Herrn Ministerpräsidenten die gleichen Regeln gelten sollen wie für sein Fußvolk, nicht wahr, Herr Prantl?
Ob sich der Vorwurf gegen Christian Wulff bestätigt oder nicht, hat das Gericht festzustellen und nicht irgend ein Schreiberling, der nicht überblicken kann oder will, dass es um weit mehr geht als 753,90 €. Es geht um Vertrauen, um Glaubwürdigkeit und Vorbildfunktion.
Vom Gericht wünscht man sich, dass es zum Maß zurückfindet.
Nein, von Prantl wünscht man sich, dass er zur Mass zurückfindet. Zu der an seinem Stammtisch, denn da gehört er auch hin.
Jaspis
[1] http://www.sueddeutsche.de/politik/prozessauftakt-gegen-christian-wulff-wegen-euro-1.1817168
[2] http://www.sueddeutsche.de/politik/prozessbeginn-gegen-ex-bundespraesident-wulff-anklage-ohne-mass-1.1819058
[3] http://www.suedwatch.de/blog/?p=59
[4] http://www.mi.niedersachsen.de/download/35064/Antikorruptionsrichtlinie.pdf
[5] http://www.mi.niedersachsen.de/download/35270/Faltblatt_Korruption_-_Praevention_und_Bekaempfung.pdf
[6] http://www.mi.niedersachsen.de/download/35248/
[7] http://www.sueddeutsche.de/politik/urteil-gegen-kassiererin-justiz-und-kleine-leute-1.472977
[8] http://www.suedwatch.de/blog/?p=7806